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Feuerwehrgesetz
RubrikRecht + Feuerwehr zurück
Thema Kind aus Aufzug gerettet: Feuerwehr soll Schaden bezahlen    # 30 Beiträge
AutorArmi8n K8., Crailsheim / Baden Württemberg861294
Datum22.08.2020 21:31      MSG-Nr: [ 861294 ]3801 x gelesen

Grundsätzlich muss man den Sachverhalt in aller Sachlichkeit prüfen. Gleich die Ungerechtigkeitskeule herauszuholen bringt erstmal nichts.
Unterscheiden muss man bei Aufzugsanlagen auch zwischen der Notbefreiung, also die erstmal vital nicht bedrohte Person kommt aufgrund einer Aufzugsstörung nicht aus dem Aufzug, und der technischen Notfallrettung, z.B. bei einem Einklemmungsgeschehen, bei dem das Verfahren des Aufzuges keine Option mehr darstellt oder eine Crashöffnung der Fahrschacht- und Fahrkorbtüren indiziert ist.

Auch sollte man sich die Formulierungen in einem anwaltlichen Schreiben niemals zu Herzen nehmen. Anwälte sind nicht die entscheidende Größe im Rechtswesen und sie bestimmen auch nicht das Recht. Sie sind vielmehr Dienstleister der Rechtsparteien mit dem Auftrag, das Beste für ihren Kunden (Mandanten) herauszuholen, auch wenn die zugrundeliegende Rechtslage nicht immer richtig wiedergegeben wird. Wenn man die in Vergleichen endenden Rechtsverfahren exkludiert, gibt es einen gewinnenden und einen verlierenden Rechtsanwalt. Die Fehlerquote liegt damit bei durchschnittlich 50 %. Das erste Ziel jedes Anwaltes ist es, die Gegenpartei erstmal einzuschüchtern, vor allem, wenn das Rechtswissen dieser nicht belastbar scheint. Dazu werden in der Regel plausibel klingende Formulierungen aus meist vorhandenen Textkonserven verwendet, die vortäuschen sollen, dass einem schwere Artillerie gegenübersteht, in der Hoffnung, dass die Gegenpartei klein beigibt. Das hier vorgebrachte Argumente erstmal ehrverletzend klingen, wird dabei oftmals billigend in Kauf genommen, und genauer betrachtet sind sie dies meist auch nicht.

Letztendlich können wir als Externe hier keine Feststellungen treffen, da uns die Sachverhalte des Einsatzes nicht bekannt sind. Hier ist entscheidend, wie sich dem Einsatzleiter, und dieser ist verantwortlich, die Einsatzstelle dargestellt hat.

Betrachten wir erst einmal das Vorliegen einer Notbefreiung:

Hier stellt sich erst einmal die Frage, wie es zur Alarmierung der Feuerwehr kam. Wurde der Notruf durch den Hausmeister, eine durch den Aufzugsbetreiber beauftragte Notfallstelle oder durch die Eltern des Kindes durchgeführt?

Grundsätzlich schreibt die Maschinenrichtlinie, die BetrSichV und die TRBS 3121 dem Betreiber von Aufzugsanlagen vor, während der Betriebszeiten, und das ist bei Wohnhäusern eigentlich rund um die Uhr, eine Notbefreiung aus Aufzugsanlagen sichergestellt werden muss. Hierzu ist ein Notfallplan und eine Notfallbefreiungsanleitung zu erstellen. Der Betreiber hat sicherzustellen, dass die Beschaffenheit, Organisation und Qualifikation des Notfalldienstes zur Personenbefreiung geeignet ist. Ein Notfallknopf und eine Telefonnummer im Fahrkorb reicht hier in keinem Fall aus.

Die Feuerwehr ist erst dann im Spiel, wenn sie vom Betreiber für diese Aufzugsanlage explizit eine Beauftragung hat. Dann obliegt es auch dem Betreiber, dafür zu sorgen, dass die Feuerwehr ausreichend in der Notfallbefreiung an dieser speziellen Aufzugsanlage unterwiesen ist. Ich bin mir sicher, dass dies in so gut wie in keinem Fall erfolgt. Aus diesem Grund ist der Vorwurf der fehlenden Ausbildung sicherlich zurückzuweisen.

Ohne vorherige Beauftragung kommt die Feuerwehr erst dann ins Spiel, wenn die Notfallplanung des Aufzugsbetreibers nicht greift. Und dann muss man diese Notfallplanung einmal betrachten.

Waren die Eltern als Bewohner und regelmäßige Nutzer der Aufzugsanlage vom Betreiber entsprechend in den Notfallplan eingewiesen? Konnten die Eltern die eigentlich vorgesehenen Notfallprozeduren auch außerhalb des Fahrkorbes erkennen? Gab es an allen Fahrschachttüren außen zumindestens Notfallnummern, die hätten angerufen werden können? War der Hausmeister als Aufzugswärter qualifiziert und der Hausmeisterservice rund um die Uhr verfügbar?

Und wenn die Feuerwehr hier tatsächlich ins Spiel kommt, waren die Notfallbefreiungsanleitung für die Feuerwehr verfügbar, entweder über den Hausmeister oder durch Anbringung und Kennzeichnung an den Fahrschachttüren. Gab es diese Notfallbefreiungsanleitungen überhaupt. Ist sicherlich auch ein Thema, mit dem man sich im eigenen Ausrückebereich einmal auseinandersetzen kann. Es ist aber nicht die Pflicht der Feuerwehr, Aufzugsanlagenbetreiber auf die rechtlichen Voraussetzungen eines Aufzugsbetriebes hinzuweisen, das ist schon die Aufgabe der Aufzugsanlagenbetreiber. Der Begriff des Organisationsverschuldens kann hier sicherlich Anwendung finden.

