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Geschrieben von Ulrich C.
Was willst Du uns eigentlich sagen?
Dass wir mit unseren Strukturen die Feuer in den USA weit besser bekämpfen könnten?
Das meinst Du doch nicht im ernst, oder?
Richtige flächendeckende Großeinsätze werden in Deutschland übrigens heute schon oft nicht mehr von der Fw geführt, sondern von anderen - und alle tun immer groß erstaunt, dass bzw. warum das so ist.
Ich mußte erst einmal ein bißchen nachdenken darüber, und das Ergebnis ist trotzdem, daß es keine sinnvolle Antwort gibt. Warum? Ich betrachte mal verschiedene Teilaspekte:
1) Technische Kompatibilität der Löschausrüstung.
Wirf bei einer gut organisierten Freiwilligen Feuerwehr in den USA einen Blick in den Geräteraum eines Wasserlogistikfahrzeugs. Dort findest Du etwas, was es in Deutschland nicht gibt: Den Adapter Drawer. Statt einer Schublade kann das auch ein Auszug sein. In dem Fall findest Du fein säuberlich aufgehängt: Ein Dutzend Schlauchkupplungsadapter. Bei weniger gut organisierten Feuerwehren gibt es diese Schublade nicht, und Du ahnst jetzt vermutlich schon, daß das ein Problem sein könnte.
Die klassische Wasserversorgungsleitung von US-Feuerwehren ist 2,5 Zoll stark, also 63 mm. Weil man damit nicht so furchtbar weit kommt, hat schon vor Jahrzehnten so manche Feuerwehr auf 3 Zoll umgestellt, auf Deutsch: B-Schlauch.
In den ländlichen Gebieten der USA stellt ein Hydrant außerhalb des Ortskerns eine kleine Sensation dar, weshalb die ersten dieser ländlichen Feuerwehren vor 20 oder 30 Jahren anfingen, auf LDH umzustellen, large diameter hose. Das waren 4 Zoll. Wenn heute eine Feuerwehr auf LDH umstellt, dann meistens auf 5 Zoll (127 mm).
Als Einsatzleiter solltest Du also darauf vorbereitet sein, daß die ländlichen Feuerwehren mit ein paar hundert Metern 4 Zoll oder 5 Zoll auf dem Dach bei Dir aufschlagen, Feuerwehren aus Hydrantenbezirken eventuell mit den guten alten 2,5 Zoll oder 3 Zoll.
Die klassische amerikanische Schlauchkupplung ist ein Gewinde. Ein Gewinde? Zwei: NST und IPT. Hier findest Du eine Übersicht von Feuerwehrschlauch-Gewinden. Weil es nicht wirklich schnell geht, A-Schläuche mit einem Schraubverschluß zu kuppeln, entdeckten auch US-Feuerwehren die Storz-Kupplung. Während die "attack lines" nach wie vor Schraubanschluß haben, haben viele Feuerwehren ihre Wasserversorgungsschläuche auf Storz umgestellt. Viele. Längst nicht alle: Andere schrauben noch, oder wurden von den Vorteilen des in der Landwirtschaft gebräuchlichen "camlock couplers" überzeugt. Wenn ich mich nicht täusche, gibt es sogar noch eine dritte Schnellkupplung. Auf jeden Fall solltest Du außer mit vier Größen auch noch mit vier verschiedenen Kupplungstypen rechnen, wobei zum Glück aber nicht alle denkbaren Kombinationen vorkommen.
In Deutschland gibt es dagegen nur einen Ausreißer: Das THW mit seinen Perrot-Kupplungen.
Saugschläuche haben Durchmesser zwischen 2 Zoll und 6 Zoll. Anschluß ist meistens Gewinde, auch bei Feuerwehren mit Storz-LDH auf dem Dach, aber die Zahl von Storz-Kupplungen nimmt bei den Feuerwehren mit dickeren Saugschläuchen zu. Bei US-Vegetationsbränden ist es bisweilen vorgekommen, daß LF aus der Großstadt irgendwohin geschickt wurden, wo sie mangels Saugschlauch nicht löschen konnten. Die "Hillbillys" kennen sich dagegen mit dem Saugen besser aus als jede deutsche Feuerwehr.
