Ich glaube, dass das gesamte Vergabewesen inzwischen derart dysfunktional ist, dass der eigentliche Grundgedanke, einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen und Korruption zu vermeiden nur noch schlecht erreicht wird, die Kosten für die Allgemeinheit jedoch beachtlich sind.
Geschrieben von ---Sebastian W.--- Meinem Empfinden nach werden die Angebote immer weniger zahlreich, immer teurer und vor allem handwerklich immer unsauberer. Wer das Vergaberecht nicht sonstwohin verbiegen will, der wird immer häufiger aufheben und es nochmal versuchen müssen. Aber das ist ja nun auch nicht im Sinne des Erfinders, kostet Zeit und somit Geld bei allen Beteiligten und bringt beim zweiten Versuch nicht zwingend bessere Ergebnisse.
Das ist keineswegs verwunderlich. Wenn ich als Lieferant entweder weiß, dass meine Auftragsbücher sowieso schon ziemlich voll sind oder andererseits ich in jeweiligen Marktsegment mit hoher Wahrscheinlichkeit den Auftrag sowieso nicht erhalten werde, dann mache ich mir die Mühe natürlich nicht mehr.
Betrachten wir das mal aus der Perspektive eines unbedarften, potentiellen kleinen Anbieters:
Man freut sich, dass alle Ausschreibungen im europäischen System TED zu finden sind. Mühevoll (da die Ausschreibenden anscheinend noch nie was von den passenden CPV Nummern gehört haben) sucht man sich Ausschreibungen zusammen. Will man sie öffnen, findet allerdings nur das Titelblatt mit dem Hinweis "unbeschränkter Zugang zu den Ausschreibungsunterlagen ist möglich unter xxxxx.de" dann landet man auf einer von gefühlt 1000 verschiedenen Vergabeplattformen die alles machen, außer einem einen direkten unbeschränkten Zugang zu den Unterlagen zu ermöglichen. 5-8 Klicks sind nötig um geschickt an allen Hinweisen auf einen kostenpflichtigen Service zu umschiffen und die Unterlagen einzusehen. (Da frage ich mich das erste Mal, warum muss das sein können nicht die Unterlagen einfach auf dem Server der Europäischen Union liegen?)
Dann lädt man sich diesen ganzen Plunder herunter und ist schockiert über die Komplexität, die die Ausschreibungen inzwischen erreicht haben an: es werden verschiedenste Nachweise aller Art gefordert - Mindestlohn hier, ISO Zertifizierung dort, Erklärung dass man keine Kinderarbeit unterstützt, Nachweis dass man bei irgendwelchen Ausschreibungsdatenbanken als Bieter registriert ist (was auch wieder Zeit und gegebenenfalls Geld erfordert) und am Ende noch, dass man sich der Frauenförderung verpflichtet fühlt. Dazu kommt dann noch, dass die Messlatte für kleine Firmen inzwischen ungemein hoch liegt: da werden als Referenz mindestens fünf baugleiche Fahrzeuge eingefordert sowie Nachweise über Servicepartner in der direkten Umgebung (man will ja den Anbieter aus östlichen EU-Ländern oder das ungeliebte Fahrgestell ausgeschlossen wissen)....
Schaut man sich die Unterlagen dann an stellt man fest, dass hier eine gewisse Gehirnakrobatik verbaut ist: bei 50 % aller Beladungsteile hat sich der ausscheidende mühevoll überlegt, wie er das gewünschte Produkt so umschreibt das dort nicht steht, was er eigentlich haben will sondern geschickt verklausuliert ist, dass alles andere was auf dem Markt erhältlich ist nicht passt. Das rückzuentschlüsseln ist jetzt Aufgabe des armen Sachbearbeiters, der die Ausschreibung bearbeiten soll. Dazu kommt dann noch der gewünschte Einbau ihm völlig unbekannter Gerätschaften, die genaues Studium der Anlagen und gegebenenfalls fünf Rückfragen nötig machen. Natürlich ist auch gefordert eine Energiebilanz und der Nachweis korrekten Funkbetriebes (mit allen möglichen mehr oder weniger noch unbekannten Teilen, die man unter der Rubrik "wird bereitgestellt" findet) bei Auslieferung zu erstellen. Heißt im Klartext, wenn ich nicht einen satten Zuschlag drauf rechnen mag, muss ich quasi ein individuelles Feuerwehrauto planen nur um bei der Ausschreibung mitzuspielen.
