"Once upon a time", so fangen die englischen Märchen an.
Dieses ist keines, es ist bittere Wahrheit und der zweite versprochene Teil zu Carsten.
Ein Mann mit einem großen Herzen und ein Feuerwehrmann, wie er sein sollte.
Carsten in Afrika
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Ich kann nicht anders, ich muss lachen, als ich Carstens Gesicht betrachte. Auf diesen Moment habe ich gewartet. Carsten, der Perfektionist, dass ich keine Kamera bereit hatte, das tut mir noch lange leid.
Wir stehen das erste Mal vor der Feuerwache, stiefeln die Treppe hoch, um uns beim Francis zu melden.
Grosse Freude, Francis ist frisch wie der junge Morgen, die gestrige Fahrt hat er gut überwunden.
„COOOOOCKY! TEA!!“, man könnte sagen, es hallte ein Ruf wie Donnerschall. Carsten und Francis fahren zusammen, die auf dem Flur neugierig „rein zufällig“ herumlungernden Feuerwehrleute fallen fast in Ohnmacht.. Nein, ihr „Bwana Klaus Sir“ hat eine Stimme wie Tembo, der Elefant.
„Coocky“, der Koch kommt mit fliegenden Rockschößen aus seinem Schapp, welches er als Küche bezeichnet, er stand wohl dicht vor einem Herzanfall.
Er mag mich, ich suche ihn immer mal wieder auf und wechsele ein paar freundliche Worte mit ihm. Er ist einer der Leute mit einem sonnigen Gemüt, der die ewige Nörgelei der Feuerwehrleute mit Gutmütigkeit erträgt. „Please tea to the chief, three cups!“ „Yes Bwana, on spot!“
Francis lacht, er kennt das Spiel schon lange, Carsten schaut etwas verstört.. Er muss erst einmal verarbeiten, was er innerhalb der letzten fünf Minuten gesehen hat. Das ist eine Großstadtfeuerwehr?? Doch Carsten, und die können noch glücklich sein, viele afrikanische Großstädte haben gar keine mehr.
Ich mag es nicht glauben, als ich erfahr, dass zum Beispiel Lusaka, die Hauptstadt Sambias, etwa drei Millionen Einwohner, überhaupt keine Feuerwehr mehr unterhält.
Und das, nachdem Sambia vormals die beste Feuerwehrschule, Ausbildungsstätte für alle ostafrikanische Staaten, hatte und die aufgeben musste. Kein Geld! Ein Teil der Offiziere Blantyres haben dort ihre Ausbildung genossen.
Wir genießen unseren Tee, Francis drängt zum Aufbruch, Vorstellung beim Stadtdirektor.
Don und Steve, Stadtdirektor und sein Stellvertreter empfangen uns, wieder Tee (ohne dem läuft da gar nichts) und dann wird erst einmal geklönt. Viel zu besprechen gibt es nicht, was Carsten betrifft. „Wie war die Reise? Ist das Hotel in Ordnung?“ (Es war ein für dortige Verhältnisse wirklich gutes Hotel, aus der Sicht der Feuerwehr allerdings eine Katastrophe und auf dieses Thema komme ich noch gesondert zurück!)
„Ja danke, alles OK“
„Was wollen sie denn hier machen?“
Auch eine Frage, das hatten wir doch schon alles, er soll mich im Unterricht unterstützen, ganz speziell in Sachen „Rettungsdienst“ Ich erzähle von den Dingen, die er mitgebracht hat, echte Freude, das ist gut.
Auch hier: planen ist eine Sache, ausführen eine andere.
Wir fahren zurück zur Wache, auch Carsten etwas leichter angezogen, die Sonne knallt auf die ausgedörrte Erde.
Ich führe ihn erst mal über die Wache, die Kollegen kommen heran, reden dieses und jenes und taxieren ihn, wie man wohl mit ihm klar kommt (was auch hieß: kann ich ihn für mich einspannen??
Das allerdings klappte weder bei mir noch bei ihm).
Er schaut sich die Fahrzeuge an, schüttelt nur den Kopf. DAS sollen die Autos aus Hannover sein?? Diese Frage habe ich mir selber oft gestellt, der Zustand ist eine einzige Katastrophe.
Ich habe es oft diskutiert, erst nutzlos mit dem verstorbenen Chef, der das als unerwünschte Einmischung in seine Angelegenheiten empfindet (Wozu bin ich denn hier, wenn ich nicht versuchen soll, diese Dinge zu ändern?), später auch mit Francis.
Die ganze Konzeption dieser Feuerwehr ist verkehrt, aber da komme ich nicht gegen an.
Einen Arbeitsdienst wie bei uns gibt es nicht, die Leute lungern herum, die Offiziere, die an sich sehr gut ausgebildet sind verschanzen sich hinter ihrem Schreibtisch, weil das sehr viel bequemer ist, als sich den Haufen zu schnappen und „drill“ zu machen.
Die Leute selber zeigen keinerlei Eigeninitiative. Warum auch, sie bekommen ihr Geld ja sowieso, egal, ob sie was arbeiten oder nicht.
Die wenigen Unteroffiziere, die sich ernsthaft bemühen, geben auch irgend wann auf, denn zuviel Eifer ruft nur Ärger hervor.
Die Fahrer, die auch nur als Fahrer angeworben waren, die kümmern sich einen Staub um den Zustand ihrer Fahrzeuge, nach ihrer Ansicht ist es genug, rechtzeitig zu tanken und auf Befehl von A nach B zu fahren.
Eine meiner ersten Maßnahmen ist es, einen alten Fahrer, ehemaliger Bodyguard des Präsidenten und daher mit einigermaßen Disziplin versehen, zum „Senior Driver“ mit Aufsichtsaufgaben zu ernennen.
Diebstahl ist eine Pest, die Fahrzeuge sind praktisch leer, nur mit Dingen bestückt, welche die Leute zu Hause nicht verwenden können.
Werkzeuge, Schaufeln und Spitzhacken werden in einem gesonderten Schuppen gelagert, mit einem eigenen Lagerverwalter, der glaubt, er führe die Feuerwehr und deshalb von mir ein paar Mal ganz ernsthaft verwarnt wird.
Wenn er glaubt, er müsse mal „dienstlich“ irgendwo hinfahren, dann schnappt er sich kurzerhand einen Fahrer und fuhr mit dem einzigen Einsatzleitwagen, einem Pick Up, los, um seinen privaten Sack Holzkohle einzukaufen. Den Kerl habe ich gefressen!
Wird Werkzeuge an der Einsatzstelle gebraucht, dann muss ein Fahrzeug mit dem Schlüssel zur Wache und die holen.
