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RubrikKatastrophenschutz zurück
Thema Hilfe in Nepal alles gut, oder doch nicht ?    # 46 Beiträge
AutorJan 8S., Wallenhorst / 807753
Datum05.05.2015 10:02      MSG-Nr: [ 807753 ]14641 x gelesen
Infos:
  • 05.05.15 THW: Erdbeben in Nepal

  • Das Thema ist komplex. Und bevor man sich aus dem Fenster lehnt, kurz überlegen, wie schwierig auch hier in teilweise Fragen der Zusammenarbeit verschiedener Organisationen sind (Feuerwehr vs .THW, Hundestaffel A vs Hundestaffel B, BF vs .FF, "mein Feuer" etc.etc.). Wenn man das ganze jetzt noch mit Kommunikations und Logistikprobleme und nationalen und organisatorischen Egoismen multipliziert, kommt man schon sehr nahe an die Sache ran.

    Hier mal eine ganz persönliche Ansicht:

    Nach jedem größeren Erdbeben wird diskutiert, ob denn solche Einsätze Sinn machen, dass die Koordination nicht effektiv war, etc .etc. Es gibt hier keine einfachen Lösungen, denn das Thema ist - äußerst komplex. Hier mal aus meiner ganz persönlichen Sicht ein paar Anmerkungen:

    1. Was ist denn da überhaupt geregelt?

    Im Falle der Rettung von Verschütteten nach Erdbeben (USAR) eigentlich eine ganze Menge im Vergleich zu anderen Bereichen: Die Vereinten Nationen haben Anfang der 80er eine Arbeitsgruppe gegründet (INSARAG), die Richtlinien für Aufstellung, Einsatz, Ausbildung und Ausstattung von Rettungsteams erarbeitet hat. Jedes Land meldet dieser Arbeitsgruppe seine nationalen staatlichen und privaten Teams an und benennt einen nationalen Ansprechpartner. Dieser ist in Deutschland das Auswärtige Amt und dieses hat 3 Teams an die INSARAG gemeldet: Das THW, die ISAR und @fire. Zusätzlich werden die Teams dann irgendwann geprüft und nach ihrer Leistungsfähigkeit als schweres oder mittleres Team klassifiziert. THW und ISAR haben das hinter sich, @fire steht auf der Warteliste.

    2. Was passiert dann bei einem schweren Erdbeben?

    Erstmal werden über ein Alarmsystem der UN an alle Teamleiter und Hilfsorganisationen SMS/Email/Anrufe versandt und melden die geographischen und geologischen Daten des Erdbebens. Schon da beginnt die Abwägung: Stärke? Tiefe? In der Nähe einer Stadt? Bei Haiti war es sehr früh sehr klar, im aktuellen Fall schon weniger. Dann gibt es einen virtuellen Stab der UN, wo alle verfügbaren Informationen gepostet werden. Zusammen mit den Meldungen der Presse wird das Lagebild verfeinert und sobald man meint, dass der Ernstfall eintritt, alarmieren wir alle ihre Einsatzkräfte mit Bitte, ihre Verfügbarkeit zu melden. Los gehen kann es aber erst in der Regel, wenn der betroffene Staat um Hilfe bittet alles andere wäre rechtlich eine Invasion Und dann muss man sich überlegen, WAS genau man schickt ein Erkunderteam? Die komplette USAR-Einheit? Oder was ganz anderes?

    3. Warum ist denn die Koordination so schwierig?

    Zum Ersten weil es eine Katastrophe ist und die Ausmaße der Schadensbilder anfänglich jegliche gezielte Koordination nahezu unmöglich machen man spricht hier von der Chaosphase. Die gibt es in klein bei fast allen Ereignissen (Großbrand, MANV) auch hier bei uns, wird aber schnell durch ein organisiertes Vorgehen beendet in Stunden. Bei großen Erdbeben dauert das eben Tage. Und je schlechter ein Land auf das Management solcher Lagen vorbereitet ist, desto länger dauert dieser Phase, in der die vorhanden nationale und einsetzende internationale Hilfe schlecht koordiniert ist. Dazu kommt, dass neben dem Ausfall der Kommunikationsstruktur und Transportproblemen sich aller an der Schadensabwehr beteiligten Organisationen auch leiten lassen wollen. Keiner von denen wird das natürlich öffentlich negieren aber:

    - Die örtliche/nationale KatS-Behörde muss sich selber und von allen anderen als Head sehen / gesehen werden. Oft genug beginnen hier die Schwierigkeiten, wobei die Zusammenarbeit mit der UN das Geringste aller Probleme ist. Die ist nämlich eindeutig geregelt: Den örtlichen Behörden unterstellt!

