Ich bin „Ali ben Lösch“
Mr. Spok ist gerade dabei, dem Schiffsarzt der „Enterprise“ einen Vortrag über klingorianische Logik zu halten, als das Telephon klingelt.
Ich balle leicht die Fäuste, es hätte doch ein ruhiger Fernsehabend ohne Störungen werden sollen. Meine Frau ist vor Kurzem zum Nachtdienst gegangen, die Kinder toben im Kinderzimmer und wurden bereits einmal verwarnt.
Was soll es, das Ding hört nicht auf, mir mit dem Geklingel auf die Nerven zu gehen, packen wir’s!
„Bethge, guten Abend“ (immer höflich sein) „Guten Abend Herr B, hier ist H, Wache fünf! Wir haben ein Problem: Hier sind fünf dunkelhäutige Leute aufgelaufen und wir wissen nicht, wer die sind, was die wollen.. Können Sie nicht mal vorbeikommen?? Sie bekommen die Überstunde auch wieder!“
Aus dieser Überstunde werden dann insgesamt zwei sehr harte Jahre, die Jahre 1977 und 78.
Also, einmal mehr einen nett geplanten Abend abgehakt, es geht einmal mehr um meine Fremdsprachenkenntnisse. Das ist ja an sich interessant, mal etwas außerhalb des normalen Dienstes, aber mitunter auch etwas störend.
Auf der Wache sitzen in der Tat fünf recht braunhäutige Männer, die nun aufatmeten, weil da jetzt jemand ist, dem sie, alle zugleich, erzählen konnten, was sie eigentlich wollen. Sie seien doch die eingeladenen Iraker, die in Hannover studieren sollen und nun seien sie hier. Ist doch logisch oder?? Ich übersetze erst einmal, die Hintergründe kenne ich nicht.
Der inzwischen herbeizitierte Beamte vom Alarmdienst, ein Amtmann, klärt uns denn über auch seinen mangelhaften Wissenstand auf:
In einem Krankenhaus in Hannover arbeitet ein Oberarzt, der aus dem Irak stammt. Doktor A.-H., dieses allerdings stellte sich später raus, hat einen Schwiegervater in Bagdad, der die Vertretung einer großen bekannten deutschen Automarke leitet und dieser Mann hat der Regierung insgesamt 40 Rettungswagen verkauft UND gleich dem Irak zugesagt: Wir bilden zusätzlich die Leute des Rettungsdienstes in Hannover aus.
Dass man dazu erst mal den zuständigen Rettungsdienst, in diesem Falle die Berufsfeuerwehr, befragen muss, kommt ihm gar nicht in den Sinn. Er ist ein Mann von ungeheurem Einfluss, der seine Hände überall drin hat und später das auch sehr drastisch unter Beweis stellt, als sich einige Leute der Stadtverwaltung sträubig zeigen.
Die Feuerwehr wird also informiert, nicht gefragt, und dann geht das Theater los: Die kommen dann und dann.. Nein, jetzt kommen sie doch nicht! So, jetzt kommen die dann und dann - nein, das verzögert sich alles noch....
Der bisher zuständige Betreuer für Ausländer, der Kollege B., der auch die beiden Malawis betreut, wird nun sauer, er wolle auf Grund der ihm angetanenden Probleme sowieso nicht mehr: „So, und jetzt fahre ich in meinem Urlaub, macht was Ihr wollt!“, und weg ist er..
Ja, da sind sie nun, stehen auf dem Flugplatz, keiner holt sie ab, weil es keiner weiß, nehmen sich ein Taxi, welches sie zu der ersten am Wege liegenden Feuerwache bringt.
Was sollen wir machen, wir blitzartig blitzartig ein paar Betten, versorgen sie mit Tee und ich erfahr so ganz nebenbei: „Herr B. ab morgen Tagesdienst!“
Klasse, da kommt Freude auf, alle eigenen Planungen sind damit hinfällig, ob es mir passt wird gar nicht erst gefragt, das ist eben so!
Am nächsten Morgen erfolgt dann eine Krisensitzung mit dem Leiter der Abteilung AUSBILDUNG, der aus zwei Gründen etwas grimmig schaut:
Erst einmal ist es auch für die Feuerwehr nicht so einfach, schnell eine Ausbildung für Ausländer aus dem Stand heraus zu organisieren und dann mag der Mann mich nicht sonderlich, etwas, was sich später gründlich ändert!
Ich habe in der Feuerwehr ein grundsätzliches Problem: Ich bin bekannt als Mann der großen Klappe oder feiner ausgedrückt, als ein sehr kritikfreudiger Mensch, der nicht überall gleich gut ankommt. WAS man mir nicht zutraut, ich war ja ein relativ junger Kollege mit den ganz normalen Aufgaben des Brandschutzes und des Rettungsdienstes, dass ich sehr hart arbeite, wenn ich gefordert werde.
Diese Fähigkeit, wirklich hart arbeiten zu können, wenn ich eine Aufgabe erhalte, die mich auch fordert, das habe ich dann unter Beweis gestellt, und das überzeugend.
Herr St. hat also keine andere Wahl, als auf mich zurückzugreifen. Weitere Kollegen des Mittleren Dienstes mit guten Fremdsprachenkenntnissen gibt es nicht.
Auch der Chef schüttelt ahnungsvoll den Kopf, wir müssen jetzt erst einmal anfangen, ablösen können wir den B. immer noch.. Wie man sieht, es sind es also die fast idealen Voraussetzungen für ein gedeihliches Wirken. Keiner habe wirklich Lust, diese Sache anzugehen, aber wir müssen..
Diese Geschichte ist ein Novum, es gibt viele Dinge, über die wir uns zu dem Zeitpunkt gar nicht klar sind und die auch in späteren Aktionen mit den Afrikanern stark in Erscheinung treten: Was z.B. geschieht, wenn der Betreuer krank wird und ausfällt?