Dieser Zustand ist unerträglich, ich kaufe für die „Pump One“, das erste Tanklöschfahrzeug, zwei verschiedene Schlösser, versehe ein Fach mit dem nötigsten Gerät und verschließe es zweifach. Einen Schlüssel bekam der Fahrer, den zweiten (unterschiedlichen) die „Nummer 1“, der Fahrzeugführer. Geändert hatte es auch nicht viel!
Die Stehlerei geht mir wirklich gegen über Hutschnur. Ich arbeite an einem Fahrzeug, lasse den Werkzeugkasten, der sonst eingeschlossen im Büro des Wachleiters steht, für fünf Minuten unbeobachtet und schon fehlten wichtige Teile.
Jetzt werde ich wild, als ich auch noch die Zange, die ich oben auf dem Fahrzeug habe liegen lassen, suche, da explodierte ich laut und hörbar: „ES GEHT MIR KEINER NACH HAUSE, BEVOR DAS DING NICHT ZURÜCK IST!“.
Die Leute suchen pro forma, echter Wille war nicht vorhanden, bis der Feierabend nun wirklich näher rückt.. „Sir, wir finden es nicht! „Weitersuchen!“ Einer der Fahrer kommt angeweint (wörtlich), er sei doch gar nicht auf der Wache gewesen und er dürfte deshalb doch wohl nach Hause? NEIN!
Oh Wunder, man mag es nicht glauben, so ca. 15 Minuten vor Feierabend findet sich die Zange, auf dem Platz, wo ich sie abgelegt habe. Ich habe mir den Mann, der sie da gefunden hat, sehr genau gemerkt! Aber den Leuten wird es klar: der „Mzungu“ (Weiße) hat keine Lust, sich weiterhin vorführen zu lassen.
Der Umgang mit den Fahrzeugen und Geräten ist unglaublich.
Ein Fahrer fährt eine neue Beule in den Krankenwagen, ich hole ihn mir in das Büro und halte ihm einen Vortrag: Wenn wir in Hannover einen Wagen kaputt fahren, so gibt das Ärger, aber es ist keine Katastrophe, weil wir immer ein Fahrzeug in Reserve haben. Hier in Blantyre aber, wenn ihr ein Fahrzeug in die Werkstatt geben müsst, dann habt ihr nichts mehr...
“Sir, das interessiert mich gar nicht. Ich bekomme viel zu wenig Gehalt, um darüber nachzudenken!“
Mir verschlägt es den Atem, so eine Frechheit hätte in Hannover die allerärgsten Folgen, und das mir hier?? Ich komme her, um denen zu helfen und bekomme so eine Antwort??
Jetzt gibt es aber Krawall, der Mann bekommt die Predigt der Woche: was er eigentlich glaube, wo er sei?? 75 % Arbeitslose auf den Straßen und er in Lohn und Brot?? Glaubt er, dass es mich interessiere, was ein Tischler verdient, wenn ich ihn beauftrage, meinen Stuhl zu reparieren??
Noch einen dummen Spruch und er fliegt raus! (Das hätte ich leicht und lässig arrangieren können!).
Das Gehalt der Feuerwehrleute ist wirklich ein Spott, aber es ist ein Gehalt, im Gegensatz zu den Millionen von anderen, die nicht wissen, wie sie die Familien satt bekommen können.
Feuerwehrmann zu sein hat zum Beispiel den Vorteil, dass jeder sich im Dienst befindliche Kollege, einmal am Tag, eine für malawische Verhältnisse gute Mahlzeit bekommt. (Daher der Koch auf der Wache).
Für mich ist es ein wirklich trauriger Tag, denn zum ersten Male erkenne ich, dass ich hier eine wirkliche Änderung nicht herbeiführen könne.
Ich sprach mit Francis da drüber, er ist mehr als betroffen, kauft sich den Mann auch noch einmal, aber an meiner Einstellung kann er nichts mehr ändern.
Warum ich dann überhaupt weitergemacht habe?? Gute Frage, sie hatten AUCH die Anderen, nicht viel, aber immerhin, und ich war zu stolz, zuzugeben, dass ich einem Phantom hinterher jage.
Die Feuerwehr soll laut dem Senior Driver mal sehr gut gewesen sein, offensichtlich ist sie schlicht versaut worden.
Der vorletzte Chef, von mir neun Monate in Hannover betreut, ist z.B. rausgeflogen, weil er es fertig gebracht hat, einem Fahrer den Auftrag zu geben, das Fahrzeug mit Benzin und einem Ladegerät zu beladen, dann alarmmäßig abrücken zu lassen und die Teile irgendwo abzuliefern.
Hintergrund dieser Maßnahme ist der Standort dieser Wache. Sie befindet sich auf dem Gelände der städtischen Werkstätten. Dieses Gelände ist eingezäunt und am Tor steht ein Werkpolizist, der in jedes Fahrzeug schaut, um die Stehlerei ein wenig in den Griff zu bekommen.
Fährt aber ein Feuerwehrfahrzeug alarmmäßig raus, dann kann es nicht kontrolliert werden.
Es ist nicht nur die Unehrlichkeit, die mich so wütend macht, auch die Dummheit, die dahinter steckt.
Erst einmal gibt er sich in die Hand der Feuerwehrleute (und genau das hat ihm das Genick gebrochen!) und dann zeigt er ja ein Verhalten, welches jegliche Disziplin unmöglich macht.
Die Entschuldigung für alles dieses mag der permanente Hunger sein, Diebstahl und Prostitution waren Teile des täglichen Überlebenskampfes.
Ich weiß es nur zu gut, ich werde einmal gefragt, was ich in meiner Position in Hannover als „Station Officer“ (ich war da schon ein Hauptbrandmeister) verdienen würde und ich habe den Fehler begangen, es zu erzählen, nie wieder!
Eines Tages gehe ich ganz im Gedanken über den Hof, als ich merke, dass mir ein junger Feuerwehrmann folgt, immer im gehörigen Abstand.
Nach einer Weile wird es mir zu dumm und ich gehe bewusst in das Lager, um ihm endlich Gelegenheit zu geben, mich anzureden.
„Sir, ich habe Hunger!“ Der HATTE Hunger! Schräg gegenüber der Wache ist eine Bäckerei, recht gut übrigens, und da bin ich mit ihm hingegangen und habe ihm und mir ein paar Stückchen Kuchen gekauft. Geld geben war nicht!
Bei meinen vorherigen Aufenthalt, zwei Jahre zuvor, bricht mir ein Kollege im Unterricht weinend am Tisch zusammen. „Was ist denn nun los?“
„Sir, der Richard hat heute Nacht seine Frau verloren!“
„Oh Sch..., warum ist er denn im Dienst?“
Ganz einfach, er hätte kein Gehalt bekommen und das konnte er sich nicht leisten. Das er sofort mit dem Fahrer vom Dienst nach Hause gebracht wird, und das ohne Abzüge, das versteht sich von selber!