Als Feuerwehr können wir nicht jede Aufzugsanlage kennen. Wir kennen nur die Option des Öffnens der Fahrschacht- und Fahrkorbtüren mittels einer Löseeinrichtung und des Verfahrens des Aufzugs über die Entleerung der Hydraulikstempel oder der des kontrollierten Lesens der Seilantriebsmaschine. Dazu müssen wir aber den Aufzug selbst kennen und die dafür notwendigen Schlüssel und Zugänge haben. Konnte der Hausmeister hier entsprechende Unterstützung anbieten? Hat er den Einsatzkräften eine Telefonnummer einer Fachfirma nennen können?

Sollte hier ein Organisationsverschulden erkennbar werden, so ist die Forderung durch die Gemeinde zurückzuweisen. Gegebenenfalls verbunden mit einer Anzeige der Angelegenheit bei der zuständigen Behörde wegen Unterlassens von Betreiberpflichten.

Bei der Betrachtung eines Falles der technischen Notfallrettung ist die Sichtweise etwas anders.

Grundsätzlich ist hier die Sichtweise des Einsatzleiters zugrunde zu legen. Musste er von einer Gefahr für Leib und Leben des Kindes ausgehen oder gab es erkennbare oder ermittelbare Anzeichen, dass keine direkte Gefahr für das Kind bestand? Rechtlich wird hier die ex-ante Betrachtungsweise anzuwenden sein, auch wenn sich nach dem Einsatz eine akute Gefährdung des Kindes nicht manifestieren sollte. Hier ist zu prüfen, welche Öffnungsoptionen sich gestellt haben. War eine Löseeinrichtung der Türen vorhanden und ein entsprechender Schlüssel vorhanden? Es ist nicht Pflicht einer Feuerwehr, für jeden möglichen Aufzugstyp den geeigneten Schlüssel vorzuhalten. Wäre ein Schlüssel vorhanden gewesen oder hätte kurzfristig durch den Hausmeister zur Verfügung gestellt werden können? Welche Lösungsansätze hat der Hausmeister angeboten? Wäre das voraussichtliche Zeitfenster im Gegensatz zu einem Aufbruch der Aufzugstüren ausreichend gewesen?

Auch in Notfallsituationen hat ein Einsatzleiter die Verhältnismässigkeit der Mittel zu beachten. Er hat die für die Gefahrenabwehr geeigneten Vorgehensweisen abzuwägen und das Mittel zu wählen, das zur Erreichung des Einsatzzieles die geringsten Nachteile aufweist. Hier spielt es auch rechtlich keine Rolle, ob die Feuerwehr ehrenamtlich oder hauptamtlich strukturiert ist. Sehr klar kommt dies z.B. im FwG von BW heraus, das bestimmt, dass der Feuerwehrdienst, soweit er nicht hauptamtlich geleistet wird, ehrenamtlich geleistet wird. Hier ist eine klare Gleichstellung beider Dienstformen formuliert. Und das bestimmt auch die rechtliche Betrachtung von möglichen Sachbeschädigungen. Das Rechtssystem darf den Ehrenamtlichen nicht besser stellen als den Hauptamtlichen. Letztendlich können wir die Fragen ohne genauere Kenntnis des Einsatzablaufes nicht klären. Und die rechtliche Bewertung kommt uns auch nicht zu, dies ist ausschließlich Angelegenheiten der Gemeinde, des Hauseigentümers und bei einer Klage wegen Sachbeschädigung der Entscheidung des zuständigen Landgerichtes. In jedem Fall ist hier aber auch die Notfallplanung des Aufzugsanlagenbetreibers mit einzubeziehen. Und hier kann sich jeder mal die Frage stellen, wer schon mal eine Aufzugsanlage gesehen hat, an der eine Notfallbefreiungsanleitung verfügbar ist ;) Vorgeschrieben ist sie in jedem Fall.

Jetzt einmal völlig unabhängig vom betrachteten Fall:

Unabhängig davon, ob im betrachteten Fall die Vorgehensweise der Feuerwehr nicht zu beanstanden war, als Feuerwehrleute, vor allem in Führungspositionen, müssen wir stets gewahr sein, dass wir nicht immer fehlerfrei handeln. Dies gilt sowohl für das Ehren- wie auch das Hauptamt. Wer glaubt, im Einsatz keine Fehler zu machen, der wird sicherlich auf dem Holzweg sein. Und jeder wird auch schon Fehler gemacht haben, die einem selbst oder dem Arbeitgeber Geld gekostet haben. Und wir sollten auch unseren Dienst, ob ehren- oder hauptamtlich, nicht von der Dankbarkeit der Menschheit abhängig machen. Als Feuerwehrleute haben wir uns für den Job entschieden, um Menschen zu helfen und nicht, um als Helden verehrt zu werden.
Und wenn ein Fehler passiert, dann lernt man darauf, und macht es in Zukunft hoffentlich besser. Das Leben ist auch nicht immer gerecht, das sollte uns aber nicht von unserem Engagement abhalten. Und wenn uns andere ungerecht behandelt, dann zeigen wir ihnen mit unserem Dienst, dass wir besser sind als sie. Und wer sich an Formulierungen von Rechtsanwälten stört, der sollte stets bedenken, dass sie ihr Geld damit verdienen müssen, das zu tun, was andere von ihnen verlangen und in den meisten Fällen ihre Behauptungen zurücknehmen müssen. Wir fahren raus und helfen den Menschen wirklich und der Rest sollte uns an der Stelle vorbeigehen, wo regelmäßig die Sonne nicht hinscheint.

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