Schafft der Mitarbeiter nun tatsächlich ein Angebot zusammenzustellen, wird mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Ausschreibung wieder aufgehoben (Arbeit für den Papierkorb) oder durch irgendwelche Bieteranfragen derart konkretisiert, dass man sich doch noch mal damit auseinandersetzen muss - und am Ende erhält man mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit einen Auftrag. Man hat nämlich festgestellt, dass man Aufträge eigentlich nur erhält, wenn vor der Ausschreibung schon ein Kontakt bestanden hat und man sich im Großen und Ganzen gemeinsam das zu bauende Fahrzeug erarbeitet hat. Man hat nämlich festgestellt, dass man Aufträge eigentlich nur erhält, wenn vor der Ausschreibung schon ein Kontakt bestanden hat und man sich im Großen und Ganzen gemeinsam das zu bauende Fahrzeug erarbeitet hat.
Will man jetzt an dieser Stelle den Auftraggebern einen Strick daraus drehen? Den Feuerwehren, die bei sich oder anderen gesehen haben, dass wenn man ein Ausschreibungsverfahren einfach so laufen lässt am Ende Fahrgestell und Aufbau nicht wirklich kompatibel sind, eine Druckzumischanlage verbaut wurde, die auf dem Papier das gewünschte liefert, in der Praxis aber regelmäßig den Dienst verweigert (was der Autohersteller natürlich wusste, aber unter den ausgeschriebenen Bedingungen die 500 Mehrpreis für ein anderes Gerät nicht unterzubringen waren). Letztendlich dürfte der Aufwand, eine rechtssichere, zielführende Ausschreibung durchzuführen und dann - bei sagen wir vier Anbietern - der Aufwand der jeweiligen Ausschreibungsbearbeitung die Einsparungen, die man durch die Wettbewerbssituation schafft locker auffressen.
Aus dem Bau von Feuerwehrfahrzeugen ist einfach inzwischen Projektgeschäft geworden. Und Projektgeschäft verträgt sich mit Ausschreibungswesen nicht gut. Ausschreibungen funktionieren immer dann, wenn ich identische Produkte mehrerer Hersteller mit gleicher Funktionalität auf dem Markt habe. So macht das aber wenig Sinn, da das Know-how der Hersteller zum Zeitpunkt der Ausschreibung beim Ausschreibenden teilweise nicht vorhanden ist und die Hersteller wider besseren Wissens genötigt sind Dinge anzubieten die ihnen eigentlich widerstreben.
Und wenn man sich dann noch anschaut, wie die Klage eines unterlegenen Bieters die Ertüchtigung der Leitstellen für Digitalfunk im Land Hessen um 2-3 Jahre zurückgeworfen hat, muss man sich sowieso fragen ob es sinnvoll ist, dass im Bereich BOS/kritische Infrastruktur Ausschreibungen in der aktuell durchgeführten Art und Weise sinnvoll sind.
Gerade im Bereich Kommunikation/IT sorgt das Ausschreibungswesen ja dafür, dass nicht auf aktuelle Trends und Technologien Rücksicht genommen werden kann, da jegliche Veränderung des ursprünglichen Ausschreibungszustandes anderen Bietern eine Klagemöglichkeit einräumt.
Nicht dass ich eine bessere Idee hätte, aber lustig ist das ja alles nicht mehr.
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