Rubrik | Einsatz |
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Thema | Flächenbrände USA, Colorado Springs bedroht | 110 Beiträge |
Autor | Hans8-Jo8ach8im 8Z., Berlin / Berlin | 729289 |
Datum | 30.06.2012 16:43 MSG-Nr: [ 729289 ] | 99330 x gelesen |
Geschrieben von Andreas H.
In den USA brennt es ja nun jährlich und regelmäßig in Größenordnung. Vielleicht sollte man einfach mal irgendwann einmal was neues schaffen?
Bis vor ca. 200 Jahren war es völlig normal, daß große Teile der USA brannten. Es gibt dort sogar Pflanzen, die ihre Samen erst nach einem Feuer fallenlassen, weil sie sich an diese völlig normalen Brände angepaßt hatten. Diese Brände waren Bodenfeuer, und die Natur wurde gut damit fertig.
Der Feuerzyklus wurde unterbrochen, als größere Teile der USA landwirtschaftlich bewirtschaftet waren. Jahrzehntelang ging die Feueraktivität deutlich zurück dadurch. Damit veränderte sich der Wald: In einem Wald, der nicht regelmäßig mit Bodenfeuer beaufschlagt wird, steigt die Dichte des Bestandes auf ungefähr das Zehnfache.
Nachdem die Brennstoffmenge in den Wäldern dramatisch zugenommen hatte, kehrten dann die Feuer zurück - aber nicht mehr als harmlose Bodenfeuer, sondern als vernichtende Vollfeuer, denn die Dichte des Baumbestandes reichte, um Vollfeuer zu unterhalten. Damit wurde zu einem die Natur nicht gut fertig, weil das Kronendach der stehengebliebenen Bäume danach fehlte, und der Mensch auch nicht besonders gut: Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. sind tausende Amerikaner in Waldbränden umgekommen.
Ergebnis war, daß es zur Aufgabe der Forstämter gemacht wurde, diese Brände zu verhindern. Dabei waren sie außerordentlich erfolgreich: Die verbrannte Fläche beträgt seit Jahrzehnten ungefähr ein Zehntel dessen, was vor 100 Jahren üblich war. Will man noch mehr erreichen, läuft man allerdings gegen eine Wand: Im Mittleren Westen werden Waldbrände im Regelfall nicht durch den Menschen ausgelöst (wie in Europa), sondern durch Blitze. Gegen die Feuerquellen kann man also nichts tun. Bekämpft man Waldbrände erfolgreich, sorgt dies für die Verzehnfachung der Walddichte und somit dafür, daß aus den Feuerquellen immer schneller ein Vollfeuer wird.
Deshalb gibt es in der Tat etwas Neues (naja, die Neuheit ist jetzt auch schon etwas alt): Fuel management. Damit bildet man das nach, was die Natur früher ganz von selbst gemacht hat: Man lichtet die Bestände. Abseits von Siedlungen macht man das mit "controlled burns", man legt also Feuer (die Feuerwehren der Förstereien haben extra Spezialgerät für's Feuerlegen) dort, wo es zu lange nicht gebrannt hat, und paßt dann auf dieses Feuer auf (so etwas geht manchmal auch daneben, und führt dann zu häßlichen politischen Implikationen).
Am Rand von immer mehr Siedlungen betreibt man das "fuel management" mit der Kettensäge, lichtet also die Wälder so weit, daß ein Waldbrand die Siedlung nicht mehr als Vollfeuer, sondern als Bodenfeuer erreicht. Problem dabei: Genau wie die Deutschen haben Amerikaner oft keine Vorstellung davon, wie ein natürlicher Wald aussieht, weil sie so etwas nie gesehen haben, und dies nicht der romantischen Vorstellung vom gewohnten Nutz- oder Kulturwald entspricht. Es gibt daher nicht selten Widerstand von genau den Leuten, die geschützt werden sollen.
Und in der Forstwirtschaft gibt es natürlich auch Widerstände dagegen, den Bestand deutlich zu verringern. Meines Erinnerns produziert die Forstwirtschaft der USA immer noch so ca. 30% des Nutzholzes der Welt (oder sogar noch etwas mehr, aber ich finde gerade die Zahlen nicht auf die Schnelle, der Server des US Forest Service ist überlastet und reagiert nicht).
Vor kurzer Zeit gab es in der "New York Times" ein Interview mit einem der bekannteren Forstwissenschaftler der USA, einem von denen, die mit Jahresringen- und Bodenschichtuntersuchungen die Waldbrandgeschichte der USA über hunderte von Jahren rekonstruiert haben. Finde ich jetzt gerade nicht, kann ich aber suchen, doch vermute ich, daß Deine erste Fremdsprache nicht Englisch war, dann hilft Dir das vermutlich nicht viel. Kurz gefaßt: In den ariden/semiariden Gebieten der USA bewirkt der Klimawandel bereits einen hinreichend großen Unterschied, damit ein beträchtlicher Teil der Waldgebiete, die jetzt durch Feuer vernichtet werden, vermutlich nicht mehr regenerationsfähig ist, und durch Buschland ersetzt wird.
Also: Das von Dir verlangte Neue gibt es durchaus, aber es gibt erstens Widerstände, und zweitens kommt es an vielen Orten vermutlich zu spät.
Beste Grüße
Hans-Joachim Zierke
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