Die Frau, 27 Jahre alt, Mutter dreier Kinder und bei einer Fehlgeburt verblutet, weil alle Blutkonserven HIV-verseucht sind. Manchmal habe ich Afrika gehasst!
Die gleiche Geschichte erleben wir, als meine Frau, der Chef und ich zu einer privaten Einladung gefahren werden und der Fahrer meine Edith anspricht, wie das in Deutschland sei, wenn die Frau und Mutter stirbt, ob man da Hilfe erhalten könne??
„Natürlich, aber wie kommst du da jetzt drauf?“
Siehe zuvor! Meine Frau hat dann am nächsten Tag alles an entbehrlichem Zeug wie Handtücher und Waschsachen etc. zusammengesucht und ich habe es ihm als kleine Hilfe gegeben.
Die Not ist allgegenwärtig. Ich spreche von der Prostitution als Mittel des Überlebens.
Bei meinem ersten Aufenthalt, meine Frau ist noch nicht dabei, wohne ich in der Hotel Training School, die den Nachwuchs des Tourismus-Gewerbes ausbilden soll. Ein glatter Witz.
Fünf Zimmer in einer Art Baracke, ein Restaurant, welches den Namen nicht verdient, schlicht ungepflegt.
Aber in gewisser Weise hat es sogar Charme, man muss sich eben nur auf die Gegebenheiten einstellen können.
Eine der Room Servants ist Marita, eine sehr Stille und sehr fleißig, sehr sauber (etwas, was die malawischen Damen im Rahmen ihrer Möglichkeiten sowieso sind) sind und vor Allem grundehrlich.
Eines Tages habe ich einen 100 Kwatcha-Schein, ein Vermögen für diese Armen, aus meiner Tasche verloren, ich finde ihn abends auf meinem Tisch liegen.
Es ist Sonntag, ich sitze alleine im Garten am Tisch, kein Gast weit und breit, nur Marita hat Dienst und kommt zu mir.
Überraschenderweise will sie sich offensichtlich mit mir ein wenig unterhalten und es entspannt sich folgendes Gespräch: „Marita, bist du verheiratet? „ „Nein“
„Kinder?“ „Ein Mädchen“
„Und Daddy? Kommt er zurück?“
„Weiß nicht“
„Soll ich die Geschichte weiter erzählen?“
„Ja“
„Daddy ist in Südafrika“
„Ja“ (Viele Malawis arbeiteten in Südafrika in den Diamantenminen). „Was machst du, wenn du hier den Job verlieren würdest?“ „Weiß ich nicht“
„Soll ich es dir sagen?“
„Ja“ „Prostitution!“ „Ja!“
Was soll sie machen? Sie und das Kind müssen leben!
Dieses alles ist nun das, in das Carsten hineinstößt.
Er ist offensichtlich angeschlagen, auch er unterliegt dem typischen Irrtum der Europäer, Afrika ist ein bisschen wie Europa, nur nicht so weit entwickelt.
Abends geht er alleine los, meine Frau und ich bleiben im Hotel und legen mal eine Lesestunde ein.
Nächster Morgen, wir sitzen beim Frühstück, als Carsten ankommt und sich nicht beruhigen kann. Er sei verhaftet worden! Nun ist mir da unten so einiges passiert, aber DAS habe ich nicht erlebt.
Irgend jemand hat ihn von der damals einzigen Disco, dem „PAT’s“ erzählt, das muss dieser Schlawiner gleich erkunden.
Die Bar öffnet um 20.30h, Carsten ist bereits voller Ungeduld früher vor den Toren und wartet, als plötzlich ein paar Zivilisten vor ihm auftauchen und einer barsch seinen Ausweis verlangte, er sei von der Polizei. Was er denn wolle?? Ja, man wolle solche Rumtreiber in Malawi nicht dulden, aber wenn er keinen Ausweis habe, dann solle er seinen guten Willen mit etwas Geld beweisen.
Nun ist Carsten nicht unbedingt der Mann, der sich allzu schnell in das Boxhorn jagen lässt, er fordert den offensichtlich nicht ganz Nüchternen auf, sich schnell zu trollen, oder es würde was setzen. So etwas beeindruckt immer wieder, ich selber habe es gelernt, dass kräftiges Auftreten hilft, jedenfalls zogen die Helden maulend ab.
Carsten geht in die inzwischen geöffnete Bar, trinkt sein erstes Bier (scheußlich, man könnte glatt zum Abstinenzler werden!), als vor der Tür ein Schuss kracht und drei Polizisten reinstürmen, zielgerichtet auf ihn zustürmen, ihn sehr unfreundlich in einen Jeep schubsen und zur Polizeistation fahren.
Dort findet er den vorherigen Kontrahenten vor, der lauthals lamentiert, dass das der Mann sei, der ihn geschlagen habe und und und. Die Stimmung ist etwas gereizt.
Carsten sich keiner Schuld bewusst, die Polizisten voller Gift und Galle, dass man einen der ihren verhauen habe, und das noch ein Weißer, als die Tür erneut auffliegt und eine andere Patrouille einen weiteren Weißen, einen Engländer, hereinführt.
Riesengeschrei des „angeblichen Schutzmannes“ „DAS IST ER!“ Ja, was denn nun? Der diensthabende Sergeant will es jetzt genau wissen und lässt sich die Geschichte des Engländers erzählen, und sie war deckungsgleich mit der des Carsten. Nur war er nicht so geduldig, er hat dem Mann kurzerhand welche auf die Nase gegeben!
Carsten ist inzwischen befragt, wer er sei, wo er herkomme und was er hier mache und er war pfiffig genug, zu sagen, man möge doch bitte morgen den Stadtdirektor befragen.
Der Polizist, er war wirklich einer, stimmt ein Riesenlamento an, das könne doch nicht sein, dass ein Weißer...
Jetzt wird der Sergeant aber wütend, er sieht erheblichen Ärger voraus, denn Carsten ist ja VIP der Stadt Blantyre, wer weiß, was da alles draus werden könne, und zieht dem Constable erst mal eine mit dem Stock über, „wenn du Polizist sein willst, dann benimm dich gefälligst auch so!“ So einfach wird das da erledigt!
Die Polizisten werden sehr freundlich, auch der Engländer wird jetzt erheblich netter angesprochen, und beide werden erst mal zu einem Tee eingeladen, Carsten landet wieder auf dem Jeep und wird zum Hotel gefahren, er möge sich heute vom „PAT’s“ fernhalten, was in diesem Falle seinem eigenen Schutz diene.
Zufällig kenne ich bereits den Polizeichef der Südregion. Ich gleich hin und erst mal auf meine kleine Freundin gestoßen (Eine Sekretärin, die mich grundsätzlich mit „Sir, our friend is here“ anmeldet) und dann rein.
