alter Server
News Newsletter Einsätze Feuerwehr-Markt Fahrzeug-Markt Fahrzeuge Industrie-News BOS-Firmen TV-Tipps Job-Börse

banner

RubrikFeuerwehr-Historik zurück
Thema Spritzen um 1850   31 Beiträge
AutorDani8el 8R., Peine / Niedersachsen763066
Datum26.05.2013 17:32      MSG-Nr: [ 763066 ]13147 x gelesen

Hallo,

geschrieben von Lars B.:
wer von euch "Historikern" weiß bzw. kann uns sagen wieviel und welche Hersteller es von Feuerwehrspritzen so um 1850 gab?
Wie die Vorschreiber schon schrieben: Vermutlich keiner! Deine Anfrage greift einfach zu früh, denn "um 1850" befinden wir uns genau am Übergang von der handwerklichen zur industriellen Fertigung.

Zur Verdeutlichung: Die Industrialisierung ging in Deutschland bzw. im deutschen Sprachraum erst etwas verzögert los, Vorreiter war England. 1850 ist die Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnstrecke grade 15 Jahre her, die Strecke hier vor der Haustür, Hannover - Braunschweig, besteht seit sechs Jahren und seit Ende 1847 kann man mit der Eisenbahn von Berlin nach Köln fahren. Krupp in Essen wurde zwar schon 1811 gegründet, ist aber noch ein relativ kleines Unternehmen auf wackliger Finanzbasis, was sich erst mit der Erfindung des nahtlosen Radreifens (für Eisenbahnen) 1852/53 ändert; in den 1850er Jahren beschäftigt Krupp rund 1000 Arbeiter, 1887 bereits 20.000, seit 1870 ist Krupp das größte Industrieunternehmen Europas. Heschel in Kassel entsteht 1810 als Gießerei, 1848 wird die erste Lokomotive gebaut, bei Henschel ist auch der Bau von Feuerspritzen dokumentiert. Siemens wird 1847 als "Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske" gegründet, andere Unternehmen von Weltgeltung entstehen erst nach 1850, zum Beispiel Bayer 1863 und die BASF 1865, Thyssen 1867, Henkel 1876 oder Bosch 1886.

Im Feuerwehrbereich hätten wir hier an heute noch bestehenden oder bekannten Unternehmen unter anderem natürlich Magirus, gegründet 1864. Schon mehr als 20 Jahre früher, 1842 (und damit im von Dir angefragten Zeitraum), hatte Carl Metz in Heidelberg seine "Maschinenfabrik, Eisen- und Messinggießerei und Fertigung von Feuerspritzen und Hydrophoren" gegründet. Noch früher, im Jahr 1823, gründete Adam Bachert in Kochendorf eine Glocken- und Gelbgießerei und widmete sich auch bald dem Bau von Feuerspritzen *). Schließlich ist weiter die Firma August Hoenig, Köln, zu nennen, 1832 als Gelbgießerei (Gelbguß ist eine Messinglegierung) geründet und schon bald auch als Feuerspritzen- und Armaturenfabrik bekannt geworden, und 1877 für seine "Drehturmleitern".

Von besonderer Bedutung ist noch die Firma Heinrich Kurtz, Reutlingen und Stuttgart, da sie über acht Generationen, von 1690 bis 1920, Feuerspritzen herstellt (Quelle: Gustav Ewald: "Die Geschichte der Feuerspritze bis 1945"). Die Geschichte der Firma Kurtz beginnt (und endet, erst 1962) ebenfalls als Glockengießerei, die Firma wird allerdings von Anfang an auch als "Werkstatt für Glockenguß und Feuerspritzenbau" benannt. 1759 wird vom Reutlinger Magistrat der Bau von bereits über 200 Spritzen bescheinigt. Zwischen 1773 und 1780 ist Friedrich Schiller häufiger Gast bei der Familie Kurtz. Er lernt dort die Kunst des Glockengießens kennen und hört, wie Johannes Kurtz beim großen Stadtbrand in Reutlingen 1726 sein gesamtes Vermögen verlor, was ihn zu seinem Gedicht "Das Lied von der Glocke" inspirierte (jedenfalls laut EWALD; gibt auch andere Ausführungen dazu). Karl Wilhelm Kurtz ist ein angeheirateter Vetter und guter Freund von Gottlieb Daimler. Da er durch den Feuerspritzenbau mit der Fertigung von Zylindern mit geschliffenen Kolben und Ventilen vertraut ist, fertigt er für Daimler den ersten, berühmten "Standuhr-Motor". Auch die erste bezingetriebene Feuerspritze von 1888 ist ein Gemeinschaftsprodukt von Daimler (Motor) und Kurtz (Pumpwerk). In der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg ist Kurtz eine der führenden Firmen im Feuerspritzenbau und kann auf verschiedenen Weltausstellungen Goldmedaillen für seine Spritzen erlangen. Mit dem Übergang zur Motorspritze, und damit von der Kolben- zur Kreiselpumpe, gibt die Firma den Feuerspritzenbau auf, da sie kein Fremdkapital aufnehmen möchte, bis 1962 werden aber noch Glocken gegossen. Randnotiz: Die Glockengießer und Feuerspritzenfabrikanten-Familien Bachert und Kurtz verband ein langes, freundschaftliches Verhältnis, man sah sich Überlieferungen zu Folge "mindestens zu Hochzeiten und Beerdigungen".

