Rubrik | Katastrophenschutz |
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Thema | Bevölkerungswarnung - war: Lage in NRW / RLP - ist: Starkregen/Unwetter und der KatS #
| 341 Beiträge |
Autor | Seba8sti8an 8K., Grafschaft / RLP | 872290 |
Datum | 14.09.2021 20:06 MSG-Nr: [ 872290 ] | 9742 x gelesen |
Infos: | 16.02.22 Abschlussbericht des vom Minister des Innern berufenen Kompetenzteams Katastrophenschutz 04.09.21 CP: Sonderteil Unwetterkatastrophe 22.07.21 THW Helfer aus Ahrweiler beschreiben ihre Flucht
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Feuerwehr
Tragkraftspitzenanhänger
Geschrieben von Michael B.Ich glaube auch das die meisten Probleme an der Ahr dadurch kamen, die Verwaltungsstellen konnten nicht auf Katastrophe und damit auf Stabsmäßiges führen umschalten. Kommt drauf an, welche Verwaltungsstellen du meinst. Die Verwaltungen der betroffenen Kommunen waren v.a. erstmal eines: Betroffene. Teile des Personals, und auch die Infrastruktur. Die Verbandsgemeinde Altenahr hatte erstmal kein Rathaus mehr, die (leidlich) dienstfähigen Mitarbeiter auf die man in der Anfangszeit wieder zugreifen konnte waren an zwei Händen abzählbar. Im Stadtgebiet sah es personell wohl etwas besser aus, infrastrukturell aber genauso schlecht. Man muss sich vor Augen halten, dass praktisch alles, was man als Kommune so als Pflichtaufgabe hat und in dieser Lage auch dringend benötigt hätte, heftige Einschläge verzeichnet hat. Stadtgebiet hat 2 von 3 Gerätehäusern der FW in Zugstärke nicht mehr nutzbar, der Bauhof war abgesoffen, ca. 30 Arbeitsfahrzeuge/Großmaschinen Totalschaden. Wasser/Abwasserversorgung: weitestgehend nicht existent. Und im klassischen Bürobereich gehts weiter: Standesamt? Meldeamt? Musste alles erstmal noteingerichtet werden. Und das ohne stabiles Stromnetz, EDV, Telefonanschlüsse... Die ersten Tage lief die Kommunikation der kommunalen Verwaltungen untereinander praktisch über private Handys der Mitarbeiter, mit Mailpostfächern bei denen Hardcoredatenschützern die Schädeldecke platzt, aber es gab halt einfach nix anderes.
Und zur Ebene der Kommunen muss man auf festhalten: klassische Stäbe zur Katastrophenbewältigung sind bis dato nicht kommunale Aufgabe, das beginnt beim Landkreis.
Die hiesige Kreisverwaltung, hatte immerhin knapp die Hälfte des Personals im Zugriff, aber an eigenen Schäden auch genug, bekanntlich nicht die beste alleroberste Führung..., aber selbst wenn, war die Selbstbetroffenheit für eine richtige Stabsmäßige Verwaltungsführung auf der Ebene noch zu groß. Bis zu der Ebene bin ich noch überzeugt: Das kann man so gar nicht planen oder gar üben. Das war in Feuerwehrsprache übersetzt: Einsatzauftrag Innenangriff 1. OG beim kritischen Wohnungsbrand, sie haben zu dritt den halb beladenen TSA zum Einsatz geschoben, in Badelatschen und Fahrradhelm, mit einer morschen Leiter und drei Flaschen Mineralwasser. Viel Erfolg.
Und die dann nächste Ebene, Land, tja... Ich versuchs mal wohlwollend zu analysieren: Man hat dort bei seinen Bemühungen, Infrastruktur wieder herzustellen und auch die Kommunen selber wieder handlungsfähiger zu bekommen, vermutlich nicht gedacht, wie schnell sich die unteren Ebenen schon wieder berappelt und selbstorganisiert hatten, hat sie daher zunächst quasi völlig außen vor gelassen. Diese Einschätzung, welchen Nutzen und wieviel Selbstverwaltung die Kommunen schon wieder darstellen könnten, hat der Einsatzleitung lange gefehlt. Dem gegenüber hat sich unten das Bild der Einsatzleitung vom "Heiligen Berg" geprägt, unter dessen Radar vieles (bis hin zum Ersatzbrückenbau) ablief, und in den Geschichtsbüchern wird das, wenn die ganzen Expertenmeinungen durch sind, wahrscheinlich wieder ähnlich wie schon beim Heidebrand 1975 dargestellt:...wütet zwischen den Entscheidungsträgern auf Landes- und kommunaler Ebene ein Kompetenzgerangel, das zu Verzögerungen und Missverständnissen führt. Infolgedessen agieren viele Einheiten eigenständig und erzielen nicht die erhoffte Wirkung. Die Ursachen dafür liegen hier allerdings ganz anders, und ich bin weiterhin der Meinung, dass die Hauptverantwortung dafür beim Land liegt, und nicht bei den sich selbst helfenden Kommunen.
Feuerwehrbeispiel: Trotz der deutlich angeschlagenen FW-Infrastruktur musste die Stadt ja irgendwie durchgehend den Grundschutz fürs weiter laufene, wenn auch deutlich gestiegene, Alltagseinsatzgeschehen leisten. Die erste überregionale Feuerwehr, die im Stadtgebiet die klassischen Grundschutzeinsätze übernommen hatte, war Schwäbisch Hall. Die standen Donnerstag, am 15.07.! schon vor Ort bereit, weil die Städte gemeinsam ein Energieversorgungsunternehmen betreiben, und die Stadtchefs sich kennen. Bis die Einheiten für diese Tätigkeiten mal vom Land organisiert wurden, sollten dann noch zwei Wochen vergehen. Vielleicht dachte man oben, das klappt ja unten auch so, oder hielt sich nicht für zuständig, dann kam auch noch die zeitintensive Beantwortung entsprechender Anfragen dazu... Bei der letztjährigen LBKG-Novelle in RLP hat das Land an manchen Stellen recht deutlich gemacht, gerade im Katastrophenfalle und aus den Lehren des 75er Heidebrandes heraus dann, wenn übergeordnete Einsatzleitung erforderlich ist, diese auch schlagkräftig und zeitnah auf alle Ebenen wirken muss. Das hätte man dann jetzt an manchen Stellen auch mal so tun müssen.
Ob dazu häufigere Übungen von Verwaltungsstäben oder erstmal die Bildung solcher Strukturen auch auf kommunaler Ebene weiterhelfen würden? Keine Ahnung. Die Schnittstellen, wie man kommunale Verwaltungen betroffener Kommunen in übergeordnete Einsatzleitungen einbindet, könnte man durchaus mal auf den Prüfstand stellen.
"In der Regel machen es die reinen Experten nicht gut. Das ist wie vor Gericht. Der Zeuge weiß, wie es war, versteht aber nichts. Der Gutachter versteht alles, weiß aber nicht, wie es war. Der Richter versteht nichts und weiß nichts, aber er entscheidet - nachdem er alle angehört hat." (Wolfgang Schäuble, Stern-Interview vom 20.06.2013)
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| 28.09.2018 17:14 |
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Bern7har7d D7., Schwetzingen (BaWü) Starkregen/Unwetter und der KatS | |