Kleiner Erfahrungsbericht aus dem Osten - ländlicher Raum
Wir hatten vor einigen Jahren, als ich in den Ort zugezogen bin, ebenfalls eine sehr schwierige Situation. Wir hatten damals ein TSF zu besetzen und die Feuerwehr war demographisch überaltert - durch Übergänge in die Alters- und Ehrenabteilung war absehbar das die Mitgliederzahl von 10 auf unter 6 innerhalb kurzer Zeit sinken kann. Der Standort war akut gefährdet. Wir haben das mit den Hauswurfsendungen auch alles gemacht - die direkte Wirkung war NULL. Aber das Denken im Ort hat doch irgendwie eingesetzt. Danach haben wir gezielt eine Zielgruppe angesprochen die nachhaltig ist. Junge Familienväter meist mit eigenen Häusern im Ort - die haben also definitiv was zu schützen. Wegzug wegen Ausbildung oder beruflicher Neuorientierung eher unwahrscheinlich. Also wurden durch uns und durch die ehrenamtliche Bürgermeisterin, die im Ort auch mächtig "wirbelt", gezielt meist direkt einzelne Personen angesprochen und zu Werbeveranstaltungen eingeladen. Das erfolgte meist zu Festen in der Kindertagesstätte etc. das jährliche Dorffestzelt zu fortgeschrittener Stunde ist eher ungeeignet. Im Rahmen unserer Vorstellung konnte ich anhand einiger Brandverlaufsvideos eindrucksvoll zeigen, wie wertvoll lokale Erstschlagskraft ist - nach dem Motto 3 Mann mit Eimer und nem Plan in den ersten 3 Min ist mehr wert als ein buntes großes Löschtaxi nach 15min. vor allem bei Kleinereignissen zur Ausbreitungsverhinderung. Videos von mittleren Kreisfeuerwehrtreffen mit großem taktischen, technischen und personellem Aufwand sind da eher kontraproduktiv. Daraus hat sich ein komplett neuer Stamm entwickelt, einige Jahre später wieder 4 neue Mitglieder. Danach erfolgte der Zuzug eines Kameraden mit Erfahrung in der Jugendarbeit - Aufbau einer neuen Jugendefeuerwehr. Heute ernten wir erste Früchte dieser Arbeit - selbstständiger Zulauf in die Feuerwehr aus dem Ort - erste Übergänge aus der JFw usw. Dieser Prozess hat 10 Jahre gedauert und auch reichlich Kraft gekostet. Stand heute 19 Kameraden Einsatzabteilung, JFw mit 12 Mitgliedern und 6 Kameraden Alters- und Ehrenabteilung. Änderungen im Fahrzeugpark - jetzt MTW-TSF-W-Kombination und mehr brauchst auf dem Dorf auch nicht. Auf dem Auto spiele ich notfalls auch 12 Mann kaputt, ich brauch kein grosses rotes Schlachtschiff, kann es taktisch mit jedem Standard-LF8/6 und vgl. aufnehmen und komme noch bis zu meinem Dienstzeitende mit Kameraden als Fahrzeugfahrer hin, die die alte Klasse 3 haben. Jetzt meldet sich wieder Zulauf an, 3 neue Leute - jetzt wird der Platz knapp. Sicher ist unser plus die Ortslage - größere Städte (35.000 EW 5km, 56.000EW- 35km und Berlin (50-70km) in erreichbarer Entfernung und gute Verkehrsanbindung. Im Hintergrund ein starker und engagierter Heimatverein, der das sonstige Kulturleben im Ort fördert und die Jugendfeuerwehr regelmäßig finanziell unterstützt - das spart uns den Aufwand für den Förderverein und hat letztlich auch Synergieeffekte. Der springende Punkt ist die Ortsgröße - alles über 1000 EW sollte funktionieren - konkuriert aber meist auch mit anderen größeren lokalen Vereinsangeboten, alles unter 300 EW halte ich für sehr schwierig. dazwischen ist viel von der Lage, Arbeitsangeboten usw. abhängig und Allheilmittel gibt es glaube ich nicht, es ist auch nicht jedes Projekt überall hin übertragbar, aber ganz viel hängt von den örtlich agierenden Köpfen ab. Von der Wehrführung, ihrem Auftreten und ihrer Akzeptanz im Ort hängt ganz viel ab. Und nicht jeder, der kommt, muss der LÖSCHÜBERHELD werden und genauso bekloppt wie die meisten von uns hier hunderte Stunden im Jahr leisten, immer mit dem leicht drohenden Zeigefinger, das er sein Stundensoll noch nicht voll hat. Ich kann auch damit Leben, wenn Kameraden sich auch mal etwas rausnehmen, weil Familie und Job einfach Priorität haben. Das der Weg nicht ganz verkehrt ist, hat uns das letzte Unwetter gezeigt, hier haben wir in drei Einsatzblöcken über mehre Stunden innerhalb von 24h mit unterschiedlichen Besatzungen abarbeiten können. Eins hab ich mir selbst auferlegt - ich frage niemanden von den Jungs, den ich bei Alarm im Ort gesehen habe, wo er den war, wenn er nicht zum Einsatz gekommen ist - es wird schon seine Gründe gehabt haben.... Schlüssel war bei uns das direkte persönliche Ansprechen von ausgewählten Personen, verbunden mit der Einladung zu einem verbindlichen Termin und auch das wir das immer mit kleinen Gruppen gemacht haben - niemand kam allein neu dazu und die Gruppendynamik tat ihr übriges und mehr als 5-6 Leute gleichzeitig kriegt man auch schwer ausgebildet und integriert. Bei uns hat das dann später immer gut zu weiterführenden Ausbildungen gepasst, so das meist 2-3 Kameraden zusammen fahren konnten, was natürlich immer auch von den zugewiesenen Lehrgangsplätzen abhing. Ab noch wichtiger - lasst es möglichst nie so weit kommen, das es am Standort an der personellen Untergrenze rumdümpelt - weil der Weg doch Kraft- und Zeitraubend ist, vor allem wenn man das selber auch mit Familie, Job, Haus und Hof macht. Meist sind das ja die Dinge, warum der eine oder andere sagt, das er nicht auch noch Feuerwehr will, aber da konnte ich immer sagen, schau - ist bei mir und den anderen Aktiven auch so. Und noch ein paar Jahre, dann will ich eigentlich ruhiger treten - der dann sicher ausgebildet zur Verfügung stehenden Nachfolgegeneration nur noch helfend unter die Arme greifen. Rechtzeitig loslassen und die Jungen in Verantwortung bringen und zu begleiten ohne zu Überfordern ist auch wichtig - das sind gerade meine aktuellen Baustellen. Und noch was. Ich empfehle meinem Aufgabenträger auch Mitbürger zur Aufnahme in die Wehr, die schon 50 Jahre sind, nicht jeder muss mit den bunten Flaschen auf dem Rücken auf allen vieren durch Keller kriechen - wir haben doch genug Background-Aufgaben, um für jeden eine vernünftige Aufgabe an der Einsatzstelle zu finden. Manchmal vor allem tagsüber ist so einer der einzige, der zumindest das Auto zur Einsatzstelle fahren kann. Und auch der ist evtl. noch 15 Jahre im Dienst - Wegzug eher unwahrscheinlich.
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