Mir ist genau das passiert, dass der Dienstarzt, Jahre später, zwangsweise eine Krankschreibung aussprechen will, als mich eine Bronchitis plagt, die nach seinem Bekunden drohte, in eine Lungenentzündung umzuschlagen.
Mit allergrößten Bedenken verabreicht er mir hohe Dosen an Antibiotika.
Hätten die nicht angeschlagen, ich weiß wirklich nicht, wie die Feuerwehr dann hätte mit dem Problem fertig werden können.
Ein indisches Sprichwort sagt: Wer den Tiger reitet, der kann nicht einfach absteigen.
Auch dieses hat sich auf Grund der neuen Kollegen, die sehr oft in irgend einer Form englisch können, geändert.
Ich selber habe nicht die geringste Ahnung von der ungeheuren psychischen Belastung, die, obwohl ich noch jung und recht belastbar war, zu psychosomatischen Problemen führen wie Schlaflosigkeit trotz des Gefühles der totalen Erschöpfung, Magenschmerzen und einer ungeheuren Nervosität, die weit in das Familienleben hineingetragen wird.
Der irakische Arzt ist diesen ersten Morgen nicht greifbar, - er steht im Operationssaal, - und schon gibt es gleich den ersten Ärger, einer der vielen folgenden.
Wenn ich heute die Wahl hätte, ob ich Afrikaner oder Araber ausbilden wolle, ich würde glatt sagen: Gebt mir zehn Afrikaner, aber bitte keine Araber. Das klingt hässlich, ich weiß es, aber es ist leider eine Frucht meiner Erfahrungen und der geneigte Leser, die freundliche Leserin wird es am Ende der Geschichte vermutlich verstehen.
Es fängt bereits damit an, dass von den fünf Leuten nur zwei überhaupt fließend Englisch sprechen, zwei sich verständigen können und einer nichts verstand!
Als wir dann erfahren, nach welchen Kriterien sie ausgesucht sind, da schauen wir uns nur noch an: Einer der Männer z.B. war der Leiter der Materialbeschaffung, soll in Kürze in Pension gehen und wird noch einmal zur Belohnung nach Deutschland geschickt.. Die Feuerwehr Hannover als Ferienlager, WAS sollten wir mit SOLCHEN Schülern??
Ich erfrage dann erst einmal den beruflichen Hintergrund und erfahre, dass sie sogenannte „Medizinalassistenten“ sind.
Dieses ist ein typisch englisches Berufsbild und liegt in etwa zwischen unserem Rettungsassistenten und einem Arzt.
Will jemand im Irak studieren, dann gibt es keinen Numerus Clausus wie bei uns, sondern eine Eingangsprüfung. Erreicht der Kandidat nicht die notwendigen Punkte, dann wird er nicht zum Vollstudium zugelassen, sondern kann eine Art Fachhochschule besuchen. Hier erfährt er in einem Zweijahreskurs die notwendigen Kenntnisse, mit denen er draußen auf dem flachen Lande hilfsweise selbständig praktizieren kann, etwas, was z.B. in Afrika noch heute allgemein üblich ist.
Dort, wie auch im Irak und anderen „Dritte Welt-Ländern“, arbeiten die „Medical Assistants“ dann in kleinen Gesundheitszentren im Busch und auf dem Lande und nehmen schon die Aufgaben eines Arztes war.
Der Irak ist ein totalitäres System, es liegt keineswegs bei den Absolventen, was sie später machen möchten, sondern das geht so:
Lehrgang von 30 Mann,
„Die ersten zehn gehen in die Krankenhäuser, die zweiten zehn in den Rettungsdienst und die dritten zehn auf das Land!“
Die theoretischen Kenntnisse sind sehr gut, die praktischen gleich Null.
Es ist jedes Mal schlicht eine Qual für die „Herren Semi-Akademiker“, wenn sie eine Trage anfassen und schleppen müssen, das ist einfach unter ihrer Würde. Hierzu werden noch einige Beispiele folgen.
Leider hat gerade diese erste Gruppe, es waren am Ende fünf, sehr viel kaputt gemacht. Einer der Männer ist ein fanatischer Muslim, Fuad, ein Fundamentalist vor dem Herren.
Eines Tages erklärt er mir, er hätte die Deutschen immer für ein für ein kulturell hochstehendes Volk angesehen! „Ich denke schon, dass wir das sind!“ Bei so etwas reagiere ich sehr empfindlich.
„Kann ich nicht glauben, was ich DA wieder gesehen habe...“ „????“
Es stellt sich raus, dass die Helden einen Gang durch den Rotlichtbezirk gemacht und dann in einer Stripbar gelandet sind und nicht verstehen, dass so etwas möglich ist. „Verdammt noch mal, Ihr habt doch gewusst, was euch erwartet, wieso seid ihr denn da hingegangen??“ „Wir wollen nur mal sehen, ob es stimmt, was man sich so erzählt!“
Erst aber sitzen wir noch im Büro des Herrn St. - und Fuad fragt an, wann sie denn mit dem studieren anfangen würden! „Wieso studieren? Bei uns lernen Sie, wie man praktischen Rettungsdienst macht!“ „Nein, dazu sind wir nicht hier! UNS wurde gesagt, dass wir hier an der Universität studieren sollten!“
Stimmt kein Wort davon, Herr St. lässt den Doktor A.-H. an das Telephon rufen. Die Ausrede: Ich habe keine Zeit zieht jetzt nicht mehr, denn letztendlich kann man nicht einfach irgendwelche Leute bei uns abladen und sich dann nicht mehr drum kümmern.
Das hat echten Ärger gegeben, der Fuad gibt keine Ruhe, ruft hinter unseren Rücken seinen Botschafter an, um sich zu beklagen, dass wir ihn am studieren hindern würden. Dass er nicht einmal die Mindestanforderung: deutsche Sprache beherrschte stört ihn nicht, seiner Meinung nach müsste ein Land wie Deutschland doch englische Vorlesungen anbieten!
