Guten Morgen Marino,
ich bin mir sicher, dass niemand besonders erfreut ist, wenn er zu etwas verpflichtet wird, über das er schon nachgedacht hat und zu dem Schluss kam, dass er das aus Gründen X, Y und Z nicht machen möchte. Es wird sicher in den letzten Jahren viele Aufrufe an die Menschen deiner Heimatgemeinde (im Sinne der Meldeadresse) gegeben haben, zur Feuerwehr zu kommen. Und es werden sich viele andere Menschen ihre Gedanken gemacht haben, warum sie nicht mitmachen wollen.
Die Krux ist allerdings: Irgend jemand muss es machen. Die Gemeinden sind verpflichtet, Feuerwehren zu unterhalten. Und wenn dann mal ein Kind in seinem Kinderzimmer verbrennt, weil die Feuerwehr nach 15 Minuten immer noch nicht in adäquater Stärke vor Ort war, ist der Aufschrei sicherlich groß. Eine Gemeinde hat im Grunde drei Optionen, wie sie nun sicherstellt, dass die Feuerwehr personell ausreichend aufgestellt ist:
1. Sie kann die Leute bitten, sich freiwillig dieser Aufgabe anzunehmen. Die klassische Freiwillige Feuerwehr. Das Problem: Es gibt immer mehr Menschen, die schlichtweg keinen Bock auf Feuerwehr haben. Das ist kein Seitenhieb auf dich, sondern kann ich in meinem Bekanntenkreis beobachten.
2. Sie kann Leute beruflich anstellen, das zu machen. Nun müssen die natürlich auch bezahlt werden... Und das Geld dafür müsste die Gemeinde erstmal irgendwo eintreiben. Ich habe das mal für meine kleine Heimatgemeinde überschlagen: Wenn wir nur die erste Gruppe, die den Erstangriff übernimmt und kleine Einsätze eigenständig abarbeitet, beruflich anstellen wollten, müssten wir jeden Einwohner (Vom Säugling bis zum Hundertjährigen) mit etwa 2000€ pro Jahr zusätzlich besteuern. Für... 15 Einsätze im Jahr. Könnte man machen... ich weiß aber nicht, ob die Bevölkerung darüber allzu glücklich wäre.
So, und die 3. Option ist, dass die Gemeinde ihre geeigneten Einwohner zum Brandschutzdienst verpflichtet. Das ist nicht schön, aber es ist finanziell machbar (kaum teurer als die Freiwillige Feuerwehr). Und die Gesetze sehen diese Möglichkeit ausdrücklich vor.
So, wie kommen wir jetzt weiter?
Ich denke, du solltest einige deiner Aussagen überdenken.
Einmal finde ich, du solltest den Dienst an der Menschheit (das ist Feuerwehr!) nicht als "Zeitverschwendung" bezeichnen. Wir wären eine ziemlich kaputte Gesellschaft, wenn die Hilfe für Notleidende, bis hin zur Rettung von Menschenleben, als solche angesehen würde, findest du nicht? Sicher, es passt nicht in deine Lebensplanung. Aber es passt wahrscheinlich auch nicht in die Lebensplanung deines Nachbarn, wenn sein Haus brennt.
Ich glaube, du hast einen lückenhaften Überblick darüber, wie viel Zeitaufwand der Dienst in der Feuerwehr bedeutet. Klar, für die Grundausbildung gehen erstmal ein paar Abende und Samstage drauf. Aber danach... Pflichtfeuerwehren werden (bisher!) nicht in Gemeinden mit hohem Einsatzaufkommen eingerichtet. In einer Gemeinde mit 20 Einsätzen im Jahr kannst du davon ausgehen, dass du effektiv nur zwei, drei Mal im Jahr nachts im Einsatz bist. Das ist nicht häufiger, als deine Freundin dringenden seelischen Beistand braucht oder du auch einfach mal nicht schlafen kannst, weil dir was auf der Seele brennt. Ich denke nicht, dass diese geringe Zahl einen signifikanten Einfluss auf dein Bodybuilding-Programm hat.
Ich wüsste jetzt auch nicht, was ein, zwei Übungsabende im Monat an deinen Möglichkeiten ändern würden, Videos für deinen Kanal aufzunehmen und zu bearbeiten. Das sind ja keine Tätigkeiten, die unbedingt Montags abends um 20:00 Uhr stattfinden müssen. Anders wäre es, wenn du tatsächlich vertraglich verpflichtet wärst, zu dieser Zeit etwas Bestimmtes zu tun. Einen Trainingsplan kann man ja auch den Gegebenheiten der Realität anpassen; du würdest sicher auch keinem Lehrer einen Plan schreiben, nach dem er 3x wöchentlich um 09:00 Uhr zum Training muss.
Ich weise darauf hin, dass andere Leute den Dienst in der Feuerwehr, oft auch mit mehrfach höherer Einsatz- und Übungsbelastung, ebenfalls irgendwie mit beruflichen, familiären und sonstigen Verpflichtungen in Einklang bringen. Das ist oftmals eher eine Frage des Wollens.
