„Mayday Mayday – Ketsch Nostaliga in distress –dl8ol/mm“
August 99, Höhe Reggio/Kalabrien, der Verfasser, seine Frau, der Kapitän und seine Frau sowie ein zyprischer Seemann sind auf dem Weg von Kyrenia/Nordzypern nach Rapallo/Italien.
Schiff: eine 16 Meter Ketsch mit Besegelung als auch Maschine.
Wetter an diesem Abend: Sturm der Stärke Neun, segeln war nicht mehr, als plötzlich die Maschine schweigt, nicht mehr in Gang zu bringen ist.
Jetzt wurde es eng, das Schiff trieb manövrierunfähig, die Küste recht nahe und in etwa zwei Seemeilen sah man einen hell erleuchteten Ort.
Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Grund für Sorge, das VHF-Gerät lief sowieso und eine Endlosschleife der italienischen Küstenwache „Guardia Costera“ erzählte uns, dass es eine Sturmwarnung für unsere Region gäbe..
Nett, so informiert zu werden, da wären wir nicht drauf gekommen.
Anruf, die Küstenwache möge sich bitte melden, tiefes Schweigen, nur das Band plärrte ununterbrochen..
Jetzt wurden wir etwas stiller, neuer Notruf, dieses Mal mit der nächsthöheren Dringlichkeitsstufe „Securité“ – Schweigen!
Unglaublich, ein dicker Kuhsturm und die Küstenwache pennt..
Jetzt wurde es wirklich eng, Peter, der Captain schoss Notraketen, die in dem Ort auch gesehen wurden.
Ein kleiner Vorgriff: Als wir am nächsten Tag die Fischer fragten, ob sie die nicht gesehen hatten war die nicht widerlegbare Antwort, man hätte geglaubt, dass wir ein Feuerwerk machen würden..
Internationale Notsignale werden von Seeleuten als Feuerwerk missverstanden.
Kann man mir verübeln, dass ich ein paar Tage später anmerkte, ginge es nach mir, würde alles südlich Rom an Libyen verschenkt??
Immer noch keine Hilfe, aber eine Möglichkeit hatte ich noch:
An Bord war meine Amateurfunkstation und jetzt wurde ich grimmig und gegen internationale Regeln (im Amateurfunk verboten, aber wir waren ja ein Schiff!): Gerät im 20 Meter Band abgestimmt und erst einmal:
„Mayday Mayday – Ship Nostalgia in distress- 37.53 North, 16.03 East Delta Lima Eight Osca Lima maritime mobile”
gerufen.
Sehr schlechte Funkbedingungen, Antenne war ein Langdraht von der vorderen Mastspitze in die Kajüte gezogen plus eine 2,5 Meter lange Jeepantenne, die Bordspannung brach auch langsam zusammen, keine Reaktion.
Dann aber hörte ich ein Funkgespräch in einer für mich unbekannten Sprache, egal, angerufen: „Mayday Mayday, DL8OL/mm“ – als der OM in deutscher Sprache zurück kam, „DL8OL Rapport 55 (recht schwaches Signal) sprechen Sie deutsch“
Ich glaube, es kann keiner ermessen, wie es einem in dieser Situation zu Mute ist, wenn man endlich Hilfe bekommt und dieses noch aus seiner Heimat.
Georg, dl4sv lebte in Stuttgart, war aber Grieche und sprach regelmäßig mit seinen Freunden im schönen Hellas..
Georg war eine Wucht!
Sofort bei der Polizei angerufen, die erst einmal zurück riefen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht veralbert wurden..
Ein Seenotfall mitten in Deutschland über die „110“, da dürfen leichte Zweifel erlaubt sein.
Jetzt ging das Drama richtig los.
Die Polizei verständigte die Bundeswehr (SAR), die rief einmal die deutsche Botschaft in Rom an und dann auch das Verteidigungsministerium in Rom.
Wer jetzt glaubt, dass die Dinge endlich in Gang gekommen seine, der irrt.
Der erste Notruf war um 21.00 UTC auf die Antenne gegangen (UTC-Internationale Zeit, bei uns je nach Sommer- oder Winterzeit plus eine oder zwei Stunden), inzwischen war es weit nach Mitternacht – und wir trieben immer noch hilflos, immer in Gefahr, irgend wo auf die Küste geschleudert zu werden..
Peter, der Captain versuchte nach wie vor verzweifelt über VHF. Internationaler Seenot – und Anrufkanal 16 Hilfe zu bekommen..
Jetzt kam etwas, was mich an der viel gelobten Kameradschaft auf See ernsthaft zweifeln ließ – in etwa einer Seemeile zog ein Großsegler, ein Kreuzfahrtschiff vorbei..
Oh doch, ich weiß, welches es war, über dieses Schiff habe ich später einen rührenden Fernsehbericht gesehen.
Die aber regierten nicht, warum auch, sollen die dösigen Freizeitskipper doch sehen, wie sie klar kommen, dafür das Bordleben stören und die Gäste erschrecken??
Fällt aus wegen "ist nicht.."!
Dann aber, plötzlich, ich glaubte es nicht, Hoffnung: „Attention Nostalgia this is Tankship Roembeck calling, give me your position! „
Roembeck, ein Zyperntanker - jetzt wurde es ganz verrückt - gehörte einer Reederei, dessen Chef ein persönlicher Freund unseres Captains (er lebte ja auf Zypern!) war.
Das aber stellte sich erst später raus.
Der Tanker war in 60 SM und kam jetzt, da wir ihm sagten, wir rollten auf die Küste zu mit dreimal Wahnsinniger angerauscht und machte erst einmal "Lee" für uns.. (er legte sich zwischen und und die Küste, damit der Wind uns da nicht drauf drücken konnte..)
