Geschrieben von Johannes S.Ältere Kameraden entgegnen mir das dauert alles viel zu lange.
Sie haben damals denn PKW einfach mit Patient wieder auf die 4 Räder umgeschmiessen!!!
Ich stelle mir das nun nicht sehr Patientenschonend vor, wenn nicht sogar grob fahrlässig das Fahrzeug hier derart zu bewegen.
Servus, wie Uli schon schrieb, sollte wohl ein Mediziner diese Frage beantworten. Alllllsooooo:
Große Einleitung mit Geschichte der Medizin und Anatomie:
Bei der Unfallforschung Hannover hatten wir vor ca. 12 Jahren unter anderem auch eine Veröffentlichung zum Thema "Wirbelkörperbrüche". Die Wirbelkörper sind die Teile der knöchernen Wirbelsäule, die wie Baumscheite gestapelt die Belastung weiterleiten und tragenden Funktion haben. Zwischen den einzelnen Baumscheiten liegen die faserartigen Bandscheiben, diese dienen als Stossdämpfer bei Längsstauchung. Natürlich auch beim Vornüberbeugen und Punktbelastung an der der Belastung zugewandten Seite. Diese alte Studie hat damals schon gezeigt, dass bei Überschlag Unfällen nicht unbedingt mit schwersten Verletzungen zu rechnen ist (will sagen, gute Überlebenschancen, trotz spektakulärer Unfälle). Dummerweise aber gleichzeitig vermehrtes Auftreten von den oben genannten Wirbelkörperbrüchen.
Zusammenfassend: PKW überschlägt sich -> Person überlebt oft, hat aber nicht unwahrscheinlich einen Bruch im Bereich der tragenden Wirbelsäulenstrukturen.
Als Rückenmark bezeichnet man den sehr empfindlichen Teil des Nervensystems, in dem über Nervenbahnen (1) Hirninformationen von oben nach unten sowie in umgekehrte Richtung Peripherie Informationen (Wärme/Kälte, Lage, Vibration, Schmerz, Muskeltonus) nach oben (zum Hirn) geleitet werden. Im Rückenmark findet aber auch eine Befehlsgebung statt. Durch z.B. motorische Nervenkerne. Entgegen den normalen Nerven wie Ischias z.B., welches reine Telefonkabel sind.
Dort, wo die Nervenbahnen dem Rückenmark entspringen, sind sie stärker umhüllt, besser geschützt und werden per Definition jetzt dem peripheren Nervensystem zugerechnet.
Medizin:
Brüche der Wirbelsäule sind nicht zwangsläufig damit verbunden, dass das ganze Gefüge zerreisst bzw. sich verschiebt (disloziert). Vielmehr ist es häufig so, dass
- A) ein Bruch eines Wirbelkörpers dazu führen kann, dass Knochensplitter genau Richtung Rückenmark, also Richtung Rückseite (dorsal) (2) abweichen/ drücken/ sich verlagern können und wie eine Rasierklinge am Hals auf jede falsche Bewegung warten um zur Querschnittslähmung zu führen.
B) durch die verlorene Stabilität und fehlende Abstützung (d.h. es fehlt das Rettungskorsett, Halskrause etc.) es bei Falschbewegungen zu Abrissen im Bereich Nervenbahnen oder Rückenmark kommt.
Traumatologie:
In Kurzform, weil ich schon wieder zu viel geschrieben habe und eigentlich eine Trauerkarte für einen leider verstorbenen Kameraden schreiben will, welchen ich hiermit huldige Danke Rüdiger, warst ein guter Freund und Kamerad!
Also:
- Keine schnelle Bewegungen für die Wirbelsäule.
- Stauchungen vermeiden (Oberkörper drückt mit über 30 kg Eigengewicht mal eben vertikal nach unten, wenn aufgerichtet wird. Damit gilt: Der wirbelsäulenverletzte Patient wird flach gelagert. Das machen wir auch im Krankenhaus so, d.h. da ist nichts mit Aufrichten (warum dann im Auto?). Maximal erlaubt werden könnte ist Beine in der Hüfte Beugen für die Beckenuntersuchung durch den Arzt oder vorsichtige Schocklage bei Druckabfall (könnte Zeichen eines ordentlichen querschnittsmäßigen Nervenschadens sein -> Keine Infoweiterleitung mehr zur Gefäßengstellung vom Hirn -> Gefäße gehen in Null-Position und damit Weitstellung -> literweises Versacken von Blut in Haut und Muskelgewebe der Beine)
- Kein Verdrehen der Wirbelsäule
Also kannst Du Deinen Kameraden erklären, warum sie einfach Glück hatten oder vielleicht aus einem "Druck auf das Rückenmark" einen Patienten mit "Durchtrennung des Rückenmarks" gemacht haben, wenn Auto mit Hau-ruck wieder ins Lot gebracht wird.
Schöne Grüße, ich hoffe, es war verständlich. Wirbelbrüche sind nicht so selten - den Sommer über hatte ich bei jedem Wochenenddienst mindestens einen Patienten mit solcher Fraktur. Und die Autos lagen alle irgendwie auf der Seite oder Dach.
Blöd für mich ist nur, dass man Zerreissungen des Bandapparats erst sieht, wenn sich alle Knochen verschieben, die sonst in Reihe stehen. Das nennt sich Funktionsaufnahmen im Röntgen und bringt Dich in Deutschland direkt vor den Richter. Denn damit schadest Du schon ordentlich dem Nervengewebe. Und das erholt sich auch noch so blöde .... d.h. gar nicht oder es wächst wild umher.
___
(1) (eigentlich Ausläufer, die Nervenzelle kann auch mal nen Meter lang werden)
(2) Hier brauchts ein Bild, um den Aufbau zu verstehen. Vom Rücken(Außenwelt) nach innen gehend: Erst Rückenmark, dann knöcherne tragende Struktur, dann kommt Bauchraum. Durch Wirbelspangen ist das Rückenmark so einigermaßen erträglich geschützt.
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