Der Botschafter wiederum macht sich erst einmal schlau und pfeift ihn fürchterlich an, was den Mann, seine Beharrlichkeit muss man ja loben, keineswegs hindert, noch weitere vier Mal in Bonn zu intervenieren, bis es dem Botschafter zu dumm wird und er ihn mit sofortigem Rückflug zwecks „Strafantritt“ droht.
Wer die Nachrichten verfolgt, kann sich ungefähr ausmalen, was der irakische Staat mit seinen Leuten machte, wenn die das Ansehen des Landes schädigen.
Gleich mal im Vorfeld, damit ich gar nicht erst in den Ruf komme, voreingenommen zu sein, ein kleines Erlebnis, welches die Probleme aufzeigt:
In jedem Lehrgang gibt es Stunden, wo man aufgrund von außen herangetragener Umstände Leerlauf hat, den man dann sinnvoll überbrücken muss.
Ich setze eine Unterrichtstunde an und versuche, ihnen die Grundbegriffe der Ersten Hilfe ohne geeignete Hilfsmittel darzulegen:
„Ihr seid zu Hause, eure Frau hat eine Schale mit heißem Wasser auf dem Tisch und die wird von Eurer kleinen Tochter heruntergerissen und verbrennt ihr die Beine, was tut ihr?“
Wir rufen den Rettungswagen!“ „Fein, aber der braucht mindestens eine halbe Stunde, irgend etwas müsst Ihr nun machen!“ „Nein, wir warten auf den RTW!“
„Nein, Himmel noch einmal, ihr müsst das Kind doch erst einmal notdürftig mit etwas Sterilem abdecken!“ „Das macht der RTW!“ „Und was ist z.B. mit einem frisch gebügelten Taschentuch oder Kopfkissenbezug?“ „Nein, das ist alte und unmoderne Methode, das machen wir nicht!“
Ich war am verzweifeln, ALLES wie z.B. eine Krawatte, um einen gebrochenen Arm in eine notdürftige Schlinge zu legen usw. wird kategorisch abgelehnt.
Das ich keine Ahnung habe ist sowieso bekannt, denn sie machen mir sehr schnell klar, dass wir nur die Feuerwehr und deshalb in moderner Unfallrettung sowieso nicht kompetent seien. Dieses zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Aktion.
Einer meiner Aufträge ist, ihnen zu zeigen, wie Technische Hilfe und Unfallrettung Hand in Hand gehen.
„Das interessiert uns nicht, wir sind vom Rettungsdienst!“
Die Überheblichkeit ist ungeheuer und ich habe bald die Nase voll, sagte das auch ganz deutlich dem Herrn St. und bitte um Ablösung.
„Herr B. BITTE bleiben Sie dran, wir können es nicht ändern, wir müssen da durch!“
Er ruft die Leute in sein Büro, pfeift die gewaltig an und da das auch nicht fruchtet stellt er dem Doktor A-H. vor die Alternative, jetzt für Abhilfe zu sorgen, denn „Wenn der Herr B. aufhört, und zwingen kann ich ihn nicht, (was bei Dr. A.-H. auf ungläubiges Erstaunen stößt!) dann läuft hier nichts mehr!“
An dieser Stelle muss ich etwas anfügen: Diese Leute sind zusammengewürfelt, teilweise auch gegen ihren Willen zu uns kommandiert und auf ihre Aufgabe überhaupt nicht vorbereitet.
Sie sind in keiner Weise bereit, mit unseren Kollegen zusammen zu arbeiten, sondern stehen mit den Händen in den Taschen dabei, wenn die Kollegen der Feuerwehr eine Trage die Bahnböschung hoch schleppen, was diese nun wiederum in Wut bringt, eine Wut, die ich auch dann von dieser Seite zu spüren bekomme.
Später habe ich dann Gelegenheit, den Stellvertretenden Gesundheitsminister in Bagdad zu sprechen und der fragt mich, wie ich denn über seine Leute denken würde.
„Exzellenz, soll ich diplomatisch sein oder deutlich?“ Ich sehe nur noch aus den Augenwinkeln heraus, wie der Leiter des Roten Mondes („Red Moon“ oder „Red Cescend“!) in seinem Sessel verschwindet. „Na, die Wahrheit natürlich!“
Ich habe mich dann doch bemüht, die Dinge ein wenig diplomatisch darzustellen, habe angeführt, dass man in einer Gruppe von fünf Mann immer sehr unterschiedliche Charaktere von gut bis unbrauchbar haben würde usw. usw. und habe dann ganz deutlich gesagt, dass wir mit Leuten, die nicht wollten eben nichts anfangen können, es letztlich ihr Geld sei, was vergeudet würde und unsere Zeit und Mühen.
Honourable sagt kein Wort zu dem Thema, er nimmt nur die Brille ab und schaut den Leiter des Rettungsdienstes. Dr. Al Sobadi, lange an.
Nach meinem Aufenthalt in Bagdad kommt noch eine weitere, die fünfte Gruppe, und die sind fantastisch!
Davon sitzt keiner irgendwo auf dem Zimmer herum und liest eine Zeitung (die ich immer besorgte). Wenn ich die suche, dann waren die dabei, eine Trage aufzubauen, sich den Arztkoffer vorzunehmen oder aber sie waren auf irgend einer Krankenstation (Krankenhausausbildung steht ebenfalls auf dem Plan) und kleben den Ärzten an den Kitteln. Leider konnten sie die Dinge, welche die anderen Gruppen im Vorfeld zerstört haben, nicht wieder kitten.
Einer dieser Schüler ist übrigens der Leibsanitäter des Saddam Hussain.
Mit ihm habe ich mich lange unterhalten, und da ich ja zwischenzeitlich in Bagdad gearbeitet habe, hatte ich nun natürlich so einige Einsichten.
