Die Waldbrandkatastrophe von 1992
-Erinnerungen eines siebenjährigen-
Freitag ging das Drama los!
Dieser Satz stammt von einem älteren Kameraden unserer Feuerwehr, der 1992 seinen Dienst auf dem Feuerwachturm Hermannsdorf versah.
Mit diesem Satz beginnt aber auch die Dokumentation des Katastrophenwaldbrandes vom Mai 1992 bei Weißwasser, dazu aber später mehr.
Nun drehen wir die Zeit ein wenig Zurück, genauer genommen auf das Jahr 1992.
Ich war damals 7 Jahre alt und mit den Kumpels ging es fast täglich in die Wälder nahe des Neubaugebiets Süd. Dort bauten wir aus altem Holz unsere Buden. Es waren die reinsten Abenteuer, aber es hat Spaß gemacht.
Doch es war warm und trocken, und das schon viel zu lange, aber von Waldbrandgefahr hatten wir noch keine Ahnung, vor allem nicht davon, was die nächsten Tage passieren würde.
Blitze zuckten, Rauch stieg auf
Es war Freitag, der 22. Mai des Jahres 1992. Meine Eltern, beide Schwestern und ich waren zum Halbendorfer Badesee gefahren, um uns in das nasse Element zu stürzen.
Von diesem See konnte man gut die Hochhäuser, Schornsteine und den Wasserturm von Weißwasser sehen.
Doch am frühen Abend mussten wir und die anderen Badegäste die Sachen packen, da sich eine schwarze Wand auf uns zu bewegte. Ein Gewitter nahe der Stadt.
Die Menschen freuten sich, denn sie glaubten nun an den lang ersehnten Regen, doch es kam anders.
Bereits auf dem Weg zurück nach Weißwasser war von Regen nicht viel zu Spüren, dafür etliche Blitze und ein frischer Wind.
Als wir am Haus im Sachsendamm Nr. 15 angekommen waren, roch es bereits nach verbranntem und plötzlich ging die Sirene auf dem benachbarten Hochhaus an.
Als sich das Gewitter langsam beruhigte, hörte man in der Ferne die Sirenen der Feuerwehren, damals noch mit dem typischen DDR-Klang.
Schon allein dieses Sirenengeheul machte einem Angst.
Dieser Tag endete und wir gingen ins Bett, um zu Schlafen, was in dieser Nacht noch möglich war.
Bedingt durch die relativ windruhige Nacht legte sich über die gesamte Stadt der Brandrauch. Am nächsten Tag sah alles blau aus, und immer dieser würzige Duft in der Nase, der mich bis heute geprägt hat.
Neugierig im Walde
Es war Samstag, der 23.5.1992. Nach dem Frühstück mit den Kumpels wieder in den Wald, zur Bude. Wir wussten ja gar nicht, was da in den nächsten Stunden noch auf uns zukommen würde und das nur wenige Kilometer weiter Feuerwehren versuchen, den am Freitag entstandenen Waldbrand gänzlich zu löschen. Doch daraus wurde nichts, denn der Wind frischte auf.
Die ganze Zeit fuhren Feuerwehrautos mit Sirene und im Wald waren immer mehr Leute zu sehen. Sie alle liefen oder fuhren zum Garagenkomplex Minol. Viele hatten dort ihre Autos zu stehen. Wir waren natürlich neugierig, wollten wissen, was los war. Wir trafen auf andere Kinder, die uns sagten, dass es im Wald brennt und ganz viel Feuerwehr da ist. Also liefen wir an den Garagen vorbei bis vor zur Minoltankstelle, die ebenfalls mitten im Wald, an der alten B156 lag.
Viele Schaulustige hatten sich bereits eingefunden, und wir mittendrin.
Außer Rauch konnten wir aber nichts weiter sehen, was wohl daran lag, dass sich das Feuer noch weit von Weißwasser befand.
Plötzlich kam ein Feuerwehrmann aufgeregt zu uns und schrie: Verschwindet!.
Mit dem immer dunkler werdenden Rauch taten wir das dann auch.
Im Sachsendamm angekommen, hieß es für mich, hoch zur Wohnung in den 6. Stock.
Unser Hauseingang war gute 50 Meter vom Wald entfernt.
Als am Nachmittag die Sirene auf dem nahe gelegenen Hochhausdach anlief, wusste ich noch nicht, was dieser jaulende Dauerton zu Bedeuten hatte. Aber beängstigend war diese Situation schon und noch heute läuft es mir kalt den Rücken herunter, wenn ich mich daran erinnere. Es war Katastrophenalarm!
Immer mehr Feuerwehren fuhren durch das Neubaugebiet, und Schaulustige stiegen auf die Dächer der Wohnblöcke.
Auf Augenhöhe mit dem Roten Hahn
Der Sonntag begann, wie der Samstag endete, nämlich mit jaja, ihr wisst schon.
Diesmal durfte ich nicht mehr rausgehen, in den Wald, zu unserer Bude.
So verbrachte ich und meine Familie den Tag in unserer Wohnung.
