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Technische Hilfeleistung
RubrikTechn. Hilfeleistung zurück
ThemaMaterialprobleme bei TH VU - Vorgehensweisen18 Beiträge
AutorJörg8 H.8, Mainz / Rheinland-Pfalz587824
Datum18.10.2009 16:03      MSG-Nr: [ 587824 ]10681 x gelesen

Hallo zusammen!

Geschrieben von Michael Bleckich habe bei Übungen an Pkw neuester Generation einige - aus meiner Sicht wesentliche - Probleme mit dem Materialverhalten der Fahrzeuge festgestellt. Die nachstehend geschilderten Problematiken dürften nach meinen bisherigen Erfahrungswerten herstellerübergreifend sein und mit Blick auf das Einsatzgeschehen bei einer technischen Rettung somit allgemeiner Natur.

Welche Fahrzeuge waren es denn? Waren die Fahrzeuge deformiert?

Wenn die Fahrzeuge nicht deformiert waren, dann ist das glaube ich der Hauptgrund für das, was Du in Deinen Beispielen 1 und 2 beschreibst. Ähnliche Erfahrungen haben wir in den letzten Jahren vielfach gemacht, z.B. bei den Rescue Days (Artikel mit den Erkentnissen aus den Jahren 2003 und 2004 gab es mal bei @irbag&co, wenn die jemand haben möchte bitte PN an mich). Beschrieben ist es auch im Buch THL PKW bei Ecomed (2. Auflage).

Selbstverständlich spielt auch das geänderte Werkstoffverhalten (höhere Sprödigkeit hochfester Stähle bzw. spröde, alternative Werkstoffe, z.B. Aluminium) eine Rolle aber ich habe auch festgestellt, dass die erforderlichen Kräfte beim "undeformierten" Neuwagen (Fahrgastzelle intakt) natürlich viel höher sind. Mit der Praxis hat alles was wir so tun, inbesondere auch die Frage wo Entlastungsschnitte gesetzt werden müssen, nicht so viel zu tun.

Meine Erfahrung an den vielen häufig unzerstörten Neufahrzeugen in den letzten Jahren im Hinblick auf das Wegdrücken des Armaturenbrettes decken sich mit Deinen Erkentnissen:

* Der Entlastungsschnitt muss waagerecht in die A-Säule, wenn möglich muss die Säule voll durchgeschnitten werden.
* Das Kraftaufnahmevermögen der A-Säule ist begrenzt, deshalb bietet sich ggf. der Armaturenquerträger an (funktioniert aber auch nicht immer, da dieser auch aus Guss sein kann und dann ggf. wegbricht).
* Um den Kraftbedarf weiter zu reduzieren kann es helfen, den oberen Längsträger zusätzlich zu entlasten. Damit koppelt man einen Teil der A-Säule vom Fahrzeug ab und kann diesen Teil wegdrücken.

Persönlich glaube ich, dass es nicht wirklich möglich ist einen universell einsetzbaren A-Säulen-Aufsatz zu konstruieren.

Wie gesagt, mit der Praxis hat das nur bedingt was zu tuen, weil man da an Fahrzeugen mit deformierter Fahrgastzelle 5-10 cm Platz braucht um den Patienten zu befreien. Hier kommt man meiner Meinung nach mit dem "Karosseriebauer"-Prinzip relativ weit.

Geschrieben von Michael BleckBeispiel 3:

Es sollte eine B-Säule unter dem Dachansatz mittels einer S 360 abgeschnitten werden. Da die Schere genügend Griffweite hat und den B-Holm problemlos umfassen konnte, wurde natürlich zunächst versucht dies auch in einem Zug zu erledigen.


Da ich keine S360 kenne, von welchem Schneidgerät mit welcher Messerform sprichst Du. Meine Erfahrung hierzu: Aktuelle Schneidgeräte können die B-Säulen moderner Fahrzeuge schneiden, wenn das Gerät optimal angesetzt wird. Runde Messer haben deutliche Vorteile gegenüber geraden Messern. Dies hängt insbesondere mit dem Dreh- und Einzugsverhalten zusammen. Mit einem modernen Schneidgerät (z.B. Weber RS165, RS200) würde ich auch niemals mit irgendwelchen V-Schnitten anfangen, das ist Krampf.

Dein Lösungsweg mit dem zweimal Schneiden kann funktionieren, aber ich glaube auch dass dies maßgeblich von der Messerform abhängt. Wer lange, gerade Messer hat, hat an der Spitze vermutlich nicht mehr genug Kraft um in die Säule reinzukommen, dann dreht das Gerät direkt weg und die Messer können brechen.

Für den Fall, dass das Schneidgerät irgendwo mal wirklich nicht durchkommt, steht auch noch die Möglichkeit des Reissens zur Verfügung. Ausführlich haben wir das im Brandschutz 4/2008 beschrieben, Irakli hat dazu auch ein Video bei FWNetz.de.

Geschrieben von Michael BleckBeispiel 4:

Die neuen Fahrzeugtüren sind eine Art Sandwich-Konstruktion, bei dem Versuch diese Türen aufzuspreizen lösen sich zwar einzelne Lagen ab, man kann aber die Türen nicht mehr wie gewohnt "am Stück" entfernen. Stattdessen muss man sehr zeitauwändig Lage für Lage "abschälen", wobei der in die Türen eingebaute Seitenaufprallschutz auch noch ein echtes Hindernis darstellt.

Die in diesem Threat bereits beschriebene Methode des Öffnens der Tür von oben halte ich hier für einen sehr guten Lösungsansatz. Das Funktioniert sowohl an der Schlossseite als auch an der Scharnierseite und ist meiner Meinung nach auch deutlich schneller als die "mit dem Spreizer durch den Türspalt zum Türschloss vordring-Methode". Grundlegend gilt: Die Basics im Zusammenhang mit dem Türöffnen haben sich noch nicht überall rumgesprochen, das gilt z.B. für das vorher notwendige Glas-Management, für das offenhalten des Türgriffs und für das richtige Ansetzen des Spreizers, um die Kraft in die richtige Richtung auszuüben.

Geschrieben von Michael BleckEs hat sich gezeigt das bei Türen dieser Art der Spreizer nur soweit eingesetzt werden sollte um einen Zugang zu den Türbändern und dem Türschloss zu schaffen, um diese dan mit dem Schneidgerät zu durchtrennen um dann die Türe abnehmen zu können.
Wie erkannt man Türen dieser Art? Meiner Meinung nach lassen sich die meisten Scharniere an modernen Fahrzeugen recht gut rausreissen. Dabei ist es wiederum wichtig, das der Spreizer die Kraft in die richtige Richtung ausüben kann. Dazu braucht man ein wenig Platz und sollte das Scharnier mit dem Spreizer nicht blockieren (d.h. den Spreizer so ansetzen, dass die Scharnierplatte aus der A-Säule oder aus der Tür reissen kann ODER der Türbolzen abgeschert werden kann). Das Abschneiden ist bei mir nur Plan B, funktioniert auch, wie gut, hängt von der Messerform des Schneidgerätes ab.

Grüße
Jörg



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