Tatsache ist, dass der Präsident zumindest zu dem Zeitpunkt (Er war gerade an die Macht gekommen) von seinem Volk wirklich geliebt wird.
Ich kann und mag hier keine politischen Ansichten äußern, aber die Dinge sehen immer sehr verschieden aus, je nach dem, von welcher Seite aus man sie betrachtet!
Die später bekannten Scheußlichkeiten, die in den Krieg mit den USA
führen gibt es zu dem Zeitpunkt noch nicht, das alles geschieht lange nach meiner Zeit.
Was bin ich froh, dass das dann aufgrund des irakisch-iranischen Krieges zum Stillstand kommt.
Eine nette Situation möchte ich meinen Lesern jedoch nicht vorenthalten:
Auf Grund meiner speziellen Aufgabe in der Bundeswehr bin ich, mehr als üblich, wenn auch da in Grundzügen, über Themen wie Terrorismus und Nachrichtendienste informiert.
Mir ist bekannt, dass ein Teil unserer Terroristen, Stichwort RAF und Baader-Meinhof, auch im Irak geschult werden, an einem Platz namens Habanija.
Habanija aber ist auch ein Naturschutzpark und Feriengebiet. Was da sonst noch so läuft, dass weiß der normale Iraker mit Sicherheit nicht.
Der Minister fragt den Leiter des Rettungsdienstes, was er denn so an Programm für mich habe. „Ja, einmal Babylon (prima) usw. und dann Habanija!“
„Verzeihung Exzellenz, Habanija bitte nicht!“..
Der Minister schaut mich sehr nachdenklich an, während Dr. Al Sobadi offensichtlich überhaupt nichts damit anfangen kann, dass ich dieses sicherlich sehr interessante Angebot so kategorisch ausschlage.
Doch erst einmal zurück nach Deutschland, hier erhalten die Männer durch mich überwiegend praktischen Unterricht am RTW und seinen Geräten. Es ist schlicht ein Drama!
Sie wollen nicht, und ich werde immer sturer!. Nicht geklappt? Noch einmal Leute. Großes Gemeckere, interessiert mich nicht, ich muss für eure Ausbildung gerade stehen und lasse es nicht zu, dass man mich für unfähig hält, Basta!
Leider gibt es für mich grundsätzlich keinen „Feierabend“ in dem Sinne. Wer so eine Aufgabe übernimmt hat kein Wochenende, keinen pünktlichen Feierabend.
Man kann die Leute nicht einfach um 16.00h auf der Wache abgeben und dann nach Hause fahren, es muss eingekauft werden und der Versuch einer Betreuung der Gäste wird auch erwartet.
Am Wochenende bin ich zumindest den Samstag mit ihnen zusammen, um irgend wo hinzufahren und zu versuchen, ihnen etwas von der wirklich interessanten Umgebung Hannovers zu zeigen. Im Grunde kann ich es bei den ersten vier Gruppen vergessen, aber ich habe eben mein Bestes gegeben.
Sie gehen nach zwei Wochen auf den RTW, d.h.: ich solle sie jeden Morgen pünktlich um 07.00 h abholen, um sie mit einem VW-Bus über die Wachen zu fahren und dort bei den RTW-Besatzungen abzugeben.
Das hat nie geklappt, sie sind nie fertig und erklären, dass Pünktlichkeit auch für sie wichtig sei, aber eben nur bei wichtigen Dingen!
Hier ist mir dann echt der Kragen geplatzt, denn ich halte es schlicht für eine Rücksichtslosigkeit, jemanden wie einen dummen Jungen stehen zu lassen.
Auf Anraten des Herrn St. bin ich dann einmal einfach losgefahren und lasse einen einfach zurück. (Sehr zur Freude der RTW-Besatzung, die diesen Tag unbehelligt blieb). Heissa, das gab aber ein Geschrei. „Kannst du nicht machen, wir werden uns beschweren!“ „Oh bitte sehr, könnt ihr haben!“
Zum Thema „Unpünktlichkeit“ höre ich später von den irakischen Kollegen folgende Geschichte:
Nazir, einer der Leute des dritten Lehrganges, wird im Irak in das finsterste Kurdistan strafversetzt. Folgendes passiert: Der Präsident will über Land fahren und weil ihm aus irgend einem Grunde seine Ambulanz nicht zur Verfügung steht wird der Rettungsdienst beauftragt, eine Besatzung mit Fahrzeug abzustellen.
Morgens um 06.00 h steht alles bereit, der Präsident trappelt auf den Füßen und fingert fast schon an der Pistole - der Rettungswagen fehlt.
Der Dr. Al Soboadi wird aus dem Bett geklingelt, hat keine Erklärung und schickt den nächsten verfügbaren Wagen hin, damit die Kolonne endlich abfahren kann.
Nazir, befragt, was er sich dabei gedacht habe antwortet in aller Unschuld: „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass der Präsident so früh aufsteht!“ MORGENLAND!
Das Verhältnis zwischen den hannoverschen Kollegen und den Irakern ist mehr als gespannt und macht mir das Leben zusätzlich schwer.
In einem anderem Kapitel erwähne ich die Unterschiede der BF der damaligen Zeit und der Feuerwehr von heute.
Damals sind die Fremden einfach Störfaktoren, dann kommt das Problem der Verständigung dazu, welches sehr schwer wiegt.
Was soll ein Kollegen im Einsatz mit jemanden machen, der ihn absolut nicht versteht? Kurz, es kam zu wirklich dramatischen Streitereien und ich immer mitten drin!
Heute käme kein Kollege auf den Einfall, den Gästen kurzerhand einen ganzen Topf voller Pfeffer in das Essen zu kippen und Ähnliches, teilweise auch Schlimmeres, damals aber werden die deutschen Kollegen von einem Wachabteilungsleiter, einen alten Hauptbrandmeister, noch zusätzlich aufgeheizt.