Wenn eine Feuerwehr auf 4" Storz umstellt, und halbwegs auf Draht ist, dann werden auch die (in den USA üblichen Überflur-)Hydranten dieser Stadt auf 4" Storz umgestellt.
Der US Forest Service hat standardisiertes Equipment auf den LF, aber das ist der kleinere Teil der LF, die Du zur Verfügung haben könntest. Falls die lokale Feuerwehr ihre Saugschläuche auf 6" Storz umgestellt hat, und in der Folge dann auch die Rohre an den Wasserentnahmestellen (wie heißen "dry hydrants" eigentlich auf Deutsch?), können die Bundesfeuerwehren dort nur Wasser fassen, wenn Du für Adapter sorgst.
Kleiner Trost: Viele Hillbilly-Feuerwehren stellen Dir binnen 5 - 10 Minuten eine offene Schaltreihe hin (einfach deshalb, weil sie das bei jedem zweiten Feuer tun). Die Berufsfeuerwehr aus der Stadt hat aber auch beim Katastrophenschutzeinsatz leider keinen Falttank dabei, denn wenn sie kommt, kommt sie mit kommunalen Fahrzeugen, bei Feuerwehren hinterstellte Fahrzeuge wie LF KatS gibt es nicht.
2) Integration luftgestützter Löschmittel
In den USA ist man darauf eingerichtet, Helikopter oder Flugzeuge sofort einzusetzen, wenn das Gelände sehr schwierig ist für Feuerwehren auf dem Boden. Die Wassermenge für einen Großbrand durch die Luft zu transportieren, ist absurd teuer. Effektiv ist der Lufttransport, wenn er bei entsprechender Lage so schnell wie möglich erfolgt. In dieser Disziplin hängen die USA Deutschland mit großem Abstand ab.
Mehr noch: Es soll hierzulande Bundesländer geben, die ihre Polizeihelikopter ohne Lasthaken beschaffen, damit sie erst gar nicht in Versuchung geraten, über geeignete Einsatzmittel zu verfügen. Da fehlt mir aber der Überblick, wie viele das sind.
Ein US-Helikopter ist mehr wert als ein deutscher Helikopter. Meines Wissens (man korrigiere mich, wenn ich da falsch liege, ich habe es nicht umfangreich überprüft) verfügt nur Brandenburg über zwei oder drei Tanks für das Eintunk-Befüllen von Außenlastbehältern. (LF an den Bach, Tank auf die Wiese, LF füllt Tank, Helikopter tunkt ein.) Wird die Flugstrecke im Vergleich zum nächstliegenden See gedrittelt, hat ein Heli fast den Einsatzwert von dreien.
Hinzu kommt dann noch das Eigengewicht der deutschen Semat-Behälter, der Heli fliegt beträchlichenteils Stahl, nicht Wasser durch die Gegend. (Die Alu-Eimer in Brandenburg und MeckPomm seien von dieser Bemerkung ausgenommen.)
3) Tauglichkeit der bei Dir ankommenden Fahrzeuge abseits fester Straßen
Vorteil Deutschland. (Höre ich jetzt einen tiefen Seufzer von Dir?)
Ist aber so: Aus dem, was Dir deutsche Feuerwehren schicken, kannst Du Dir immerhin Einheiten heraussuchen, die tatsächlich in der Lage sind, in's Gelände zu fahren. Auch wenn es nicht die Mehrheit ist.
In den USA hast Du in gleicher Situation die Waldbrand-LF des US Forest Service: Einheitlich in großer Zahl beschafft, und die Geländegängigkeit ist auf einheitlichem Niveau. ;-) Bist Du sicher, daß das TLF4000 einer deutschen Feuerwehr mit besonders vielen örtlichen Gegebenheiten im Vergleich sehr viel schlechter abschneidet?
Wenn Du das Glück hast, Dich in Nevada zu befinden, dann schickt Dir das dortige BLM vielleicht Tatras und Humvees, aber das ist ein absoluter Ausnahmefall.
