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Rubrik | Rettungsdienst | zurück | ||
Thema | Ist die Schocklage sinnvoll oder schadet sie? | 20 Beiträge | ||
Autor | Manu8el 8S., Dortmund / NRW | 685697 | ||
Datum | 19.06.2011 16:29 MSG-Nr: [ 685697 ] | 9876 x gelesen | ||
Ich möchte dieses Thema gerne weiterführen, und konnte mir jetzt die Zeit nehmen, mich etwas intensiver mit dem Artikel zu beschäftigen. Da ich davon ausgehe, dass der erwähnte Artikel aus "RETTUNGSDIENST, Ausgabe 6/2011" nicht jedem vorliegt, möchte ich ihn kurz zusammenfassen. Die Autoren sind Frank Scheinischen, Leiter des Schulungszentrums Nellinghof der Malteser und Florian Kühl, u.a. von ITLS Germany [1]. Der Artikel beginnt mit einem Fallszenario eines sturzes aus großer Höhe mit Leber-Ruptur und daraus resultierendem Schockgeschen als Einleitung in die kompensationsmöglichkeiten des Körpers bei Blutverlust und anschliesender Schilderung der negativen Auswirkungen der Kompensationsmöglichkeiten und deren grenzen. Anschliesend beginnt die eigentliche kontroverse Diskussion der Schocklage, mit der ich mich mit euch nachfolgend direkt auseinander setzen möchte: Der Ursprung der Schocklage, des "Autotranfusionsmanövers" ist die "Trendelenburg-Lagerung: Eine "Ganz-Körper-Schräglage" bei der der körper im Winkel von etwa 10°-15° "Kopf-Tief" gelagert wird. Eingeführt wurde diese LAgerung ursprünglich für Bauch-OPs, um mehr Platz im Bauchraum zu haben, da die Bauchorgane richtung Thorax rutschen. Im ersten Weltkrieg wurde diese Lagerung als Anti-Schock-Lagerung entdeckt. Der "Einführer" der Antischocklagerung im ersten Weltkrieg hat seine Erfahrungen zu dieser laut artikel bereits vor über 100 Jahren zurück gezogen. Im zugrunde liegenden Artikel wird meiner Meinung nach nicht an allen Stellen die Unterscheidung zwischen der Trendelenburg-Lagerung und der Schocklage mit lediglich angehobenen Beinen deutlich. Wenn ich nachfolgend von "Schocklage" spreche, meine eine Flachlagerung des Patienten mit moderat angehobenen Beinen. Zwei der im Artikel erwähnten negativen Aspekte der Trendelenburg-Lagerung sind grundlegend nicht neu oder unbekannt: Die Bauchorgane drücken auf's Zwerchfell, die Vitalkapazität der Lunge sinkt. Die Aspirationsgefahr steigt durch Druck auf den Magen und die Schwerkraft ansich Diese negativen Aspekte gibt es bei der Schocklage ebend nicht. Ich kenne die Anwendung der Trendelburg-Lagerung zur Schockbekämpfung in meiner Rettungsdienstausbildung auch eher ablehnend kritisch und kann diesem nur beipflichten, zumal Atemwegsprobleme und Atemprobleme Priorität gegenüber Kreislaufproblemen haben und man sich mit der Trendelenburg-Lagerung solche Probleme ggf. erst schafft. Die Autoren erwähnen zwei weitere, negative Aspekte der Trendelenburg-Lagerung: Durch die verstärkte Hyperkanpie durch eingeschränkte kommt es früher zum versagen von Kompensationsmechanismen des Körpers gegen den Schock. Mit hinblick auf die physiologie dieser erscheint mir dies durchaus möglich. Allerdings sei angemerkt dass ich kein Arzt bin meine Kentnisse im Bereich der Schockphysiologie und -pathophysiologie daher nicht als gut angesehen werden sollten. Weiterhin erwähnen die Autoren, dass es bei der Trendelenburg-Lagerung in manchen Studien bei hypovolämischen-Patienten ein Abfall von Systolischen- und Diastolischen Blutdruck beobachtet werden konnte. Nähere Hintergründe dazu werden im Artikel nicht genannt. Leider habe ich auch keinen Zugriff auf die Studien. Selbst aus laienhafter Sicht sind hierzu Gründe wie etwa Druck der Bauchorgane auf die obere Holvene oder Reizung der Druckrezeptoren in der Aorta und dadurch reduzierung der Herzkraft denkbar. Ich bitte insbesondere die Ärzte hier im Forum zu meiner Einschätzung nach Stellung zu nehmen. Abschliesend sei gesagt, dass ich die Trendelenburg-Lagerung bereits zu Beginn meiner Rettungsdiensttätigkeit als eher schlechte Möglichkeit der Schockbekämpfung kennen gelernt habe und mich durch diesen Artikel bestätigt sehe. Weiter zur Schocklage ansich. Die Autoren führen zu Begin aus, dass eine schnellstmögliche Kontrolle der Blutung das Ziel der Schockbekämpfung ist und dass der Blutdruck aufgrund der resultierenden