Sie sind alles Muslime (obschon es im Irak entgegen landläufiger Meinung ca. 25 % an koptischen Christen gibt!) und ich persönlich achte immer sehr darauf, dass sie da nicht „angetastet“ werden - nur kann ich eben nicht überall sein.
Mir erzählen die Kollegen der Wache fünf brüllend vor Lachen, dass ausgerechnet der Fuad, der Fundamentalist, mit ansehen muss, wie der Wachclown „Ali Mente“ (siehe Kapitel: Streiche) ein Handtuch auf den Boden legt, sich raufschmeißt und wie ein Wilder „Allah u Akhbar“ brüllt.
Würde so etwas heute passieren (passiert nicht!) und der jetzige Amtsleiter würde dahinter kommen, der Übeltäter bezöge einen gewaltigen Tritt in den Hintern.
In der Zeit liefert ein Essensdienst Menüs nach Wunsch an und ich bestelle für den irakischen Kollegen, der nicht ein Wort englisch spricht, eine Rindfleischsuppe.
Ich merke es schon, ich komme nach meiner Rundtour wieder auf die Wache, - dicke Luft.. Wenn Kollegen schon so überfreundlich sind und grinsen, dann stimmt da was nicht. Aus den Augenwinkeln sehe ich den Faruk auf dem Hofe hin und hertigern, von einem Bein auf das andere trappeln. Er wartet offensichtlich auf mich, traut sich aber nicht, mich mit den Kollegen zu treffen.
„Leute, ehrlich, was ist los??“ „NICHTS, können diese Augen lügen?“
Gehen wir es an, Faruk zieht mich sehr bestimmt in die Küche, wo sein Essen noch steht und gestikuliert und überfällt mich mit einem Schwall von Worten, von denen ich keines verstehe. „Leute, ich werde sauer und dann kracht es! WAS WAR LOS?? „ Na ja, sie kommen dann damit raus. Faruk hat gerade den ersten Löffel in halber Höhe, als ein Kollege an ihm vorbeigeht und wie ein Schwein grunzt! AUS!!
Ich versucht ihn durch Gesten zu beruhigen, aber erst am Abend, als ich alle wieder eingesammelt hatte, kann ich das über den Umweg anderer irakischer Kollegen mittels Englisch/Arabisch dann klären.
Auch das würde heute einfach keiner wagen, ich glaube auch nicht, dass das einer tun wird.
Wagen waschen ist nicht drin, das machen sie einfach nicht, wobei es bei den Kollegen in Hannover absolut dienstgradtunabhängig ist.
Ist der RTW verschmutzt, dann wird er von allen, ob Anwärter oder Hauptbrandmeister, gemeinsam gereinigt.
Auch hierzu ein Schlüsselerlebnis aus Bagdad: Wir fahren zu einem Hausunfall, bei der sich die Dame des Hauses an heißem Wasser verbrüht hat.
Die ganze Familie steigt in den Wagen ein, ein Dodge-RTW, bei dem es einen Durchgang von der Fahrerkabine nach hinten gibt.
Das erste Drama passiert schon, als ich der Frau das Kleid hochschiebe, um die Brandwunde mit steriler Gaze abzudecken und prompt von dem Ehemann fürchterlich was auf die Finger bekomme.
Der Kollege vorne sieht das und dann geht erst einmal ein Riesengeschrei los, ich verstehe nur aus allem heraus:“..Hakim Alimani“ (Deutscher Arzt). So schnell kann man Karriere machen, auf jeden Fall darf ich jetzt arbeiten.
Während der Fahrt übergibt sich einer der Söhne, was ja passieren kann.
Nun muss ich dazu erzählen, wie eine Rettungswache personalmäßig besetzt ist:
Einmal der Rettungsspezialist, der rettet, dann der Fahrer, der fährt und der Cleaner, der für die Reinigung und das Kochen von Tee zuständig ist - und diese Aufgaben werden strikt eingehalten. Ein Fahrer, der den Medical Assistant unterstützt, das gibt es nicht!
In Deutschland käme wohl kaum eine Besatzung auf den Einfall, mit einem derart verschmutzten RTW zur Wache zu fahren - hier steigen wir ein und ich moniere das laut. „Das macht nachher unser Cleaner!“ „Und wenn ihr jetzt einen neuen Alarm bekommt??“
Der Mann guckt mich sehr böse an, aber er wagt es einfach nicht, da so drüber wegzugehen. Er weiß nur zu genau, dass ich dem Dr. Al Sobadi jeden Abend berichten muss. Also stapft er von hinnen, ich denke, dass er jetzt einen Eimer und ein Wischtuch holt. Kein Stück, der ist solange durch das Krankenhaus getappelt, bis er einen Cleaner gefunden hatte.
Was mir auch sehr unangenehm aufgefallen ist: Als ich dann in Bagdad auftauchte, da waren alle meine Eleven plötzlich zu „Direktoren“ geworden, sitzen an einem Schreibtisch und geben Anweisungen. SO haben wir das nicht gemeint, wir haben die Hoffnung, dass sie ihr Wissen weitergeben, aber das tut keiner. Der Andere könnte ja plötzlich besser werden als man selber!
Doch noch einmal zurück nach Hannover, und das soll es dann mit diesen Dingen gewesen sein, Dinge, die mir wichtig sind, zu erzählen, weil ich immer wieder den Vorwurf höre, ich würde nur durch die Gegend fahren und schlau reden:
Ich bin der absolute Anti-Fußballer, mein Sport ist immer Judo und Schwimmen.