Zwischenzeitlich haben wir heraus gefunden, warum die Maschine gestoppt hat: Schlicht kein Diesel.
Das aber konnte gar nicht sein, wir hatten während eines Aufenthaltes auf einer der Inseln die beiden Tanks, Back- und Steuerbord voll getankt..
Hier vorgegriffen: Einer der Tanks war leer und die Pendelleitung zwischen den beiden Tanks verstopft..
Der Tanker kam, meine mich immer noch liebende Frau hat sich vor Schreck in die Koje verzogen, als da plötzlich eine Riesenwand neben unserem Schiff auftauchte und es aussah, als wollte er uns unter sich begraben.
(Das sie den Tag böse seekrank war, das hat es ihr nicht leichter gemacht!)
Wir bekamen ein Fass Diesel übergeben und unser Peter erzählte dem Tankercaptain unsere Malaise..
Dabei kam auch die Sache mit dem Freund auf Zypern heraus..
(Das Fass Diesel hat uns leider nicht wirklich geholfen, da die Batterien flach waren und wir die Maschine nicht starten konnten..)
Der Captain schäumte vor Wut und er rief über Satellitentelefon jetzt persönlich in Rom an und hat die wohl so richtig aus ihren Schlafsesseln gejagt.
Jedenfalls tauchte jetzt- nach Stunden – endlich ein Patrouillenboot auf und nahm uns auf den Haken, um uns zu dem vorher schon erwähnten Ort zu schleppen.
So etwa 500 Meter vor der Küste schmissen sie uns vom Haken: Untiefen, sie könnten nicht weiter fahren....
Na gut, soweit waren wir also, Anker runter – ich glaubte es nicht, ich war verzweifelt, die Ankerkette, gute 200 Meter lang stand senkrecht im Wasser..
Das Patrouillenboot weg und meldete sich auch nicht mehr, die waren offensichtlich etwas genervt, weil wir ihren Schlaf gestört hatten..
Jetzt half nur noch eines: Unser Dingi, ein Zodiak mit einem 40 PS –Motor vor das Schiff gespannt und unter Land geschleppt.
Vorher hatten der Seemann und ich das „Vergnügen“, den Anker von Hand aus hochzuwinchen, mangels Bordspannung..
Am nächsten Tag, da kam es zu den vorher genannten Unterhaltungen mit den Fischern- mussten wir von einer Tankstelle jeden Gang etwa 200 Meter weg über die Straße und den sehr breiten Sandstrand 200 Liter Diesel in Kanistern heran schleppen..
Epilog: Diese ganze Seefahrt stand sowieso unter keinen guten Stern.
Das Schiff, das stellte sich hier bei heraus war ein echter Seelenverkäufer, mit dem sich unser Eigner und Captain hatte böse über das Ohr hauen lassen.
Die Fahrt selber – immer Nordwind, nie unter Windstärke 6, der aber auf Grund des Kamineffektes zwischen den griechischen Inseln immer höhere Windgeschwindigkeiten erreichte war für mich sehr hart.
Wer dort jemals gefahren ist, der wird es mir bestätigen: Das griechische Inselrevier ist gefürchtet und wird von Seglern gerne gemieden..
Ich war ein „Nichtbefahrener“, also in Seemann ohne Erfahrung und die musste ich jetzt auf ganz raue Weise erwerben, habe Dinge getrieben, die unglaublich sind.
So sprang ich einmal - hier lag das Schiff ausnahmsweise längst der Pier- von Bord an Land, als das Schiff von einer Bö erfasst und abgetrieben wurde.
Ich fiel jetzt zwischen Boot und Pier, als das Schiff wieder zurück schwoite..
(Ausnahmsweise längs der Pier: Im Mittelmeer ist es üblich, mit dem Heck an die Pier zu gehen und von dort aus eine Klapp-Gangway herunter zu lassen.
Das ist die sogenannte "Mediteranian Bridge")
Glücklicherweise standen dort ein paar Fischer, die sich mit uns unterhielten-
Diese rissen mich in buchstäblich letzter Sekunde nach oben.
Den Wettkampf : 20 Tonnen gegen Klaus, den hätte ich verloren.
Eine Geschichte aber, die möchte ich noch erzählen, weil sie mich immer wieder beschäftigt..
Seeleute sind abergläubig, das ist bekannt..
Ich zünde mir auf dem Achterdeck- wir saßen dort an einem der wenige ruhigen und sonnigen Abende zusammen – einen Zigarillo an einem Teelicht an, als mir der Seemann fast an die Kehle ging, jetzt hätte ich einen Seemann umgebracht....
Ich begriff gar nichts, bis der Peter mich aufklärte: Wenn einer (kann man ja mal ausprobieren!) in einer Hafenkneipe in Hamburg so etwas macht, dann riskiert er sofort eines auf die Nase, Tatsache..
Für mich lächerlich – bis wir am nächsten Tag – vorher und auch nachher nie wieder – gleich zwei Notrufe mit hören mussten..
Nummer Eins war ein Herzinfarkt des 1.WO eines Frachters, Nummer Zwei war ein Schiffsing. der ein Maschinenteil an den Kopf bekommen hatte.
Auch hier Hilfe auf See: Der Captain erbat Hubschrauberhilfe von der 6. Flotte, die gerade dort im Manöver war..
Abgelehnt, Windstärke Sechs war zu doll für die..
Nachtrag f.d Funkamateure unter uns:
Nachzulesen in : CQ-DL 9 und 10/99
Klaus Bethge
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