Blutungsverstärkung nur im notwendigen Maße angehoben werden soll. Dies ist sicherlich unstrittig und spricht meiner Meinung nach nicht gegen die Schocklage, wenn sie erst dann angewendet wird, wenn eine Erhöhung des Blutdruckes notwendig wird. Die Autoren führen unter Nennung verschiedener Studien an, dass das Anheben der Beine im hämorrhagischen Schock nicht zu einem Anstieg des Herz-Zeit-Volumens oder des für die Hirndurchblutung so wichtigen mittleren, arteriellen Blutdruckes führt. Lediglich in 20% der Fälle war ein kurzztiger, minimal 1, maximal 7, Minütiger Anstieg des MAP feststellbar. Der physiologische Hintergrund dieser Feststellung ist, dass das zusätzliche Blutvolumen in den zentralen Venen "versackt", da die Venen eine zu dünne Muskelschicht besitzen und sich durch das zusätzliche Blut lediglich ihr Volumen vergrößert, ohne dass die Vorlast des Herzens und somit letztendlich auch der Blutauswurf gesteigert wird. Diese Erkenntniss, die ich salopp mit "bringt eh nix" zusammenfasen möchte, rechtfertigt nach aussage der Autoren bereits den Verzicht der Empfehlung von Schocklage und Trendelenburg-Lagerung. Unter dem gleichen Gesichtspunkt müsste meiner Meinung nach kritisch die Auswirkungen der indizierten Infusionstherapie beim hämorrhagischen Schock diskutiert werden, da dort ja auch zunächst nur das venöse Gefäßsystem "aufgefüllt" wird. Die Autoren erwähnen auch mögliche negative Auswirkungen der "Schocklage", mir bleibt unklar ob sich die Autoren hier nur auf die Trendelenburg-Lagerung oder auf beide Lagerungsformen beziehen, auf den zerebralen Perfusionsdruck (CPP): "Unklar ist die Auswirkung der SChocklage auf den zerabralen Perfusionsdruck (CPP). Neben dem mittleren arteriellen Druck (MAP) ist für den CPP der Druckgradient zwischen A. carotis und den Hirnvenen steuernd. Im Tierversuch hat sich gezeigt, dass ein höherer Druck im Sinus der Hirnvenen als in der A. carotis zur Abnahme des CPP führt. Ob dieses Phänomen auch am Menschen so stattfindet, ist zurzeit noch ungeklärt." [F. Scheinischen, F. Kühl, RETTUNGSDIENST Ausgabe 6/2011] Zunächst einmal ist klar, dass der Hirndruck der "Gegenspieler" des mittleren Arterielen Blutdruckes ist, da dieser die Hirnaterien von außen komprimiert. Ich konnte leider keine physiologischen Werte für den Druck der Hirnvenen finden, gehe jedoch davon auss dass dieser bei Flachlagerung nicht über dem physiologischen, Zentralen Venendruck von maximal 10mmHG liegt. Wenn wir von einem mittleren arteriellen Blutdruck von etwa 85mmHG (entspricht etwa einem Blutdruck von 80/100) ausgehen, müsste der Druck der Hirnvenen durch die Schocklagerung massiv erhöht werden, bis es zu diesem Effekt kommt. Andererseits bleibt für mich unklar, ob es tatsächlich erst ab dem Zeitpunkt zu einem niedrigeren CPP kommt, ab dem der Hirnvenendruck über dem Druck in der Halsschlagader liegt. Zu diesem Themenkomplex wären nähere Hinweise der Autoren hilfreich, da so meiner Einschätzung nach zuviele Fragen offen bleiben. Daher fliest dieser Themenbereich in meine Grundsätzliche Bewertung der Schocklage nicht mit ein. Während die beiden Autoren die "SChocklage" zur Behandlugn des hämorrhagischen SChockes zur Zeit nicht empfehlen und vorschlagen bis auf weiteres darauf zu verzichten teile ich persönlich momentan eine andere Einschätzung. Ich stimme den Autoren bezüglich der Trendelenburg-Lagerung zu, dass diese kein angemessenes Mittel zur Schockbekämpfung ist, halte die Schocklage durch Flachlagerung des PAtienten mit moderat erhöhten Beinen jedoch nachwievor für eine kaum invasive Maßnahme um kurzfristig, wenn auch nur in 20% der Fälle, den Blutdruck anzuheben, falls dies notwendig ist und sich die "Rettungsfachkraft" nicht etwa dafür entschliest einer immobilisation der Wirbelsäule vorrang einzuräumen und die Anhebung des Blutdruckes mit Infusionen zu versuchen. Grüße Manuel, der hierzu um Kommentare bittet [1] Mir sind die Vorbehalte des Feuerwehrforums gegen Konzepte wie ITLS und dergleichen noch in Erinnerung. Ich konnte jedoch beim lesen des Artikels keine Missionierung oder sektenartige SChreibweise feststellen, so dass ich hier direkt beruhigen möchte. | ||||
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