Herr St, kommt eines Tages an: „Herr B. , ich habe hier ein paar Karten für das Spiel Hannover 96 gegen, ach was weiß ich, gehen Sie da mal mit hin!“
„Herr St. BITTE lassen Sie mich heute mal zufrieden, ich frage mal einen Kollegen, ob er nicht mal auf diese Weise zu einem Spiel kommen möchte!“
„Soll mir recht sein!“
Riesengeschrei: „Klaus, entweder mit dir oder gar nicht!“ „Leute! MAL möchte ich auch Feierabend haben, was soll das??“ „Nein, entweder oder!“ Nun wurde ich ernsthaft sauer, meine Nerven lagen blank, ich Herrn St. angerufen und die Geschichte erzählt. „Na, macht doch nichts, dann gehe ich mit denen hin, MICH werden die ja wohl nicht ablehnen!“
Man sollte meinen, dass wir die ideale Lösung gefunden haben - weit gefehlt!
„Mit welchem Wagen fährt Herr St. ?“ „Was weiß ich, nehme aber an, in dem
VW-Bus“ „Dann können wir leider nicht mitkommen?“ „Passt mal auf, wenn Ihr mich hier verarschen wollt, dann könnt Ihr mich!!!“
„Nein, die Sache ist doch so: Wenn Herr St. uns mit seinem Wagen fährt, dann sind wir seine Gäste, wenn er aber den Feuerwehrwagen nimmt, dann ist er unser Chauffeur und das können wir bei dem Dienstgrad nicht akzeptieren“
Ich habe mich einfach umgedreht und bin schweigend weggegangen, mir reicht es!
Dienstgrad: Gründonnerstag Abend, eine Pause zwischen zwei Ausbildungen, ich freue mich so richtig auf ein paar ruhige Tage, mein Vater ist aus Hamburg zu Besuch gekommen, es klingelt das Telephon:
“ Guten Abend Herr B. St. hier, wie geht es ihrer lieben Familie??“ „Danke Herr St, gut und der ihren ??“ „Oh , auch gut, danke...“
Pause, dann: „Herr St, also nun mal raus mit der Sprache, WER um Himmels willen steht den JETZT auf der Matte?“ „Es ist mir wahnsinnig peinlich (was mit Sicherheit der Wahrheit entsprach!), Dr. Al Sobadi ist hier!“
Ich werde wahnsinnig, ohne Vorankündigung, weiß der doch als sehr weit gereister Mann, dass in der christlichen Welt zu Ostern gar nichts läuft.
Was nun? Wir , sowohl Herr St, mit seiner Bitte als auch ich haben gar keine Wahl, ich höre mir ein paar sehr hässliche Worte von meinem Vater an (Übrigens NIE von meiner Frau, obschon das für die eine sehr große Belastung ist!), der kann mich mal!, - was ja auch nicht nett ist, aber irgendwo war die Grenze überschritten. Ich ziehe los und mache den Dr. die Tage, wo nichts bei uns lief, lustig.
Was mich dann tief getroffen hat: er bringt auch Geschenke mit, für den damaligen Amtsleiter, der ihn nie getroffen hat, Herrn St, den Oberbürgermeister usw. aber nichts für mich!
Ich bin ziemlich traurig, denn wenn er ohne was genommen wäre, dann wäre das ja egal gewesen, aber mich, der die ganze Arbeit leistet, einfach zu ignorieren, das ist nicht optimal..
Hier bin ich jetzt so gekränkt, dass ich das dem Dr. A-H., dem Arzt aus dem hannoverschen Krankenhaus, mal ganz deutlich sage, was ich von solcher Art halte, und bekomme von ihm eine sehr interessante Erklärung:
Wenn ein irakischer Soldat im Alleingang eine ganze feindliche Stellung aufrollt und damit schlachtentscheidend handelte, dann war das seine Pflicht, Ende und aus!
Den Orden wird sein Kommandeur bekommen, weil er ihn ja entsprechend ausgebildet hat..
Dr. Al Sobadi hat also nicht unfreundlich gehandelt, im Gegenteil, er war sehr freundlich und sehr zugänglich, er war schlicht nicht auf den Gedanken gekommen, dass er mich auch bedenken soll. Mein Dienstgrad war eben zu niedrig.
Bei seinem nächsten Besuch hat er mir, Pfeifenraucher wie ich, eine sehr schöne Pfeife gekauft, die ich heute noch habe!
So, das soll es aus Hannover gewesen sein, - ich hätte noch Dutzende von solchen Geschichten, die sich alle irgendwie ähnelten.
Ach ja, es wird Zeit, das Geheimnis der Überschrift zu lösen: Das ist mein neu erworbener Spitznahme in der Feuerwehr, und als ich das den Irakern erkläre, höre ich ein donnerndes Lachen, das gefällt ihnen!
Ja, und dann fährt Herr St. nach Bagdad, als Dank für die Arbeit, die wir, er als Teamleiter, leisteten.
Ich habe es nicht anders erwartet, Herr St. macht sich auch seine Gedanken, aber das ist eben so. Irgendwie muss das Dr. A-H. aber sauer aufgestoßen sein, denn mit einem Male war auch eine Einladung für mich da.
Dass da die Feuerwehr erst einmal blocken will, war klar. Angeblich bin ich unabkömmlich (Ist ja nett, wenn man auf diese Weise seinen Stellenwert erfährt!), aber unser damaliger Dezernent, der die ganze Sache sehr aufmerksam verfolgt, spricht ein Machtwort und ich kann fliegen.
Übrigens: Er spricht noch einmal ein Machtwort, als er vom Kollegen Siegfried H., damals noch Personalratsvorsitzender, darauf angesprochen wird, dass ich trotz meines bewiesenen Leistungswillens zum dritten Male bei der Beförderung übergangen sei.
Wie ist das noch mit dem Kollegen Horst B. und seiner Arbeit mit den Malawis?
Ich muss sagen, dass ich in Bagdad ganz anders behandelt werde, ich habe nicht den geringsten Grund zur Klage, im Gegenteil!
Den ersten bleibenden Eindruck ich hinterlasse ich, als ich im Hauptquartier ankomme und dort die Damen der Zentrale sehe, wie sie mir juchsend zuwinken.