Na ja, man unterhält sich so über dieses und jenes, wie war das denn nun, wir wollen doch einen Erste Hilfe Lehrgang für die Polizeirekruten machen?? Ja ja, das machen wir, ach Sir, da war noch eine Kleinigkeit, ein Freund von mir hat gestern Abend.....
Weiß er schon, gute Nachrichten sprechen sich eben schnell herum. Kein Problem, wenn da noch was kommt, sag mir Bescheid.. Geht klar..
In der Zukunft sind wir dann immer abends zusammen ausgegangen, in die zweitälteste Institution dieser Stadt, und das ist der Sportclub von Blantyre. (Die älteste Institution ist die Kirche)
Dieser Sportclub wird unser zweites zuhause, er ist der einzige Punkt, wo sich die Weißen und die Afrikaner der Oberschicht regelmäßig treffen und auch nur treffen können.
Es gibt einige gute Restaurants, einige weniger gute Bars, aber der Sportclub ist ist DIE Institution. Sport kann man da auch betreiben, Crickett und Fußball, Tennis sowieso und auch schwimmen. Das einzige Schwimmbad befindet sich dort, sieht man vom Pool meines Hotels ab.
(Dieser Pool aber ist ein reiner Laugenbottich, morgens fliegt da ein Sack Chlorkalk rein, das Ganze dann etwas umgerührt und das ist es)
Das Wichtigste aber sind die beiden Bars und das Restaurant.
Hier haben wir dann wirklich nette Leute kennen gelernt und viele sehr nette Stunden erlebt.
Die Abende auf den „Nkonde“, der Veranda, wenn die Sonne versinkt und die Affen lärmend durch die Bäume toben, das Zwielicht des zuende gehenden Tages, das sind die Dinge, die mir ewig unvergessen bleiben werden.
Dieser Club ist sehr exklusiv, der Beitrag sehr hoch, während die Getränke recht preiswert sind. Man will so erreichen, dass eben dort nur ein gewisses Publikum erschien.
Die Besucher sind einmal reiche Afrikaner, dann aber überwiegend hängen gebliebene Engländer, oftmals richtige „drop out“, die sich mit Kleinindustrie über Wasser halten oder aber von den Teeplantagen stammen, und es sind viele Südafrikaner, die per Kontrakt in Malawi arbeiten, und es sind auch einige Inder, die überall in Afrika die bedeutenderen Geschäfte führen. Sie sind manchmal verhasst, aber ohne sie läuft da gar nichts. Und das wissen sie, ihre Arroganz ist oftmals unübertrefflich.
Zu den Indern folgende Anmerkung: Als der „Bürgerkrieg“ (siehe das Kapitel „Bürgerkrieg“) vorbei ist, da sagen mir ein paar Afrikaner in entwaffnendere Offenheit, die bedauern, dass das nur so kurz war, sie hätten sonst einige Inder erschlagen!)
Die Engländer sind, und das habe ich auch in anderen Ländern immer wieder festgestellt, „royalistischer als Ihre Majestät, die Königin.
Einmal staune ich nicht schlecht, als einer der Weißen im „Kilt“, dem irsichen/schottischen Männerrock, auftritt, - es ist „St. Patric Day“
Die Gefahr, dort zum Alkoholiker zu werden ist sehr groß. Wer nicht mit hält, der ist außen vor.
Jedes Mal das gleiche Zeremoniell. Ich komme herein und strebe der Bar zu. „Hallo alle zusammen!“ „Hallo Klaus, wie geht es??“ „Gut, danke, eine Runde!“. Stehen da so ca. acht Leute an der Bar, so heißt das nun, dass jeder eine Runde bestellt. Das ist Ehrensache, da wird nicht dran gerüttelt. Nie im Leben würde ich in Deutschland auf den Einfall verfallen, pro Abend acht Gin-Tonic zu trinken, dort geht es gar nicht anders. Kommt dann noch Nummer neun dazu, dann kann es passieren, dass das Ganze von vorne los geht.
Meine liebe Edith ist da fein raus, sie hat einmal konsequent gesagt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen weder Alkohol noch Cola trinken dürfe und das wurde dann auch akzeptiert.
Mit Grausen erinnere ich noch den Abend, es war mein zweiter Aufenthalt in dem Lande, als ich wieder mal auf den damaligen Stadtdirektor treffe. Er ist Engländer, von der britischen Regierung an Malawi „ausgeborgt“ (Das Gleiche galt für den Stadtkämmerer), weil der vorherige Town Clerk, ein Inder, mit allem Bargeld nach Indien geflüchtet ist.
Robin kennt die Stadt bereits, er war vormals als Verwaltungsoffizier in der alten Protektoratsverwaltung, und hat damals eine Freiwillige Feuerwehr, bestehend aus lauter Engländern, gegründet, die aber nach dem Abzug sofort aufgelöst wurde.
WAS mich stört: wir verlegen unsere Dienstgeschäfte grundsätzlich abends an die Bar. Tagsüber haben weder er noch ich die Zeit, uns auszutauschen, also findet das des Abends statt.
Dieser bewusste Abend, Robin kommt rein, wir trinken unseren (Ich: „One MGT“ ((Malawi Gin Tonic)), er seinen: „he knows“, was hieß: Der Barmann kennt seine Whiskysorte) „sundowner“, als ich ihm erkläre, dass ich heute sehr müde sei und gleich gehen werde. „Ich auch, aber einen für die Straße!“ Dieser „one for the road“ mutiert dann zur Nummer Elf, ich bin hin und meine Edith sauer!
Eine Beschränkung des Autofahrens gibt es da nicht, keiner, der von dort weg fährt ist nüchtern.
Carsten wird gleich als neues Mitglied unserer Trinkerrunde begrüßt, begutachtet und hält auch, etwas zurückhaltender als ich, fleißig mit.
Einmal aber ist er einem Inder an die Kehle gegangen und das kam so:
Ständiger Gast in der Runde ist ein Inder namens „Bico“. Der Mann ist ein sehr unangenehmer Mann, der, wenn er voll ist, (das ist sein Normalzustand nach Sonnenuntergang) fürchterlich herumstänkert.
Zu der Zeit, als die Geschichte passiert hatten in Hoyerswerder Skinheads ein Haus mit Ausländern angesteckt und die Geschichte ist weltweit durch die Presse gegangen- Das Bild des „Bösen Deutschen“ feiert fröhliche Urständ und auch ich muss da einiges an Aufklärungsarbeit leisten.
Jedenfalls, „Bico“ greift mich an, unser Bundeskanzler würde die Deutschen auffordern, alle Ausländer zu verbrennen. Er lässt sich nicht von dieser Idee abbringen, als Carsten einwirft, was er denn wolle, in Indien würden heute noch kleine weibliche Babys verbrannt, er solle den Hals nicht so weit aufreißen.