Auch was das Wollen angeht: Ich glaube dir, dass du der Meinung bist, die Feuerwehr würde dir keinen Spaß machen. Meine eigene "Blaulichkarriere" begann mit einem FSJ im Rettungsdienst, und ich konnte mir bis zu meiner ersten Schicht als Praktikant beim besten Willen nicht vorstellen, wie so ein Einsatz abläuft und ob ich damit klarkomme. Woher denn auch? (Ja, das FSJ habe ich gemacht, weil's das Erstbeste war, das mir einfiel...) Heute gehören Rettungsdienst undw Feuerwehr zu meinen wichtigsten Lebensinhalten.
Was ich damit sagen möchte: Probiere es bitte aus. Du kannst als jemand, der es nicht ausprobiert hat, schlichtweg kein sinnvolles Urteil fällen. Du weißt nicht, wie es sich anfühlt, gemeinsam zum Einsatz zu fahren, Menschen zu helfen und beim gemütlichen Zusammensein hinterher zu wissen, dass man der Menschheit etwas Gutes getan hat, ggf. sogar, dass man einen Teil dazu beigetragen hat, dass das ein Menschenleben nicht zerstört wurde.
Schön wäre es natürlich, wenn das außerhalb der Pflichtfeuerwehr ginge. Wenn du einfach mal zu zwei, drei Übungsabenden gehen und reinschnuppern könntest, um es dir dann zu überlegen.
Aber andere, deren Heimatgemeinden noch keine Pflichtfeuerwehr eingerichtet haben, hätten diese Chance. Vielleicht möchtest du deine Geschichte in einem Video thematisieren?
Erkläre doch mal, dass die Gemeinden Feuerwehren aufstellen müssen.
Dass sich jeder drauf verlässt, dass die Feuerwehr kommt und hilft.
Dass es finanziell eine ziemlich krasse Geschichte wäre, überall nur Berufsfeuerwehrleute zu haben.
Dass die Gemeinden also eigentlich nur warten können, ob es genügend Freiwillige gibt... und wenn nicht, zwangsweise eine Pflichtfeuerwehr einrichten müssen.
Dass sich vielleicht jeder einmal dazu durchringen sollte, einfach mal auszuprobieren ob die Feuerwehr nicht doch Spaß machen könnte.
Dass der einzige Weg, Pflichtfeuerwehren zu vermeiden, darin besteht dass sich gerade junge Leute freiwillig engagieren.
Wenn du ein solches Video machen möchtest, findest du in diesem Forum sicherlich viel Hilfe dafür.
(Es ist ein ziemlich "historisches" Forum mit entsprechend althergebrachter Struktur. Vollkommen klar, dass es nicht die Menüführung eines Instagram-Profils bieten kann. Ist aber wahrscheinlich auch so gewollt, um sich aufs Fachliche konzentrieren zu können. Aber dafür hast du hier die geballte Fachkompetenz).
So, wie solltest du mit deiner Pflichtfeuerwehr verfahren?
Es wird sicher irgendeine Art Erhebung geben, welche Einwohner denn überhaupt für den Feuerwehrdienst geeignet sind (man wird kaum den einbeinigen, herzkranken Opa Krause zur teuren Grundausbildung schicken wollen). Du kannst darauf hinweisen, dass du unter der Woche nicht verfügbar bist, weil du x Stunden entfernt studierst/arbeitest und dort deinen zweiten Wohnsitz hast. Außerdem kannst du darauf hinweisen, dass deine Psyche labiler ist als die des Durchschnittsmenschen (auch Otto Normalfeuerwehrler hat keinen Spaß daran, Verletzungen anzugucken!) und dass du nachts strikte Bettruhe hast. Das solltest du natürlich alles auch irgendwie belegen können, denn Behauptungen aufstellen kann jeder. Aber wenn du etwas kreativ bist, kannst du die Gemeinde sicherlich überzeugen, dass du nicht zum Feuerwehrdienst geeignet bist.
Die Gemeinde wird sich sicherlich erst einmal die Menschen herauspicken, die am Ort arbeiten und die keinerlei gesundheitliche Einschränkungen haben. Wenn das denn genügend sind.
Sicher kannst du auch einfach deinen Wohsitz ummelden, die Freizügigkeit ist im Grundgesetz verankert. Allerdings wird es ja seine Gründe haben, warum du nicht in FFM gemeldet bist.
Ach ja, was den Urlaub angeht: Die Gemeinde kann dir das Reisen nicht verbieten. Wenn du im Urlaub bist und es brennt, bist du eben nicht da. Aus diesem Grund muss es mehr Feuerwehrleute geben, als tatsächlich angeht. Übrigens könntest du auch wieder anführen (und glaubhaft belegen), dass Reisetätigkeit Teil deines Berufs ist und du deswegen als Einsatzkraft nicht voll zur Verfügung stehen kannst ;)
Aber auch hier: Die Gemeinde ist nicht "irgendein Depp". Sondern das sind Bürgermeister und Gemeinderat, die demokratisch gewählt wurden, um die Interessen der Bürger zu vertreten. Wenn du dich von ihnen nicht gut vertreten fühlst, solltest du bei der nächsten Wahl dein Kreuzchen für Leute machen, die deinen Interessen eher entsprechen. Oder dich selbst aufstellen und wählen lassen.
Men lernt nie aus.
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Geändert von Eike R. [08.12.19 09:13] Grund: = nur für angemeldete User sichtbar = |