Ausgangspunkt der Diskussion war ja hier ein Einsatz bei einem Gebäudebrand unter Filter, wo man das Merkmal "Gefahrenbereich" überhaupt nicht wegdiskutieren kann. Bei solchen Einsätzen hat mutmaßlich keine Feuerwehr in Deutschland in der heißen Phase die Möglichkeit, eine 1:1 "Betreuung" von Anwärtern (das können übrigens auch volljährige FM sein!) gemäß § 18 II der GUV-V C53 abzustellen, weil die dafür benötigten "erfahrenen Feuerwehrangehörigen" eben für andere Aufgaben mit deutlich größerer Priorität benötigt werden. Gerade deshalb sind Anwärter an solchen Einsatzstellen auch kein geeignetes Mittel, um einen evtl. Personalmangel auszugleichen. Sie sind zunächst mal personalbindender Ballast. Und jede Führungskraft in Deutschland hat bei diesem Szenario dann auch genügend andere Aufgaben und Beobachtungsschwerpunkte zu beachten, so dass schlichtweg nicht sichergestellt werden kann, dass der Anwärter am Ende nicht doch ohne Betreuer irgendwas anstellt. Also lässt man ihn strikt daheim.
Weshalb UVV oder Landesrecht sich dazu nicht so eindeutig positionieren, wie das einige hier im Forum tun, hat den Hintergrund, dass es in der Vielzahl der möglichen Tätigkeitsbilder der Feuerwehr dann dummerweise doch wieder welche gibt, wo die o.g. Punkte anders zu bewerten sind. Vorgestern sah es z.B. auf einigen Straßen hier im Umkreis wieder mal so aus. Natürlich auch mit Feuerwehrbeteiligung - und jetzt sage mir mal einer, ein 16 oder 17jähriger (bzw. ein Anwärter) könnte hier wegen UVV und fehlender Ausbildung nicht eingesetzt werden, seine Leistungsfähigkeit nicht eingeschätzt werden, oder er müsste am Besen von einem erfahrenen Feuerwehrangehörigen begleitet werden. Straßenverkehrsraum? An beiden Enden der Ortsdurchfahrt Vollsperrung. Gefährlicher Weg zum Gerätehaus? Ich bitte euch... Und alarmieren braucht man den Anwärter auch nicht großartig, der kommt von selbst dazu.
Da auch das Thema Unfallversicherung weiter oben schon angesprochen wurde: Sollte sich in einem solchen Einsatz doch mal ein Anwärter über den eigenen Haufen fegen, und mit dem Besenstiel im Auge halb ertrinken, ist er dabei natürlich versichert, auch ohne abgeschlossene Straßenkehrerfachausbildung. So wie im übrigen jeder Bürger, der unausgebildet (und unausgerüstet) ganz ohne Feuerwehrzugehörigkeit in Gefahrensituationen für die Allgemeinheit tätig wird, dabei unfallversichert ist.
Zwischen dem Gebäudebrand und der Straßenreinigungsaktion, und weit darüber hinaus, liegt ein solches breites Spektrum an möglichen Einsätzen, dass man die Vorschriften so gestaltet, dass am Ende immer noch eine Abwägung der verantwortlichen Führungskraft möglich ist. Nur mag der gemeine Feuerwehrmensch solche Abwägungsspielräume für gewöhnlich nicht so gerne, er hat lieber möglichst klare Aussagen, denen er 1:1 ohne weiteren Hirneinsatz folgen kann, wenigstens aber Faustregeln, die einfach zu vermitteln und behalten sind.
Und so entstand dann vor Urzeiten die Faustregel: nur bis zum Verteiler. Das ist eine schöne Regel, schön kurz, sie ist schnell auszubilden, abzufragen und den anderen zu vermitteln, man muss sich mutmaßlich gar nicht groß mit den bösen Vorschriften im Hintergrund auseinandersetzen (z.B. dass es auch volljährige Anwärter geben kann, und minderjährige ausgebildete Truppmänner...), einfach nur "Verteiler = Ende!".
Die "Regel" ist aber (m.M.n. völlig zu Recht) hier als Scheisshausparole bezeichnet worden, weil es nicht nur diese ganze mögliche (und notwendige) Abwägung ausblendet, sondern obendrein auch noch in einer deutlichen Mehrheit unserer Einsätze überhaupt nicht anwendbar ist. Man hätte auch die Faustregel verbreiten können: Anwärter/Jugendliche dürfen nur eingesetzt werden, wenn die Katze des Nachbarn vom Einsatzleiter vorgestern Durchfall hatte. Ob es Nachbarn, Katze oder Durchfall überhaupt gibt, scheint ja völlig egal zu sein. Denn wo ist der sagenumwobene Verteiler beim VU, beim Schnellangriffseinsatz, beim Unwetter, bei der Ölspur, der BSW...? Gefahrenbereiche sind Räume, mind. aber Flächen, und ein Verteiler ist ein Punkt. Wieviele Verteiler muss man an einer Einsatzstelle ablegen und aufhängen, um den Gefahrenbereich abzustecken? Man merkt: Alles Käse. Eine Faustregel ohne Faust und ohne Regel.
"In der Regel machen es die reinen Experten nicht gut. Das ist wie vor Gericht. Der Zeuge weiß, wie es war, versteht aber nichts. Der Gutachter versteht alles, weiß aber nicht, wie es war.
Der Richter versteht nichts und weiß nichts, aber er entscheidet - nachdem er alle angehört hat."
(Wolfgang Schäuble, Stern-Interview vom 20.06.2013)
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