Nun geht das Geschrei erst richtig los.
Diesen Abend ist der Club ziemlich leer, es ist Samstag und da fahren die Meisten an den See oder in die Berge, ich versuche den Manager ran zu bekommen. Der aber ist auch nicht da, ein Clubangestellter ruft „Bico“ vergeblich, der uns erst einmal mit dem Holocaust in Verbindung bringt, zur Ordnung. Nichts hilft!. „Bico“ wollte Krach machen!
Jetzt ist er ganz dicht dran, Prügel zu beziehen, aber er zieht dann von selber ab.
Meine Frau, der das Ganze mehr als unangenehm war, will uns zum Gehen auffordern, aber da ist Carsten stur (und ich auch). Wie kommen wir dazu, vor so einem Vogel zu flüchten?
Das Ende der Geschichte: Ich werde gebeten, einen schriftlichen Bericht zu machen und „Bico“ wird für eine gewisse Zeit ausgeschlossen, was für ihn auch eine gesellschaftliche Ächtung bedeutet.
Eines Abends, ich bin „Leiter vom Dienst“ und habe mein Funkgerät dabei, (die haben die inzwischen bekommen, ein wirklich echter Fortschritt) fahren wir alle drei zum Hotel, als ich über Funk gerufen werde, Feuer in einem Schulgebäude und Wohnhaus in Thiolo, „Sir, Pump One ist dahin unterwegs, Sie müssen mit abrücken!“
Na Klasse, die „Pump One“ ist eines der von Hannover gespendeten Tanklöschfahrzeuge, Zustand: siehe oben und Thiolo ist mal eben 40 km entfernt.
Der Umkreis des Feuerschutzes, nimmt man all die Teeplantagen und kleineren Orte mit, ist bis zu 80 Kilometer!
„Verstanden, schickt den Einsatzleitwagen“ „Der ist doch in der Werkstatt!“ Ach ja, stimmt, habe ich vergessen, dann schickt den Krankenwagen! Carsten und ich uns in Windeseile im Hotel umgezogen, runter, der KTW kommt mit einem Blaulicht, das Andere defekt, um die Ecke gefegt, ich springe vorne , Carsten hinten rein.
Als ich mir den Fahrer ansehe, glaube ich, ich sei volltrunken! Er trägt seinen englischen Helm mit dem Kragenteil nach vorn und sieht aus wie eine Ente mit Liebeskummer. Die schaffen es immer wieder, mich an meinem und deren Verstand zweifeln zu lassen.
Wir fegen die Straße herunter, auf dem Land fliegen wir immer wieder gegen die Decke, aber das ist nun nicht die Schuld des Fahrers. Wenn man die Straße beschreiben sollte, so müsste man sagen: Schlaglöcher mit Resten von einem Straßenbelag.
In Thiolo angekommen sehen wir es: Ein großes Gebäude mit vielen Zimmern und tatsächlich zur Hälfte gehalten. Donnerwetter, da haben die Jungs aber gut gearbeitet, aber jetzt war es auch zu Ende, der Tank war leer und, auch das schiebe ich ihnen nicht in die Schuhe, der Schnellangriffschlauch geplatzt.
Ich gestehe, ich bin in dem Moment etwas hilflos, die Frage nach einem Hydranten kann keiner beantworten, wohl aber nach einem Brunnen. Der aber ist als Saugstelle völlig ungeeignet.
Alles schaut auf mich, ich bin ja der große „Bwana“, da musste ja nun was kommen!
Hier zeigt Carsten, was ein alter Praktiker mit der Erfahrung von Dorffeuerwehren drauf hat, er bildet einfach eine Eimerkette!
Eimerkette, ein so probates Mittel, dass es bereits ein Herr Schiller, nicht der ehemaliger Finanzminister, in seiner „Glocke“ erwähnt. Man mag es glauben oder nicht, damit haben wir es geschafft!
Wenn ich so im Nachherein den langen Anfahrtsweg, den Mangel an Wasser und den Ausbildungsstand betrachte, so war das schlicht gut.
Mit Feuern haben wir es sowieso dieses Mal, die Wälder brennen rings um uns herum und jeder Plan für eine geordnete Ausbildung ist von vornherein nur ein Torso.
Irgendwie muss der Zustand des Fahrzeuges den Carsten tief in das Herz getroffen haben, denn er entscheidet („Klaus, wie DU schon sagtest..“ Habe ich das? Nö, bestimmt nicht), dass er Ausbildung Ausbildung sein ließe und sich über das Fahrzeug herzumachen hätte.
Leider muss ich hier sagen, dass Carstens Zeit mehr als beschränkt ist, er hat, genau wie ich das erste Mal, seinen Urlaub geopfert und nur knappe vier Wochen Zeit.
Die Stadt Hannover stellt sich hier zu meiner grenzenlosen Enttäuschung stur, ohne ihn wäre die Sicherheit Hannovers ernsthaft gefährdet usw. usw.. Es gibt viele Momente, wo ich einfach zweifele, was das Ganze solle.
Jedenfalls, Carsten schnappt sich den Rayson, den er ja schon aus Hannover als einen sehr tüchtigen Mann kennt und zerlegt mit ihm erst einmal das halbe Fahrzeug, baut eine neue und SEHR sinnvolle neue Schnellangriffvorrichtung ein, auf der anderen Seite gleich fest installiert eine Schaumvorrichtung, bestückt es neu (Unter Drohung der Strafe: wer da was entnimmt, der kommt auf den Grill!) und fertig ist es.
Kostenpunkt: Null, man muss nur die Ressourcen nutzen, die man irgendwo im Schmutz liegen hat. Als er fertig ist, da bemerkte ich einen tiefen Kummer in seinen Augen, er ist doch gerade so schön in Schwung. Sein Verhalten hätte mich warnen müssen, aber ich bin so mit anderen Dingen beschäftigt, dass ich die Signale nicht erkenne..
Er sagt auch nichts, tuschelt nur mit Rayson und schweigt beharrlich, wenn wir uns treffen.
Am nächsten Tag, ich bin in meinem Büro, höre ich ein Poltern und sehe nur noch, wie die erste Tür des praktisch herumstehenden Rüstwagens auf den Hof flog.
Ich dachte, mir bleibt das Herz stehen, bist du total bekloppt?? „Nein, ich baue das Ding um!“
Jetzt habe ich ein ernsthaftes Problem: Der Rüstwagen ist praktisch nutzlos, er ist in Dar-es Salaam, dem Freihafen für Malawi, leergestohlen und steht nur herum.
Soweit ist es richtig. Ich habe an sich vor, ihn als zusätzlichen Geräteträger zu nutzen, denn der Generator und die Winde und das Spill sind in Ordnung. Es ist bitter schade, dass er nicht genutzt wird.