Wie schon von den Vorschreibern geschrieben: Um 1850, und auch noch danach, werden Feuerspritzen häufig noch von örtlichen Handwerken gefertigt. Voraussetzung dafür ist, daß ein Pumpwerk aus Metall gefertigt werden kann, daher häufig / regelmäßig die Verbindung zu Glocken- und Gelbgießern. Gustav Ewald schreib in dem oben genannten Buch dazu, daß man sich "in fast jeder größeren Stadt" mit dem Bau von Feuerspritzen beschäftigte, und zählt folgend diverse Hersteller und Orte auf (wobei auch deutlich wird, daß "größere Stadt" relativ ist).

Zum Teil wurden Feuerspritzen jedoch trotzdem nicht örtlich beschafft, sondern von überraschend weit her bezogen, resp. sogar importiert (wobei "importiert" hier relativ sein kann, für die eben behandelte Firma Kurtz sind auch Verkäufe "ins Ausland" dokumentiert, was damals Baden, Bayern usw. bedeutete, seinerzeit eben "Export"). Für hier - Peine - ist zum Beispiel der Kauf von zwei Feuerspritzen 1797/98 aus England dukumentiert! Wie bereits geschrieben hatte England seinerzeit einen Vorsprung hinsichtlich der Industrialisierung, die erste Dampfspritze in Deutschland zum Beispiel, 1832 vom König von Preußen für das Berliner Schloß gekauft, kam von der ersten Firma, die sich in England seit 1830 mit dem Bau von Dampfspritzen beschäftigte, Braithwaithe in London (diese Dampfspritze soll übrigens recht "unbrauchbar" gewesen sein). Die Kosten für diese beiden peiner Handdruckspritzen sind übrigens auch dokumentiert - schon damals waren Brandschutzgeräte offensichtlich ein teures Gut: Beide Spritzen sollten rund 900 Taler kosten, weswegen extra eine Sammlung unter der Bevölkerung durchgeführt werden mußte, da nur 500 Taler zur Verfügung standen. Der exakte Preis ist mit einer Aufstellung vom 22. Oktober 1798 dokumentiert: "An zwey Feuer-Sprützen nebst Saugröhren und Schlangen - 116 Pfund Sterling, 5 Schilling und 6 Pence" (gemessen am Durschnittseinkommen wären das heute etwa 140.000 Euro, siehe hier, wobei solche (Um-) Rechnungen ja immer sehr relativ sind).

Fazit des Fazits vom Anfang ist und bleibt also: Die Frage kann man für die Zeit der handwerklichen Fertigung schlicht nicht beantworten, oder allenfalls mit "unzählige".

*) Noch heute besteht eine Glockengießerei Bachert, die sich unter anderem auf die Geschichte von Adam Bachert, Kochendorf, bezieht. Beheiatet ist die Firma heute übrigens Kralsruhe, und dort in der Carl-Metz-Straße... womit sich der Kreis schließt: Metz wird 1905 von den Brüdern Karl und Alfred Bachert, die bereits 1904 nach Karlsruhe übergesiedelt waren und eine neue Glockengießerei und Feuerwehrgerätefabrik gegründet hatten, und wird bis 1965 von ihnen geführt.

Gruß

Daniel

Beitrag inhaltlich zustimmen / ablehnen

<< [Master]antworten>>
flache AnsichtBeitrag merkenalle Beiträge als gelesen markieren
Beitrag weiterempfehlen

 25.05.2013 17:11 Lars7 B.7, Zwinge
 25.05.2013 19:39 Rain7er 7H., Schüttorf
 26.05.2013 07:58 Jens7 K.7, Stuttgart
 26.05.2013 10:16 Uwe 7R., Schwerin
 26.05.2013 17:41 Dani7el 7R., Peine
 26.05.2013 18:09 Anto7n K7., Mühlhausen
 26.05.2013 17:32 Dani7el 7R., Peine  
 26.05.2013 18:05 Anto7n K7., Mühlhausen
 26.05.2013 18:21 Davi7d J7., Kaiserstuhl
 26.05.2013 18:21 Dani7el 7R., Peine
 27.05.2013 10:45 Dani7el 7R., Peine
 27.05.2013 10:54 Anto7n K7., Mühlhausen
 27.05.2013 14:43 Dani7el 7R., Peine
 27.05.2013 14:05 Volk7er 7L., Erlangen
 27.05.2013 15:40 Hans7wer7ner7 K.7, Sebnitz, OT Ottendorf
 27.05.2013 16:41 Dani7el 7R., Peine
 27.05.2013 18:04 Hans7wer7ner7 K.7, Sebnitz, OT Ottendorf
 28.05.2013 07:37 Dani7el 7R., Peine
 28.05.2013 17:37 Hans7wer7ner7 K.7, Sebnitz, OT Ottendorf
 27.05.2013 19:17 Volk7er 7L., Erlangen
 27.05.2013 20:32 Hans7wer7ner7 K.7, Sebnitz, OT Ottendorf
 27.05.2013 08:14 Helm7ut 7R., Dietzenbach
 27.05.2013 08:39 Stef7an 7F., Friedrichshafen
 27.05.2013 08:53 Anto7n K7., Mühlhausen
 27.05.2013 09:00 ., Dinslaken
 27.05.2013 09:20 Stef7an 7F., Friedrichshafen
 27.05.2013 10:16 Dani7el 7R., Peine
 27.05.2013 11:12 Stef7an 7F., Friedrichshafen
 27.05.2013 13:25 Hans7wer7ner7 K.7, Sebnitz, OT Ottendorf
 27.05.2013 13:36 Anto7n K7., Mühlhausen
 27.05.2013 16:12 Dani7el 7R., Peine

2.338


Spritzen um 1850 - Feuerwehr-Forum / © 1996-2017, www.FEUERWEHR.de - Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Mayer, Weinstadt