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Rubrik | Unfallverhütung | zurück | ||
Thema | Wieviel Sicherheit erträgt eine einsatzbereite Feuerwehrß | 25 Beiträge | ||
Autor | Jose8f M8., Bad Urach / BaWü | 578257 | ||
Datum | 25.08.2009 22:10 MSG-Nr: [ 578257 ] | 30441 x gelesen | ||
Einige Stilblüten die ich als Beispiel für die Diskussion nutzen möchte: Eine Leiter unter die Außenfensterbank zu stellen ist zwar praktisch, aber verboten weil im Fenster ja laut UVV 3 Sprossen Überstand sein müssen, deshalb dürfen wir das nicht... Im Brandeinsatz darf ich keine Lampe ohne Exschutz-Zulassung verwenden... Bailout darf ich nicht üben, weil das nicht in den Feuerweh(rdienst)vorschriften steht... Kurz und gut: Es gab mit Sicherheit im deutschen Feuerwehrwesen mal Zeiten, wo durch schlechte Ausrüstung, zu wenig Sicherheitsvorgaben und einen schlechteren Stand der Sicherheitstechnik eindeutige Verbesserungspotentiale leicht zu identifizieren waren. Allerdings waren es die Feuerwehrangehörigen es auch gewohnt, wenn es keine Regelungen gab sich selbst Gedanken zu machen - per Intelligenz und Menschenverstand. Ich bin seit 1993 in der Feuerwehr: Nicht übermäßig lange, aber immerhin lange genug um inzwischen die eine oder andere Tendenz zu erkennen. Und eine Tendenz die ich in den letzten 5 Jahren erkenne sehe ich mindestens kritisch. Ich versuche es mal am Beispiel eines Übungsdienstes zu erklären: __________________________ Wir spielen einen Brandeinsatz mit Menschenrettung, Brand im ersten OG eines Wohnhauses als spontane nette kleine Übung im Abrisshaus. Phase 1: Der verantwortliche Übungsleiter besichtigt zunächst das Übungsobjekt. Er sucht sich einen Raum in dem das Feuer (simuliert) sein wird und einen weiteren indem eine Rettungspuppe liegen wird. Er beschließt den Zugang praxisnah durch ein bestimmtes Fenster vorzugeben und zwei Türen auf den Weg zu blockieren. Eine sinnvolle kleine Übung, die an den Ausbildungsstand der Wehr angepasst ist und in richtigem Maß fordern und Selbstvertrauen schaffen soll. Phase 2: Der Gruppenführer spricht die Übung mit dem Wehrführer durch, der einverstanden ist, aber am Treppenantritt im OG einen Sicherheitsposten vorsieht, da sonst der vorgehenden Trupp im Disconebel abstürzen könne. Ob der Beobachter auch Atemschutz haben sollt da er längere Zeit im dichten Nebel steht sind sich beide nicht sicher und beschließen mal den Sicherheitsbeauftragten zu Fragen. Phase 3: Der Sicherheitsbeauftragte weiß es auch nicht aber empfiehlt im Zweifelsfall umluftunabhängigen Atemschutz für den Treppenposten, und da das dann ja ein Atemschutzeinsatz ist muss ein zweiter FA dabei sein damit es ein Trupp ist...Und dann muss es natürlich auch einen Sicherheitstrupp geben, am besten einen unabhängigen denn es könnte ja sein dass der übenden Trupp zeitgleich bei der Übung ein Problem hat...Sicherheitshalber weist der Sicherheitsbeauftragte noch darauf hin, dass er es sehr gefährlich findet im Rahmen einer Übung eine Fensterscheibe einzuschlagen, ob man diese nicht durch Einscheibensicherheitsglas ersetzen oder mit Folie abkleben könne? Der Gruppenführer überlegt, wo er aus den 12 AGT die vermutlich zur Übung kommen werden den Treppensicherheitstrupp und den Sicherheitstrupp für den Sicherheitstrupp für den Treppensicherheitstrupp abzweigen kann und die Übung dann noch die kompletten Maßnahmen einschließlich Belüftung darstellen soll. Aber egal, es geht um Sicherheit, Sicherheit ist wichtig, wir kleben auch die Scheibe mit Folie ab. Phase 4: Der Sicherheitsbeauftragte verbringt inzwischen eine schlaflose