4) Einsätze außerhalb des Kfz-Radius
Die USA haben Berufsfeuerwehren zur Verfügung, die keine Gebäudebrände bekämpfen können, dafür aber bei Geländemärschen mit schwerem Gepäck viele Militäreinheiten dieser Welt abhängen, und auf Outdoor-Einsätze fern jeder Unterstützung eingerichtet sind. So etwas gibt es in Deutschland schlicht nicht. Die Schwerpunkte für Waldbrände liegen in Deutschland in flachem Gelände, dagegen in den USA in einem Terrain irgendwo zwischen Rothaargebirge und Alpen.
Damit ist auch die Frage beantwortet, ob deutsche Feuerwehren US-Waldbrände ausmachen können: Nein, können sie nicht, denn an einen beträchtlichen Teil dieser Brände kommen sie erst gar nicht dran.
5) Reserven der Feuerwehren
Da wird Dein US-Kollege gelb vor Neid. Die USA haben weniger Feuerwehrleute als Deutschland, auf einer "etwas" größeren Fläche für "etwas" mehr Menschen. Bei einem Waldbrand fern jeder Siedlung zählt das nichts, aber sobald es um Riegelstellungen mit Asphalt oder Schotter unter den Füßen geht, kannst Du dem Feuer erforderlichenfalls das Zehnfache entgegenstellen.
6) Führbarkeit der Feuerwehren
Jedes Forstamt, das für einen Bereich zuständig ist, hat in den USA seine eigene Forstamts-Berufsfeuerwehr (mit Ausnahmen in manchen Bundesstaaten, z.B. Kalifornien hat seine Staatsforste teilweise den lokalen Feuerwehren gegeben). An Deiner Einsatzstelle hast Du deshalb drei oder vier verschiedene Forstamts-Berufsfeuerwehren des Bundes mit verschiedenem Hintergrund und nicht notwendigerweise gleichen taktischen Vorstellungen. Dazu kommt eventuell noch eine Forstamtsfeuerwehr des Landes (Bundesstaats).
Dazu kommen kommunale Feuerwehren, die entweder in ihrem Bezirk oder bei Nachbarn tätig werden, mit denen sie ein "mutual aid agreement" haben. Hat der Nachbarbezirk keine Feuerwehr, zahlen dessen Bewohner freiwillig mit in die Feuerschutzsteuer der Nachbargemeinde ein, und wenn das jemand nicht getan hat, kann es schon einmal vorkommen, daß die Feuerwehr kommt, das Feuer anguckt, und wieder wegfährt.
Nicht deshalb, weil die Feuerwehrleute das so wollen, sondern weil die Kommune das so will. Die Feuerwehr ist kommunal finanziert. Verlegst Du Düsseldorf in die USA, und Du brauchst mehr Geld, dann mußt Du die Düsseldorfer an die Wahlurnen rufen, damit sie für Düsseldorf eine höhere Feuerschutzsteuer beschließen. Dementsprechend sind diese kommunalen Feuerwehren sehr unterschiedlich gut ausgestattet, die Unterschiede sind viel größer als hierzulande. Was Du zur Verfügung hast, ist deshalb wesentlich unübersichtlicher als in Deutschland.
Ein kleiner Trost: In den ländlichen USA reichen die "mutual aid agreements" oft sehr weit, da fahren Wasserlogistikfahrzeuge auch mal 100km zum "Nachbarn". Das wird auch regelmäßig geübt, die Leute sind daran gewöhnt, mit vielen anderen Feuerwehren zusammenzuarbeiten. (Deshalb ja auch die eingangs erwähnten "adapter drawer".)
7) Einsatzleitung
Das entscheidende Datum für die Strukturen von Einsatzleitung in den USA ist 1970 - "California Fire Siege". Kalifornien war zwar besser vorbereitet als andere Staaten, es gab Regeln und Vereinbarungen für "Mutual Aid" für den gesamten Staat, man konnte Feuerwehren längs durch Kalifornien verschieben, aber als man dann auch noch Bundeshilfe aus anderen Staaten brauchte, war der Koordinationsbedarf deutlich größer als das, was die Struktur leisten konnte. Insgesamt waren knapp 20000 FA aus 500 Feuerwehren unterwegs. 16 Tote, 700 Häuser weg, tausende Häuser beschädigt, in heutigen Preisen viele Milliarden Schaden.