ABER, ich habe da keine Verfügung drüber, kann den nicht einfach auseinanderreißen lassen, ohne dass es Ärger gibt. „Sag mal, was hast du denn jetzt vor??“ „Da mache ich ein ordentliches Tanklöschfahrzeug draus!“ „WAAAAS??“
Carsten hat auf dem Schrottplatz der Werkstätten einen alten Wasserwagen entdeckt, der da schon so diverse Jährchen herum steht und einen aufgesetzten Tank hat, er hat sich die alte GODIVA als Fahrzeugpumpe ausgesucht, - kurz: so einige Fantasie entwickelt!
Ich habe jetzt die Aufgabe, das dem Stadtdirektor klar zu machen, Carsten hat mich hier in eine wirklich unangenehme Situation gebracht.
Der richtige Weg wäre gewesen, einen Antrag beim City Engineer zu stellen, den dieser dann beim Stadtdirektor hätte absegnen lassen.
(Anmerkung: Der City Engineer ist eine typisch englische Einrichtung.
Er ist zuständig für alles technische innerhalb der städtischen Verantwortung. Von der Straßenlaterne über Brücken, Abwasser etc.)
Nun ist aber der City Engineer mein Freund absolut nicht, ich denke nur mit Zorn an ihn. Nutzlos, als Aufsicht der Feuerwehr hat er mich nicht einmal zu sich gerufen, um sich mal meine Probleme, die Probleme der Ausbildung und Organisation, anzuhören. Wenn ich den regulären Weg gehe, das hätte nie geklappt.
Aber einfach anzufangen ist nun auch nicht das pralle Leben. Ich muss mich hinsetzen, einen ausführlichen Bericht über das „Warum“ verfassen. Hier stelle ich die Nutzlosigkeit des derzeitigen Zustandes heraus, stellte detailliert da, was wir machen wollen und was der kommende Wert sein werde.
Mit diesem Brief in der Hand ziehe ich zum Don, erwarte da ein nicht einmal unberechtigtes Donnerwetter, aber sein Vertrauen in uns ist doch weit größer. Der Witz ist ja, dass wir gar keine Verfügungsgewalt über den Wassertanker haben, der gehört gar nicht zur Feuerwehr sondern zum Water Board.
Ich erkläre dem Don die Geschichte, stelle es so dar, als ob das Ganze meine Idee sei und bitte ihn, passiert ist passiert, um ein Memorandum an den City Engineer. Don kennt meine Abneigung gegenüber dem Mann, er ist auch nicht einverstanden mit seinem Verhalten, aber er hält sich da raus.
Erst einmal erklärt er sich, als ich ihm sage, dass wir jetzt nichts mehr rückgängig machen können, auch einverstanden.
Es kommt wie es kommen musste, nach ein paar Tagen erhalte ich einen Liebesbrief vom City Engineer, ob ich den Geschäftsweg nicht kennen würde, und das sein ja in Deutschland wohl auch nicht anders etc. etc.
Da werde ich jetzt ärgerlich, erst kümmert er sich überhaupt nicht um uns (der Carsten hat ihn nie kennen gelernt) und jetzt will er den Lauten machen.
Den Brief gleich an Don weitergeleitet mit dem Handvermerk, dass ich das nicht verstände, ich hätte doch von ihm das OK bekommen??
Darauf hin hat der City Engineer erst einmal eine übergezogen bekommen, was ihn auch nicht freundlicher stimmt.
Don und ich kommen überein, dass alle Entscheidungen über unser Tun von nun an Chefsache seien, der C.E. schäumte, hurra!
Carsten entwickelt eine ungeheure Fantasie, schnappt sich ein paar Feuerwehrleute, versetzt kurzerhand den Rayson (Haben wir eigentlich keinen Chef? Keinen Deputy Chief? ) in den Tagesdienst und ich staune nur, wie schnell das Fahrzeug ohne Aufbau da steht. Das mit den Feuerwehrleuten war mir nur zu recht, hier lernen sie nun wirklich mal handwerkliche Fähigkeiten. Sie müssen mit den allerprimitivsten Mitteln auskommen.
Carsten fragt in der Werkstatt nach einem Trennschleifer. „Haben wir“ echote es mit Stolz. Na prima und wo sind die Trennscheiben? „Die haben wir nicht!“ „Grrrrrrrrr!“
Ersatzteile. Man mag es nicht glauben. Wir sind in dieser Millionenstadt einen ganzen Tag beschäftigt, Unterlegscheiben zu bekommen, und die gibt es nicht! Fast genau so schlimm, dass ich in einem Land, dessen Hauptexport der Tabak ist, keinen Pfeifentabak kaufen kann.
Als ich das im Club erzähle, rettet ein Südafrikaner meinen Seelenfrieden. Er hat noch völlig trockenen Tabak aus Simbabwe. Gegen trocken kann man was tun, der Tabak ist hervorragend und ich bin glücklich.
Zurück zu Carsten: Alles per Handeisensäge und Schraubenschlüssel herunter, den Schaltkasten für den Generator versetzt, den Lichtmast (Alle Mitarbeiter des TÜV dieses bitte überlesen!) kurzerhand an das Führerhaus geschweißt, ja , und dann kam die „Aktion Tank“
Wir sind zu diversen Firmen gefahren, haben gefragt, was das Umsetzen per Autokran kosten würde, und denen erst einmal erklärt, dass wir das Ding nur leihen, keineswegs kaufen würden.
Die haben horrende Preisvorstellungen, weil sie glauben, wir seien auf sie angewiesen.
Dumm gelaufen, die hätten sich vorher mal fragen sollen, wie einfallsreich ein deutscher Handwerker sein kann.
Es gibt da eine Art von Bock, an dem man einen Flaschenzug (vorhanden!) aufhängen kann, um Motoren aus den Fahrzeugen zu heben, und der ist auch hoch genug..
Tank angehoben, Fahrzeug unter weg gezogen, das „abgerüstete“ Fahrzeug da unter gefahren (Millimeterarbeit!), abgelassen und das war es. Zeit: Ca. drei Stunden, ich stecke die Zunge raus in Richtung „Firma mit Kran“, die sich direkt hinter der Wache befand!
Diese Arbeiten gehen keineswegs so flüssig von der Hand, wie hier geschildert. Habe ich bei meinem ersten Aufenthalt überhaupt kein Feuer gesehen, so jagt dieses Mal eines das nächste. Überwiegend Waldbrände, siehe Part „die Hölle am Palast“.
Die Zeit rinnt davon, Carsten muss wieder abreisen, meine Intervention in Hannover hat keinen Erfolg, er darf auch keine einzige Woche mehr da bleiben. Was ich denke, das verschweige ich hier lieber!