    - Oft spielt das Militär oder eine artverwandte Organisation eine tragende Rolle. Die schauen aber in der Regel eher auf zivile Rettungskräfte herab, bzw. lassen sich nicht ansatzweise von denen führen. Die haben zwar im Regelfall die beste Transportlogistik, aber am wenigsten Ahnung von der ganzen Sache. Das führt zu Hunderten von Tarnanzügen auf Trümmerkegeln, meist auch inkl. einer oder mehrerer Bagger.

    - Nicht alle internationalen Teams lassen sich vollumfänglich von der UN koordinieren. Es gibt große staatliche (!), fachlich hervorragende Teams, die sich aber kaum/ungerne/gar nicht von der UN lenken lassen. Frei nach dem Motto: Wir kommen aus XYZ und da lassen wir uns doch nicht von irgendwelchen UN-Vertretern kommandieren! Sehr ärgerlich. Daneben gibt es dann die Freelancer die in Qualität und Quantität vollkommen unbestimmt sind, sich aber gerne vor die Kameras mit martialischen Kommentaren und Erfolgsberichten vor die Kamera stellen.

    - Daneben gibt es noch religiöse Hilfsorganisationen, Hilfstouristen, etc.etc.

    Und jeder von denen behält sich vor Kritik über die mangelnde Koordination, den fehlenden Willen zur Annahme der Hilfe, der fehlenden Unterstützung der eigenen Regierung etc.blabla gerne öffentlich und medienwirksam zu äußern. Versuchen sie mal, als UN dagegen zu argumentieren oder als Medienvertreter die Wahrheit herauszufinden unmöglich!

    4. Umgang mit Medien und Spenden

    Jedes Team benötigt Publicity. Die Privaten benötigen sie ein wenig dringender weil sie den Einsatz fast ausschließlich aus Spendenfinanzieren müssen. Und natürlich stellt man sich da so gut wie möglich da. Aber, hier kann ich sicherlich für die andere deutsche USAR-NGO sprechen - -da steckt eben auch jahrelange Aufbauarbeit und Ausbildung drin, wir treten nicht mit einem ultragewichtigen Namen und einem fancy beklebten Helm vor die Kameras um denen zu erzählen, dass mein3 Mann starkes Rettungsteam mit Schere / Spreizer die Lösung für die betroffene Bevölkerung ist. Auch eine staatliche Organisation benötigt eine gute PR-Arbeit, schließlich will der Steuerzahler ja auch sehen, was mit seinem Geld passiert

    5. Macht das alles wirklich Sinn?

    Das wird gerade aktuell diskutiert. Vorab: Im Nachhinein weiß man natürlich alles besser. Jeder, der in der Feuerwehr tätig ist, weiß, dass hinter dem Alarmstichwort Verdächtiger Rauch von kokelnde Bratkartoffeln bis ausgedehnter Dachstuhlbrand alles stecken kann. Bei Erdbeben, b ei denen man möglichst schnell und mit einer eher groben Erkenntnislage entscheiden muss, ob man in den Einsatz geht ist es ähnlich. Und da kann dann auch bei herauskommen, das man nicht aktiv wird, obwohl es faktisch sinnvoll gewesen wäre oder das man das ganze Team entsendet und sich vor Ort herausstellt, dass das Quatsch war.

    Ob es so viele Teams geben muss? Schwer zu sagen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, neben sehr guten staatlichen Teams (wie das THW) auch sehr gute private Teams (wie die ISAR) zu haben. Wenn das eine mal nicht kann, weil die Bundesregierung keine Mittel hat bzw. den Einsatz eines USAR Teams für nicht notwendig befindet (Haiti), gehen die Privaten in den Einsatz, wenn das anfordernde Land lieber staatliche Teams hätte, geht das THW in den Einsatz (Japan). Ich persönlich finde es auch gut, wenn es mehrere Teams gibt gerade in Deutschland, dessen Teams vielleicht in dem einen oder anderen Land noch eher respektiert werden wie zB. ein US-Team.

    Was sich aber in den letzten Jahren gezeigt hat: Das klassische USAR-Team, welches auf die Suche und Befreiung von Personen aus massiven Stahlbeton-Trümmerlagen spezialisiert hat, ist eher selten gefragt. Ein modernes Team hat auch folgende Aufgaben:

    - Erkundung der Schadenslage im für die UN

    - Beurteilung von Gebäuden hinsichtlich der weiteren Nutzung

    - Erstellen von Kommunikationsverbindungen

    - Notfallmedizinische Erstversorgung

    - Vorbereitung der humanitären Soforthilfe

    - Unterstützung bei der Evakuierung der jeweiligen Staatsbürger

    - Beratung der Einsatzkräfte vor Ort

    Oder einfach auch Präsenz zeigen: Ihr seid nicht allein!


    Wer einmal an so einem Einsatz war, weiß dass es fast immer Sinn macht. Und falls es mal keinen Sinn macht, sind meines Wissens nach zumindest die deutschen INSARAG-Teams Profi genug, um wieder nach Hause zu fahren..

    Grüße, Jan

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