Geschrieben von Thomas M.Im 18. Jahrhundert wurden die ersten Forst-Hochschulen gegründet um dem Debakel Wald ein Ende zu setzten, denn bis dahin war Wald ...einfach war.
Der "war" überhaupt nicht mehr.
Er "war" ... im Mittelalter, was nicht heißt, daß der mittelalterliche Wald ein natürlicher Wald war. Auch der Wald des Mittelalters war ein Nutzwald, der seine Gestalt durch Nutzung des Menschen bekam. Der Wald des Mittelalters hatte sich aber meistens noch selbst gepflanzt, nur seine Gestalt bekam er vom Menschen, nämlich durch die Waldweide.
Der Wald nämlich war im Regelfall Allmende, alle Ortsbewohner konnten ihn als Weide nutzen. (Das gemeinsame Weideland rund um die parzellierte eigentliche Nutzfläche ist ein sehr altes Wirtschaftskonzept, im Buch Hesekiel findest Du es für das alte Israel in babylonischer Zeit beschrieben.)
Der Wald, der durch diese menschliche Nutzung entstand, war pyrophob, da durfte ruhig ein Bodenfeuer durchlaufen. Die Waldweide hielt das Gras kurz und das Unterholz in Zaum, die großen Bäume hatten keine bodennahen Äste, an denen ein Feuer hochklettern konnte.
Dann änderten sich die Besitzverhältnisse ... meistens dadurch, daß ein "Edler" den Bauern mitteilte, daß der Wald nun ihm gehöre. Wer damit nicht einverstanden war, wurde halt totgeschlagen. Auf diese Weise sind die großen Wald-Ländereien Deutschlands entstanden.
Dieser Besitzerwechsel durch Raub spielte in den Bauernkriegen noch eine Rolle:
Zum fünfften seyen wir auch beschwert der beholtzung halb. Dann vnsere herschafften habend jnenn die ho(e)ltzer alle allain geaignet, vnd wann der arm man was bedarff, mu(o)ß ers vmb zway geldt kauffen. Ist vnnser maynung: Was für ho(e)ltzer seyen, es habens geistlich oder weltlich, jnnen, die es nit erkaufft haben, sollen ayner gantzen gemain wider anhaim fallen, vnd ainer gemayn zimlicher weiß frey sein, aim yetlichen sein noturfft jnß hauß zu(o) brenen vmb sunst lassen nehmen, auch wann von no(e)ten sein wurde zu(o) zymmern auch vmb sunst nemen, doch mit wissen der, so von der gemain darzu(o) erwelt werden. So aber kains verhanden wer, dann das, so redlich erkaufft ist wordenn, sol man sich mit den selbigen briederlich vnd christelich vergleichen. Wann aber das gu(o)t am anfang auß inen selbs geaygnet wer worden vnd nachmals verkaufft worden, sol man sich vergleichen nach gestalt der sach vnd erkantnuß briederlicher lieb vnd heiliger geschrifft.
Bekanntermaßen wurde jedoch entschieden, den Wald nicht zurückzugeben, sondern lieber die aufständigen Bauern totzuschlagen. (Die Forderung nach Rückgabe der geraubten Wälder ist 1848 dann erneut erhoben worden. Während die Revolution scheiterte, holte die Bevölkerung anschließend wieder massenhaft Holz aus dem Wald, in 1850 sind für Preußen ohne Rheinprovinzen 265000 Holz"diebstähle" gegenüber 35000 gemeinen Diebstählen verzeichnet, dabei fanden in den Wäldern bewaffnete Gefechte zwischen Holzsammlern und Förstern mit einer beträchtlichen Zahl von Toten und Verwundeten statt.)
Nach dem mittelalterlichen Besitzerwechsel verschob sich die Nutzung vom Eigenbedarf zum Verkauf. Die Wälder verwandelten sich in Bergwerksschächte, Holzkohle, Handelsflotten und Kriegsflotten. Die ziemlich feuerresistenten Eibenwälder, die dort wuchsen, wo später einmal Heidebrände stattfinden würden, verwandelten sich in Langbögen. (Großbritannien hatte zur Zeit von Elizabeth I. fast ganz Europa leergekauft. Als es in Deutschland keine Eibenwälder mehr gab, kaufte man in Südeuropa und im Baltikum.)
Die neuen "Eigentümer" eigneten sich kein Waldwissen an, die Bewirtschaftung erfolgte auf dem Wege des Raubbaus. Der Wald verschwand. Zum Ende des 18. Jahrhunderts näherte sich die deutsche Landschaft der Irlands an. (Wobei auch Irland eigentlich bewaldet war, die irischen Wälder sind damals in britische Flotte verwandelt worden.)
Auf den allerersten Fotografien, die es von Deutschland gibt, sieht man ... nicht die fast vollständige Entwaldung von 17xx, aber auch auf diesen Bildern sind Höhenzüge noch kahl, die wir nur bewaldet kennen. Bei allem Spott über Plantagen-Forstwissenschaft muß man ihren Beitrag dazu anerkennen, daß wir überhaupt wieder von baumähnlichen Gewächsen umgeben sind.
Die entstehende Forstwissenschaft entdeckte die Nachhaltigkeit. Nicht im Sinne einer heutigen Verwendung des Worts, sondern es ging um ökonomische Nachhaltigkeit: Um dauerhaft Einkünfte erzielen zu können, sollte dem Wald nicht mehr Holz entnommen werden, als nachwächst. Das mögen manche für unzureichend halten, war aber immerhin mehr, als zahlreiche Länder der Erde im Jahre 2021 zustandebringen.
Erste Kritik an den Nachteilen von Fichten-Monokulturen stammt übrigens aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Hans-Joachim
der jetzt zum Moderna-Erholungsschlaf zurückkehrt
"Everybody is entitled to his own views. Everybody is not entitled to his own facts."
James Schlesinger, 1975
Beitrag inhaltlich zustimmen / ablehnen |