Der Tank wird auf dem Rahmen festgeschweißt, immerhin 5500 Liter, was soll es. Ohne Mut zur Lücke geht es nicht!
Aber jetzt, was nun?? Die Pumpe soll ja auch untergebracht werden, ich bin schlicht gespannt. Ich hätte es wissen müssen, wer sich nicht zu helfen weiß....
Carsten findet ein altes Eisenbett!, schneidet es auseinander, formt daraus einen Rahmen und schon haben wir einen Stellplatz hinter dem Fahrzeugrahmen für die Pumpe.
Gefüllt wird der Tank von oben über einen Feuerwehrschlauch.
Auf den Trittbrettern ein paar Ablageflächen für Strahlrohre und Schläuche sowie Feuerlöscher, das Einzige, was wir kaufen müssen, das ist ein Halogenscheinwerfer. Kostenpunkt ca. 25 Euro, und fertig ist ein wirklich gutes Tanklöschfahrzeug. Das glaubt doch keiner? Oh doch, das Ding ist sein Gewicht in Gold wert.
Es ist Freitag, wir stellen nach Absprache das Fahrzeug gegen 09.00h morgens dem Town Clerk und seinem Deputy vor, der City Engineer ist nicht gekommen, was allerdings keinen gewundert hat.
Ich kann es natürlich nicht lassen, ich stelle Don nur eine diesbezügliche Frage, ob man ihn denn eingeladen habe und gehe schnell ein paar Schritte zur Seite. Don entstammt einen für seine Kriegszüge bekannten Stamm, ich wollte nicht, dass er alte Unsitten aufleben lässt.
Dieses war übrigens der letzte Tag, den Carsten hätte zur Verfügung gehabt, am Montag soll er nach Hause fliegen.
Hellste Begeisterung bei den Stadtoberen, OK, um 14.00h Treffen in meinem Büro (Don), damit wir Carsten verabschieden können, aber, wie war der Spruch mit dem „lachenden Menschen..“
Um 10.00h , wir sind gerade auf der Wache, ein Riesenfeuer in einem Reifenlager einer Spedition mit ca. 1000 alten Reifen, daneben steht, abgesattelt, ein Aufleger mit ungefähr 75.000 Liter Leichtbenzin, etwa 10 Meter vom Feuer entfernt das Büro- und Lagergebäude.
Ich beschrieb es im Teil: „die Hölle..“, wir haben eine so tiefe Trockenheit, dass der Shireriver um etwa ein Drittel gefallen ist
. Dadurch gab es keinen Strom, die Turbinen laufen nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt und die Wasserversorgung bricht restlos zusammen!
In der ganzen Stadt gibt es einen einzigen Hydranten, der Wasser führt, weil er durch ein Eigengefälle voll läuft. Der war so um die vier bis fünf Kilometer entfernt. Dass der Druck auch nur so la la war, das dürfte klar sein.
Und jetzt, eine Stunde nach der Indienststellung, kommt unser neues TLF zum Zuge, und es ist einfach unglaublich, wie sich das Ding jetzt bewährt.
An der Einstattstelle „kabbeln“ Carsten und ich uns das erste Mal und ich muss das erste und das einzige Mal meinen Dienstgrad spielen lassen. Er will, dass wir das Gebäude schützen, ich bestehe auf den Aufleger, der voll in der Strahlungshitze steht.
Wenn DER hochgegangen wäre, dann hätte es nur noch Tote gegeben, das Gebäude kann mir gestohlen bleiben bzw. das fängt meines Erachtens nach nicht so schnell an zu brennen, als das wir das nicht hätten abfangen können.
Der Grund für das Feuer ist übrigens ein typisch afrikanischer: Hinter dem Reifenlager hat ein Kleinbauer sein Feld, dieses durch einen hohen Zaun vom Speditionsgelände abgesperrt.
Jetzt kommt der Gute auf den Einfall, sein Feld abzubrennen. Ergebnis: Das Feuer lief unter dem Zaun durch, er kommt nicht hinterher und schon war ist passiert.
Dass es in der Stadt nicht öfters brennt, das hat mich immer wieder verwundert. Wenn man des Nachts durch die Strassen geht, dann sieht man es überall, dass die vor jedem Geschäft stehenden oder auch schlafenden Wächter sich ein Wärmefeuer machen.
Auf der Strasse geht das ja noch an, aber wenn ich sehe, dass die das auch in Hausfluren machen, dann gehe ich schnell weiter.
Waldbrände entstehen übrigens auch auf eine solche Weise: Viele Afrikaner stecken kurzerhand das auf dem Boden liegende Buschwerk an, um das Kleingetier aus den Erdhöhlen zu jagen und zu fangen.
Oder, um Tiere über ihre alten Fluchtwege in vorher aufgestellte Schlingen und Fallen zu jagen.
Jetzt wird es auch Zeit, dass ich meiner Fürsorgepflicht Genüge tun muss, ich entere das Büro der Geschäftsleitung und frage mal vorsichtig an, ob die uns verdursten lassen wollen.. Das war nun etwas ungewöhnlich, das hätte sich kein afrikanischer Offizier getraut, aber ich bin ja auch kein Afrikaner.
Jedenfalls, man kann sich meiner Logik nicht verschließen, aber das ich bei der Gelegenheit gleich angefragt habe, ob wir in der Zukunft auf dem Gelände üben könnten, ist nun ein bisschen frech. Aber wirksam!
Die Zeit rennt, unser Treffen mit den Stadthonoratioren rückt immer näher. Gut, kann man nicht ändern, ich habe bereits über Funk Bescheid gegeben, dass wir am kämpfen waren, ob wir kommen können, das wissen wir nicht.
Inzwischen ärgert mich ein Feuerwehrmann ungeheuer, der Bursche hat seine Straßenschuhe auf dem Krankenwagen abgestellt und da dieser mit einem Auftrag von mir los gefahren ist, ist er einen Schuh los. Er verlangt, ich solle ihm ein Fahrzeug zur Verfügung stellen, er müsse erst einmal den Schuh suchen.
Nun war der ein sehr großer Wert für ihn, aber ich kann dafür nun wirklich kein Fahrzeug abziehen und ihn auch nicht. Ich sehe, dass er rhythmisch die Fäuste ballt, aber ich lasse mich da auf keine Diskussion ein, pfeife ihn einmal ordentlich an und jage ihn wieder an die Arbeit.
Dieser Bursche macht mir immer schon erhebliche Problem.
Als der Koch einmal Kartoffeln (sehr teuer!) und Kohl statt des ewigen Maisbreis „Sima“ kocht, will er einen Streik anzetteln.
Schon damals sind wir drauf und dran, ihn zu entlassen, aber bei der Personalnot (er war ein recht guter Fahrer) haben wir ihm erst einmal mit einem Tag „Abwesenheit“ (er arbeitet, bekommt aber einen Tag Lohn abgezogen) bestraft.