Die Reibungsverluste waren hinreichend, damit der Kongress eine Studie in Auftrag gab, wie man eine dramatische Verbesserung hinbekommen könnte. Die hieß dann FIRESCOPE (FIrefighting REsources of Southern California Organized for Potential Emergencies). Daraus wurde über einen Zeitraum von 20 Jahren allmählich das Einsatzleitsystem für Kalifornien, und ein stark verwandtes System versucht man seit 7 oder 8 Jahren für die gesamten USA sehr viel schneller zu übernehmen. Katastrophenschutzgeld aus Washington gibt's nur bei Kompatibilität mit dem National Incident Management System.
Dieses System ist ohne Zweifel hervorragend geeignet, den Wust an Bundesbehörden zu koordinieren, den es in den USA gibt, oder zwischen Bundesbehörden und Staatsbehörden zu koordinieren, oder luftgestützte Löschmittel heranzuführen. Auf dieser Ebene sind die USA auf jeden Fall weit besser aufgestellt als Deutschland.
Unsicher bin ich mir, ob die Ressourcen der Fläche nur auf dem Papier oder auch tatsächlich sinnvoll integriert sind. Das Type 1 Team, das dort in Colorado Springs die Einsatzleitung übernommen hat, besteht zu 100% aus Angehörigen von Bundesfeuerwehren: US Forest Service, National Park Service, Fish & Wildlife Service, Bureau of Land Management, Bureau of Indian Affairs. Mein GMV sagt, daß es zu Problemen kommen könnte, wenn ein Expertenteam aus 100% Bundesbehördenvertretern von irgendwoher geholt wird, und auf Feuerwehren trifft, die sehr viel buntscheckiger sind als in Deutschland, und in ländlichen Gebieten noch sehr viel mehr "grassroots organization" sind als in Deutschland. Außerdem fehlen auf Bildern und Videos durchgehend Ressourcen, die meines Verständnisses vorhanden sein müßten. Das reicht nicht, um zu behaupten, daß dieses Incident Management System nicht gut funktioniert - denn das weiß ich nicht. Es reicht lediglich, um meine Warnlampen einzuschalten, die mich nicht jeder Presseerklärung sofort Glauben schenken lassen. (Denn auch nach der "1970 California Fire Siege" stand in den Presseerklärungen, wie toll das geklappt hat.)
Wenn ich jetzt 1 - 7 nacheinander durchgehe, wie soll ich zu einer Pauschalaussage über die Eignung von deutschen oder US-Strukturen kommen?
Geschrieben von Ulrich C.
Das letzte in Deutschland bundesweit beschafft LF ist das hier:
LF KatS (Lentner)
Wenn eine Feuerwehr tatsächlich ihre Maschinisten regelmäßig trainieren läßt, damit durchs Gelände zu fahren, wird dann in 20 Jahren die Verbindung zwischen Rahmen und Aufbau noch ganz sein?
Geschrieben von Ulrich C.
Einige wohlwissende deutsche Feuerwehrangehörige haben u.a. folgendes kritisiert
- Singlebereifung (weil mit Zwilling hinten mehr Achslast und besseres Straßenfahrverhalten)
Stimmt doch auch: Mehr Achslast und besseres Straßenfahrverhalten. Für den Rest ... bei Feuerwehren gibt es doch Wettbewerbe und Leistungsabzeichen. Warum gibt es kein Leistungsabzeichen "Fahren im Gelände" für Maschinisten? Nicht auf Zeit, das ist zu viel Risiko, da liegen sonst 150000 auf dem Spiegel, sondern nur auf Ankommen.
Ich habe mich einmal im Leben mit dem LKW richtig festgefahren, vor 25 Jahren. (Sollte einen Kollegen aus der nassen Wiese ziehen, und habe nicht ausreichend Spur gefahren dafür.) Mehr als 25 Jahre später erinnere ich mich noch in allen Details daran, war mir ziemlich peinlich.
Ich denke, ein Leistungsabzeichen "Fahren im Gelände" hülfe. Einmal quer über einen Truppenübungsplatz oder so etwas. Sobald jemand einmal seinen LKW ausgraben mußte, erledigen sich manche Forderungen ganz von selbst, völlig ohne Überzeugungsarbeit Deinerseits.
Beste Grüße
Hans-Joachim Zierke
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