Nacht darüber, ob man überhaupt Atemschutzübungen mit Disconebel in einem Haus abhalten darf, das gar nicht die normativen Anforderungen für Atemschutzübungsstrecken erfüllt. Verzweifelt ruft er am nächsten Morgen den städtische Sicherheitsfachkraft an und schildert ihm das Problem mit maximaler Betroffenheit und persönlicher Seelenqual ob der Gefährdung der ihm anvertrauten FA. Die Sicherheitsfachkraft besorgt sich die entsprechenden Normblätter, einen Gebäudegrundriss, Sicherheitsdatenblätter des Disconebels und googelt über die Suchworte Disconebel, Asthma, Atemwegstrauma, PTSD und weitere. Nach einer kurzen abschätzenden Rechnung kommt er zu dem Schluss, das er das ganze befürworten kann, wenn eine Teil des Daches von Dachpfannen befreit und mit einer Plane abgedeckt wird, die in Verbindung mit den 3 Bereitgestellten Lüftern und der vorinstallierten inneren Objektbeleuchtung mit Strahlern auf Stativen dann in ca. 30 Sekunden das Objekt wieder in einen sicheren Zustand versetzen können müsste. Den Rest des Tages verbringt er damit, das Ganze aufzuschreiben und wilde Paragraphen aus dem STGB aufzulisten, die drastische Gefängnisstrafen bei Abweichung androhen. Phase 5: Am nächsten Tag ruft die Sicherheitsfachkraft noch den Kollegen beim GUV an, der auf die hohe physiologische Belastung bei solchen Atemschutzübungen hinweist und empfiehlt, RTW, RS und RA für den Fall der Fälle bereitzuhalten. Phase 6: Der Wehrführer tut das aus was ein Wehrführer tut: Er delegiert den ganze Kram der sich zwischenzeitlich in seinem Mailpostfach angesammelt hat an den Gruppenführer, der nicht rechtzeitig „Nein“ geschrien hat als jemand gesucht wurde der mal eine nette Übung ausarbeitet. Der Gruppenführer, im Zivilleben wirtschaftlich erfolgreicher Selbstständiger und Ausbilder für Lehrlinge ohne größere Unfälle seit 20 Jahren fragt sich, ob Schweinegrippe auch gaga macht und er jetzt erste Fälle davon in der eigenen Wehr hat. Aber egal, mit dem etwa 800 fachen Zeitaufwand, den er sonst für eine Übungsvorbereitung kriegt er das alles hin und kann zum entsprechenden Zeitpunkt die Übung laufen lassen. Phase 7: die Übung läuft an, der TF Atemschutztrupp kann auf der Leiter die durch die Folienbeklebung verstärkte Glasscheibe nicht sinnvoll kaputthauen und schlägt deshalb rundherum, um das ganze störrische Biest dann eben aus dem Rahmen herauszuschneiden. Als er die letzte Verbindung dieses Unseligen sicheren Übungsdingsdas durchschlägt, fällt es auf ihn drauf und haut ihn von der Leiter, worauf er sich beim Aufschlag den Unterarm bricht. Phase 8: Wehrführer, Sicherheitsbeauftragter und Sicherheitsfachkraft zum Gruppenführer: Wie konntest Du das denn bloß nicht bedenken, hast du denn kein Verantwortungsgefühl für Dein Personal? GUV-SiFa beim Lesen des Unfallberichtes: Gut dass ich dafür gesorgt habe dass da ein RTW stand... Phase 9: Gruppenführer hat die Schnauze voll, verlässt die Feuerwehr und spielt stattdessen lieber Tischtennis. Die Wehr analysiert das Unfallgeschehen, streicht zukünftig solche gefährlichen Ausbildungsinhalte und macht statt dessen nur noch im Sommer Wasserentnahmestelle offenes Gewässer und im Winter Sicherheitsunterweisungen. Für dieses innovative Unfallverhütungsprogramm wird sie im Jahr darauf vom Deutschen Feuerwehrverband als vorbildlich ausgezeichnet. ___________________________________ Ich habe die Befürchtung dass wir nicht mehr sehr weit davon entfernt sind. Was können wir dagegen tun? Diskussion erbeten! mit freundlichen Grüßen Jo(sef) Mäschle | ||||
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