Nach dem Mittag schaute meine Mutter und ich aus dem Fenster Richtung Heizhaus und dem Feuerwachturm Hermannsdorf. Über dem Wald sahen wir pechschwarzen Rauch aufsteigen, dann kamen die Flammen dazu. Ein wirklich schrecklicher Anblick, denn ich nie vergessen werde
bedrohlich nah kam das Feuer Weißwasser-Süd / Foto: feuerwehr weisswasser
Meine Mutter machte sich derweil sorgen um unser Auto, welches auf dem Parkplatz am Wald stand. Sie hatte noch kein Führerschein und mein Vater war ahnungslos im Kraftwerk arbeiten.
Mehr und mehr verließen mit ihren Autos den Garagenkomplex, der mitten im Wald war.
Ich guckte mal vorne aus dem Fenster, dann eilte ich nach hinten, auf den Balkon.
Die gelben Hummeln kamen immer wieder im Tiefflug über die Wälder, verschwanden für kurze Zeit im Rauch und tauchten auf der anderen Seite wieder auf.
Nach einer ganzen Weile nahm ich mir ein Blatt Papier und Stifte und begann, dass gesehene zu malen.
Doch dann hörte ich von draußen ein dumpfes Klopfen. Ich lief also zum Balkon und staunte nicht schlecht. Ein großer Hubschrauber mit einer roten Tonne flog ziemlich dich über unser Haus hinweg. Ich wollte wissen, was der da gleich macht und so rannte ich wieder durch die ganze Wohnung nach vorne zu den Fenstern, und da sah ich es. In der roten Tonne war Wasser drin, welches über dem Feuer abgeworfen wurde.
Schnell wieder die Stifte in die Hand und weiter ging es.
Der Vollbrand bedrohte das Wohngebiet SÜD / Fotos: feuerwehr weiswasser
Nun wird es ernst
Am Nachmittag, es war der 24. Mai 1992, wurden die Bewohner des Sachsendamms, das Kinderheim und die zwei gegenüberstehenden Seniorenheime mit Lautsprecherwagen der Polizei aufgefordert, sich auf eine Evakuierung vorzubereiten. Ich fragte meine Mutter sofort, was eine Evakuierung ist, und sie antwortete: Wir müssen das Haus verlassen, ich rufe Oma an.
Doch zum Glück mussten wir nicht gehen.
Und so endete ein Tag, der mich für immer prägen sollte, mit lautem Sirenengeheul und beißendem Rauch.
In den Tagen danach flogen die großen Hubschrauber in 3er oder 5er Kolonnen.
Dieses Bild bot sich ein Jahr später wieder.
Erneute Waldbrandkatastrophe
Es war der April 1993, ebenfalls trocken und warm und wir wieder im Wald, bei unserer Bude, als zur gleichen Zeit ein größere Waldbrand im Bereich Süßmuthlinie tobte.
Plötzlich wieder dieses dumpfe Klopfen, wie das Jahr zuvor.
Und wieder die 3er Kolonne der großen Hubschrauber, mit ihren roten Tonnen.
Und wieder Sirenengeheul, wieder die Martinshörner der Feuerwehrautos.
Nicht zu vergessen, der würzige Waldbrandduft.
Diesmal aber hatten meine Eltern genug davon und so fuhren wir ein paar Tage nach Oybin, die Ruhe dort war beängstigend, waren wir doch anderes gewohnt.
Auf der Rückreise nach Weißwasser immer noch Rauchschwaden in den Wäldern.
Zahlreiche Feuerwehren säumten die neue B156, die nach ihrer Sperrung wegen des Brandes wieder für alle Befahrbar war.
Jahre später
Nun noch mal zurück zur Dokumentation von 1992.
In meiner Ausbildung zum Forstwirt zeigte uns einmal der Ausbilder ein Video mit einem Waldbrand. Doch dieses Video war nicht von Profis gemacht, nein, es stammte von Amateuren. Als er sagte, dass das Videomaterial vom Waldbrand 1992 stammt, kamen mir wieder die ganzen Erinnerungen von ´92 ins Gedächtnis.
So ging ich zu meinem damaligen Wehrleiter und fragte, ob ich auch so ein Video bekommen kann, und er meinte erstaunt zu mir: Das ist kein Video, dass haben sich die Kameraden selber zusammen geschnitten.
Ich bestand aber auf so ein Video und so machte ich mich in die Spur und fand dann irgendwann mal jemanden, der so etwas machen konnte. Ich rief ihn an und fragte, ob es möglich sei, die zahlreichen Amateurfilme zu einem vernünftigen Video zusammen zu stellen. Er antwortete mit großer Freude: Ja, gerne.
Ja und so entstand dann 2003 erst eine VHS, später eine DVD mit einer kompletten Dokumentation zum Katastrophenwaldbrand von 1992.
Eines Donnerstages zum Feuerwehrdienst führte uns der Wehrleiter dieses Video zum ersten Mal vor, und nicht nur ich war davon schwer beeindruckt.
Begonnen hat der Film mit dem Satz ...
... "Freitag ging das Drama los!"
Andreas Hanl (März 2013)
Waldbranddenkmal und Mahnmal! Die Katastrophe darf nie vergessen werden! / Foto: andreas hanl
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