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ThemaVon den Grenzen des Halligan Tools2 Beträge
RubrikEinsatz
 
AutorJürg8en 8M., Weinstadt / Baden-Württemberg850486
Datum08.07.2019 06:141929 x gelesen
hallo,

hier ist die Feuerwehr Ratingen noch nicht an die Grenzen des Halligan Tools gekommen:

ratingen_im_spielgeraet_eingeklemmt.jpg


p.gifIm Spielgerät eingeklemmt!



MkG Jürgen Mayer, Weinstadt

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AutorJose8f M8., Dillingen / Saar / Saarland850475
Datum07.07.2019 18:45   3738 x gelesen
Ich gewinne in letzter Zeit den Eindruck,
dass allmählich alle Feuerwehren in Deutschland auch das eine oder andere Halligan Tool in ihren Ausstattungen haben, was mich natürlich grundsätzlich freut.

Auch das Praxistraining an realen Türen in Abbruchhäusern oder an Türöffnungssimulatoren setzt sich immer mehr durch, weil die Lektion ankommt, dass nur beherztes und gekonntes Vorgehen mit dem Werkzeug zum Öffnungserfolg in 30 bis 60 Sekunden an einer älteren Haustür führt.

Als problematisch (um nicht zu sagen fatal) sehe ich es dagegen an, wenn das Verladen des geliebten Halligans auf dem Fahrzeug mit der Überzeugung einhergeht, dass man nun gegen alle Zugangsprobleme gut gerüstet sei.
Das ist aus meiner Sicht eben nicht so und stellt einen Irrtum dar, der sich für die Kundschaft als ziemlich schlecht erweisen könnte.

Um das zu belegen helfen ein paar Zahlenwerte:
Aktuelle Haustüren, die auch auf ihren Einbruchswiderstand getestet werden, müssen vor dem eigentlichen Einbruchstest einen Vortest überstehen.
Dazu wird an mehreren Punkten eine definierte statische Kraft aufgebracht und das Türblatt muss diesen Drucktest überstehen. Die Tür fällt durch, wenn durch die Druckkraft ein Spalt entsteht, in den sich eine Prüflehre bestimmter Dicke (je nach Klasse zwischen 10 und 50 mm) einschieben lässt; das heißt auch eine durchgefallene Tür muss durchaus noch nicht offen sein.
Bei diesen Tests muss die Tür in der
RC (Widerstandsklasse) 2 einer Druckkraft von 300 DaN widerstehen,
in der RC 3 sind es 600 DaN,
in der RC 4 dann 1.000 DaN (eine Tonne) und
in den Klassen RC 5 und 6 schließlich 1500 DaN.

Gehen wir im Weiteren davon aus, dass die Hersteller natürlich die Normprüfungen ihrer Türen bestehen wollen und die Türen deshalb so konstruieren, dass mindestens (!) die doppelte Kraft des Prüfwertes erforderlich ist, um die Tür aufzubrechen.

In der Einstiegsklasse RC 2 für Neubauten müssten dann zum Aufbrechen mindestens 600 DaN auf das Türblatt gebracht werden. (Übrigens erfüllt auch eine aktuelle Bautür zum provisorischen Verschließen von Rohbauten die RC 2.)
In der empfohlenen Mindestklasse RC 3 wären dann schon mindestens 1.200 DaN erforderlich und das Ganze steigert sich stufenweise bis auf mindestens 3.000 DaN oder drei Tonnen, die mindestens an Kraft auf das Türblatt wirken müssen, um eine solche Tür aufzubrechen.

Bleiben wir mal kurz bei den 3.000 DaN, um das maximale Ausmaß des Problems zu erörtern: Wie die Diplomarbeit des Kollegen Baum herausstellte, können trainierte Feuerwehrleute Druck- und Zugkräfte von etwa 70 DaN erzeugen. Am Standard-Halligan von 750 mm Länge kann eine Kraftverstärkung auf 3.000 DaN durchaus erreicht werden aber in maximal 17 Millimetern Entfernung von der Werkzeugspitze. Gelingt es bei diesem Hebelversuch, den Werkzeugstiel komplett auf das Türblatt zu drücken, dann wird dadurch ein Spalt von etwa 8 Millimetern Höhe zusätzlich zum Einschlagspalt erzielt. Im günstigsten Falle springen also ca. 20 Millimeter geschaffenes Spaltmaß heraus, dass definitiv nicht ausreicht, um die Tür dadurch zu öffnen. Aufbrechversuche um die Jahrtausendwende ergaben an damaligen Standardtüren bereits, dass üblicherweise mindestens 50 Millimeter Spaltmaß zum Aufbrechen erforderlich sind. Inzwischen sind auch Türen auf dem Markt, die 500 Millimeter weit aufgespreizt werden müssen, um alle Riegelbauteile abzureißen.

Die Moral von der Geschichte: Ein Halligan Tool (insbesondere zusammen mit einem Schlagwerkzeug) ist ein gutes Werkzeug, um ältere Haustüren und auch neuere einschließlich der RC 2 zügig aufzubrechen.
Habt Ihr allerdings ein Neubaugebiet oder Stadtteile mit hohem Sicherheitsbedürfnis im Ausrückebereich, dann sollte gute Einsatzplanung auch die Werkzeuge beinhalten, um solche Objekte zu öffnen.

Da gibt es nun wieder zwei Möglichkeiten: Grobmotorisch gibt es hervorragende hydraulische Türaufbrecher, die je nach Hersteller so zwischen 9.000 und 11.000 DaN Spreizkraft erzeugen können und damit sehr viele Türen recht schnell aufbekommen. Die Werkzeuge kosten in der Handpumpvariante so um die 1.200 Euro, die damit geöffneten Türen sind natürlich Totalschäden. Da eine nagelneue Haustür mit Elektroantrieb, Fingerabdrucksensor und was man noch so alles einbauen kann durchaus auch mal 10.000 Euro und mehr kostet, könnte das Öffnungsverfahren folglich bei kucken fahren Stufe 1 tendenziell schon etwas doof sein.

Version zwei wäre die bewusste Entscheidung, auch im Brandfall mechanische Schließzylinder im Regelfall zu fräsen (und dazu auch schnell und sicher fräsen zu können) und als Rückfallebene dann noch Werkzeug zum öffnen einbruchhemmender Fenster vorzuhalten.
Zu diesem Zweck empfehlen sich neben einem großkalibrigen Schlagwerkzeug (also definitiv nicht der DIN-Feuerwehraxt) im Moment am ehesten Trennschleifer mit Kombinationstrennscheiben, die allerdings durch die grobe Zahnung des Blattes ziemlich beim Schnitt schwer zu halten sind und je nach Scheibendicke auch einige Zeit benötige um den Zugang zu eröffnen.

Zuletzt: Dieser Artikel ist ein Denkanstoß auf der Basis meiner Erfahrungswerte;
ob dieses Problem bei Euch besteht oder auch nicht müsst Ihr beurteilen.

Gruß aus dem Saarland

Jo




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 07.07.2019 18:45 Jose7f M7., Dillingen / Saar
 08.07.2019 06:14 Jürg7en 7M., Weinstadt
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