Nun ist Höflichkeit meine Haupttugend, ich jumpe kurzerhand durch das offene Fenster und begrüße sie formvollendet.
Dass mir eine der jungen Ladies dann voller Staunen sagt:“ Oh Klaus, du hast Augen wie Sterne (meine Augenfarbe ist blau!) „ schlägt mich allerdings erst einmal um..
Die Gastfreundschaft ist wirklich enorm, mit Freude erinnere ich mich noch an den Abend mit Dr. Al Sobadi, als wir zusammen zu einem Strandrestaurant am Tigris gehen und ich dort von ihm persönlich - zurückzucken wäre eine bittere Beleidigung gewesen - mit Reisbällchen und gerollten „Masgouf“, einen gegrillten Barsch, gefüttert werde.
Natürlich will und soll ich auch auf dem RTW mitfahren, ich sollte ja sagen, wo es hakte. Überall!
Ich sitze beim Doktor in seinem Büro, als ein Funkspruch ankommt, einer meiner Leute, noch nicht Direktor, ruft um Hilfe. Er kommt mit einem Herzanfall nicht klar! Ich schaue nur noch nach unten, schäme mich, dass das passieren kann, haben die denn so gar nichts gelernt?
Jetzt erinnere ich mich an die letzte Prüfung in Hannover, im Beisein von Herrn St. und Herrn Dr. A-H., - offensichtlich sieht Herr St. dass mir fast die Tränen in den Augen stehen, dass ich am Verzweifeln bin.
Er klopft mir nur auf die Schulter: “Kopf hoch, kann nur besser werden..“ und spricht dann vice versa ein paar längere Worte mit Herrn Dr.A-H. Dass von der Seite kein Spruch kommt ist für mich Beweis, dass er das jetzt sehr genau verstanden hat.
Was in der Abschlusskonferenz der Araber unter sich besprechen, ich weiß es nicht, obwohl ich dabei bin, aber es muss recht heftig sein.
(Nicht vom Ton her, aber wohl vom Kontext).
Jedenfalls, so einiges habe ich ja zwischendurch aus Bagdad erzählt, aber einige Begebenheiten möchte ich noch anfügen.
„Meine“ Rettungsstation befindet sich in den Außenbezirken von Bagdad auf dem Gelände einer Zahnklinik. Abgesehen davon, dass die bildhübsche Zahnärztin, als ich sie neugierig besuche, gleich die Zähne renovieren will und recht enttäuscht ist, als ich ihr sage, ich wäre just für diese Reise noch mal bei meinem Zahnarzt gewesen, habe ich eine sehr nette Unterhaltung mit einem irakischen Polizisten, der mal hereinschaut, um zu sehen, ob für ihn ein Tee abfalle.
. Er kennt die Leute ja alle und ist nun erstaunt, da einen Fremden zu sehen. Wir haben uns herrlich unterhalten, er verstand drei Worte englisch, ich hatte mir inzwischen fünf Brocken Arabisch angeeignet und das genügte bereits, der Rest wurde mit Zeichensprache und viel Lachen abgehandelt..
Er geht wieder los, ich entscheide mich, jetzt ein wenig spazieren zu gehen, was ich mir bei den Ausrückzeiten ohne weiteres erlauben kann.
Plötzlich stellt sich mir „mein“ Schutzmann in den Weg. sehr freundlich aber auch sehr bestimmt:“ la la Mister!“ („Nein nein mein Herr!“) Was ist denn nun wieder los? Der Einfachheit halber nehme ich ihn an die Hand und ziehe ihn wieder in die Wache, „Leute, was ist los?“ Palaver, ernste Gesichter, „Klaus, du sollst da nicht spazieren gehen!“ „Ich denke, ich kann mich überall frei bewegen?“ „Natürlich, aber da bitte nicht!“ „Warum denn nicht??“ „Spezialpolizei!“
Mehr war nicht heraus zu bekommen. Ich erzähle die Geschichte am Abend beim Treffen mit dem Doktor, der versteht gar nichts, holt sich meinen Wachleiter, wieder Palaver, ernste Gesichter, ich dränge, will es nun wissen! Ich Armer bin ausgerechnet vor dem Gebäude des irakischen Geheimdienstes gelandet! So etwas kann, glaub ich, nur mir passieren.
Es gäbe viel von Bagdad zu erzählen, der wunderbaren Flussfahrt auf dem Tigris, dem Besuch in Babylon, ich könnte von dem Besuch in der Medikamentenfabrik erzählen, die im ersten Golfkrieg als angebliche oder wirkliche Giftküche niedergebombt sind, (Ich habe da nur Medikamentenproduktion gesehen) ich sehe heute noch die Tigrisbrücke vor mir, die von mehreren Cruise Missiles zerstört wird, vom Al Zhaura Park mit seinen alten Kunstwerken und der arabischen Bar, in der es ein recht gutes Bier und den unvermeidlichen Arrak gibt, von der Karawanserei, in der ich zum ersten Male eine Huka, die Wasserpfeife, rauche.
Ich müsste schon mit meiner Ankunft auf dem Flughafen beginnen, wo mich einer meiner alten Schüler, einer der wirklich netten, die es natürlich gibt, erzählen und den beiden Herren, die so unauffällig aussahen, dass sie am besten ein Schild „Geheimdienst“ an der Brust getragen hätten und die mich ohne jeglichen Halt durch Pass- und Zollkontrolle lotsen.
Die Passkontrolle dauert etwas länger, aber da war ich nicht dabei, ich warte und bekomme zum ersten Male den arabischen Tee kredenzt und leide das erste Mal. Der Tee - es sind grüne Blätter, die einfach in ein Wasserglas geworfen und dann mit kochendem Wasser übergossen werden. Um das Ganze dann geschmacklich abzurunden wird ungefähr die Hälfte des Glases mit Zucker aufgefüllt.