Wesentlich ernster nehme ich dann seinen nächsten Streich: Er fährt in den Krankenwagen eine dicke Beule und beschuldigte einen Offizier.
Hier kracht es: Ich sage ihm, dass ich mit dem Chef besprechen wolle, ob er nicht entlassen werden müsse.
Wir haben uns das sehr ernsthaft durch die Köpfe gehen lassen, aber er hat, wie allgemein üblich, eine sehr große Familie, versorgt auch seine verwitwete Mutter.
Das war ja das Problem: Man bestraft ja nicht den Mann, sondern zuerst einmal diejenigen, die unschuldig leiden müssen.
Wir entscheiden uns schweren Herzens dagegen, aber ich baue eine kleine Gemeinheit ein: Ich erkläre ihm, dass wir das mit dem Stadtdirektor (haben wir nicht!) besprechen müssen und er könne frühestens in drei bis vier Tagen mit einem Bescheid rechnen. Das sind drei bis vier Tage voller Ängste, ich kenne um die wohltuende Wirkung der Ungewissheit.
Ich habe dann einen strengen Verweis geschrieben, mit dem Hinweis, dass es keine weitere Rücksichtsnahme gäbe und er mit sofortiger Entlassung zu rechen habe und habe ihn das gleich unterschreiben lassen. Rein in die Akte und das war es dann.
Eines Tages werde ich eingeladen, vor einer Delegation aus Polizei und Regierungsmitgliedern einen Vortrag zu halten, wie wir in Deutschland unseren Brand- und Rettungsdienst abwickeln. Die Zeitungen haben sehr viel über mich berichtet und in den oberen Kreisen fragt man sich, ob man das nicht mal anders organisieren könne als das bisherige Gewurschtel.
Der Anfang ist ja schon früher gemacht, als ich mitten in meinem Lehrgang Feuerwehrleute aus dem ganzen Land auf den Hof bekomme.
Ich habe dann kurzerhand das hannoversche Konzept vorgestellt, die Militärs, die mit einem Oberst vertreten waren aufgefordert, einen Hubschrauber für Rettungseinsätze bereit zu stellen, einen Vorschlag, wenn auch ohne Hoffnung, unterbreitet, wie man Freiwillige einsetzen könne (Speziell bei Waldbränden und ähnlichen Großereignissen) und habe von unseren Notarztsystem gesprochen.
Nun ja, ich werde gefragt und ich habe eben geantwortet.
Die Vorstellungen der Afrikaner überraschen einen immer wieder und man muss sich da wirklich zurücknehmen. JEDEN Tag fehlt mir mindest ein Mann, weil er zu irgend einem Begräbnis muss.
Die Todesrate ist ungeheuer, die Lebenserwartung der Malawis ist laut UN-Angaben für Männer und Frauen gleichermaßen 45 Jahre.
Nun hat kein Mensch etwas dagegen, dass jemand, verstirbt ein Familienmitglied, auch zur Beerdigung geht, aber hier gingen sie zu jeder, wenn es sich auch um einen Bewohner ihres Dorfes, ihrer Strasse handelt.
Dagegen komme ich nicht an, ich bespreche das mal in der Stadtverwaltung und sage, dass wir das dienstmäßig nicht durchhalten können. „Doch, das müsst Ihr, das ist Tradition und die könnt Ihr nicht durchbrechen.“
Allerdings höre ich auf der EXPO, dass das jetzt nicht mehr so einfach gehen soll. Das ist wohl selbst der Regierung etwas zuviel geworden.
Francis ist inzwischen an der Einsatzstelle eingetroffen, wir sind immer noch vergeblich mit dem Auseinanderreißen der Reifen und dem nutzlosen Versuch, die Reifen mit Wasser dunkel zu bekommen beschäftigt.
Das wird nichts, er gibt Befehl, die Schaumvorräte zu plündern, und genau das habe ich vermeiden wollen. Schaum war einfach zu wertvoll für so einen Schrott, aber so kommen wir auch nicht weiter. Also alles eingeschäumt, und Ruck-Zuck war Ruhe.
So, schnell zurück, es war inzwischen 13.30h. Zum Waschen reicht die Zeit, aber so wie wir aussahen?? Francis will nicht: „Können wir nicht machen!“ „Doch, können wir!“
Kurzer Anruf beim Stadtdirektor: „Don, wir kommen, aber wir sehen fürchterlich aus!“ „Macht nichts, kommt her“
Etwas irritiert haben sie aber doch geschaut, als wir mit unseren schmutzigen Hemden und sauberen Händen und Gesichtern in das Büro stiefelten..
Don hält die obligatorische Rede an Carsten, übergibt ein paar kleine Geschenke und das ist es dann.
Auf der Wache steht schon wieder mein „Freund“ vor dem Büro, nochmals Lamento wegen seines Schuhes und er bekommt jetzt von Francis eine gewaltigen Anschnauzer.
Der Mann beklagt sich bitter über mich in Chewa, ich kann es nicht verstehen, aber ich höre heraus, was er will, und schon bekommt er von mir noch was zu hören.
Dieser Tag hat es übrigens in sich: Wegen der Trockenheit haben die Hotels und der Palast kein Wasser und die beiden Fahrzeuge sind damit beschäftigt, reihum zu fahren, um Wasser in die Tanks zu füllen.
Ich bin kurzzeitig in meinem Hotel und der Manager beklagt sich, dass er seit Stunden nicht mehr angefahren werde.
Ich sause rüber zu dem anderen Hotel und sehe, dass nur da noch befüllt wird.. „Wieso das?“ „Ja, der Manager hier hat gesagt, dass sein Hotel größer sei und er das nötiger brauche!“
Das da auch kleine Zuwendungen eine Rolle spielen, das ist mir sofort klar und dann konnten die Passanten auf der Strasse mal einen deutschen Feuerwehrmann brüllen hören! Der Manager bekommt auch gleich sein Fett, er will sich beschweren, das kann er haben!!
Was mir eine echte Freude bereitet hat: Ein Fahrzeug ist ausschließlich für den Palast tätig und als das Feuer ausbricht, da habe ich es sofort abgezogen! Francis zögert, können wir nicht machen! DOCH, können wir und machen wir!
Manche Leute haben überhaupt merkwürdige Vorstellungen: Ruft uns ein Engländer an und verlangt, wir sollen ihm seinen Swimmingpool nachfüllen. Die Menschen haben kein Trinkwasser mehr und dann das.
Der hat sich wirklich beim City Engineer beschwert, das war was für ihn.. Aber auch für mich, das gleich dem Don erzählt und schon hat der Arme wieder welche bezogen!. People, that’s Africa!
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Klaus Bethge, Isernhagen |
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