Bei der Feuerwehr bin ich selbstverständlich auch, großer Bahnhof, eine gute Übung, wenn auch einfaches Gerät, und mir wird ein Helm mit einem Widmungsschild – der hat heute noch einen Ehrenplatz in meiner Funkstation zu Hause - in englisch und arabisch überreicht: “Mr Klaus Bethge, Stellvertretender Brandschutz und Rettungschef in Hannover“. Ich schaue meinen Kumpel an, der grinst nur. Das ist wieder mal die Sache mit dem Dienstgrad, der sozialen Position.
Dort wie in Afrika hat man nie eines verstanden: Dass es in Deutschland möglich ist, dass auch ein unterer Dienstgrad - ich bin zu der Zeit Brandmeister (und damals war der Brandmeister wirklich einer, nicht ein umgetaufter FW-Anwärter) - Aufgaben wahrnehmen kann, die nach deren Meinung nur ein Offizier machen sollte..
Gewohnt habe ich in einem Erste Klasse Hotel und werde jeden Morgen und jeden Abend von einem eigenen Fahrer gefahren - ich war VIP!
Interessant: Es ist das Hotel, in dem auch die Waffenkontrolldelegation mit Mr. Blix wohnte.
Das Einzige, wo ich mich nach einiger Zeit nach sehne, das war ein anderes Essen als immer nur Hammelfleisch.
Bagdad ist der totale Kontrast zu meiner Zeit in Hannover.
Ich möchte jetzt auf eine Bemerkung zurück kommen, die ich eingangs in bezug auf den in Hannover wirkenden Arzt machte: Seine ungeheure Macht, die er ausübt und die für mich unverständlich ist.
Dieses habe ich das erste Mal bei der Buchung meines Fluges gemerkt:
In Frankfurt war Buchmesse und die Lufthansa will mich nicht mitnehmen, Maschinen alle überbucht. „Sorry, sie müssen hier bleiben!“ Das war es dann, oder nicht??
„Aber Herr Dr. A-H. hat doch gesagt, dass das klappen würde?“
„Wer hat das gesagt? Herr Dr.A-H? Oh, ich sehe gerade, da ist doch noch ein Platz frei geworden!“Das zweite Mal jedoch ist die Sache wesentlich trauriger und hier hat die Amtsleitung der Feuerwehr auf den falschen Esel geschlagen..
Die Iraker haben nach meiner Reise wieder einmal eigenmächtig entschieden, dass sie die nächste Gruppe, die Gruppe, die dann so fantastisch mitgearbeitet hat, schicken werden und mein alter Chef bekommt einen Wutanfall und erklärt mir in sehr harschen Worten, dass er nicht mehr daran dächte, mich zu unterstützen.
Und er hat Wort gehalten!! Ich bekomme keinen Dienstwagen, muss die Schulung vom Dienst aus machen (Die BF hat gerade einen großen Lehrgang für Norarztwagenpersonal laufen und ist sehr knapp an Personal, schon von da her ist diese Gruppe wirklich völlig fehl am Platze!), bin dann bis nachmittags im Dienst geblieben usw. usw. Ich möchte hier kein Porzellan zerschlagen, aber nie zuvor und auch nie danach bin ich so unfair behandelt worden wie in dieser Zeit.
Herr St. zuckt nur die Schultern, er käme nicht mal an den Chef heran, ihm seien die Hände gebunden
„Aber so geht das doch nicht!!“
„Nein, geht es auch nicht, sagen Sie Dr. A-H. , dass sie nicht mehr können!“ Was stimmt, ich war dicht vor dem psychischen und physischen Zusammenbruch!!
Doktor A-H: „Herr B. EINE Bitte: Noch drei Tage und dann haben wir das Problem gelöst, so oder so..“
„Gut, drei Tage!“
Ich sitze, nein hänge zu Hause im Sessel, das Telephon klingelt, „Guten Abend Herr B, hier XXX vom Personalamt, ich habe gehört, wir haben wieder Gäste?“ EINE FRECHHEIT! „Das stimmt!“ „Na ja, dann kommen Sie doch mal vorbei, wir haben ein paar Opernkarten für die, wir sind doch gastfreundlich!“
Da sind mir wohl die Nerven durchgegangen, ich weiß es, offen gestanden heute nicht mehr so genau, jedenfalls habe ich am nächsten Tag meinen Dienstwagen, alleine die Zeitproblematik lässt sich tatsächlich nicht so einfach verbessern, obschon ich da etwas mehr Luft bekomme.
Ich frage am nächsten Tag den Doktor, was da passiert sei? „Habe ich gezeigt böses Gesicht!“ Mehr ist aus ihm nicht herauszuholen, aber ich habe es trotzdem erfahren: Er hat den Botschafter angerufen, der wiederum ruft den Außenminister der Bundesrepublik! an und das Auswärtige Amt hat ein Brand-Telex nach Hannover geschickt, ob die xxxx geworden seien, plötzlich in der großen Politik mitzumischen usw. usw..
An der Geschichte hängen riesige Auslandsaufträge dran und wenn der Leibsanitäter des Präsidenten vorzeitig zurück beordert wird und dem Saddam erzählt , man habe ihn in Hannover davongejagt, dann wäre das ein nie wieder gut zu machender politischer Schaden gewesen.
Dass ich dieses alles noch lange zu spüren bekomme braucht wohl nicht extra erwähnt werden.
Bei der Verabschiedung drückt Herr Dr. A-H. seinen Wunsch aus, noch weitere Lehrgänge zu veranstalten, Hannover bzw. die Amtsleitung protestiert verhalten, aber es kommt dann auch nicht mehr dazu, denn wenige Tage später bricht der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran aus.
Es wird übrigens gemunkelt, dass zwischen den Leuten auch unerkannt Sanitäter der „Iraqui Military Ambulance Service“ gewesen seien.
Wenn das aber so stimmt, dann bin ich unwissentlich ein Söldner bei Saddam.
„Ali ben Lösch“ als merceneer Saddams!
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