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Klaus Bethge, Isernhagen

Die "Wolle" brennt..02.04.09 21:21


Die „Wolle“ brennt..

„Achtung Achtung, Alarm für den Ersten Zug, Döhrener Wolle, Dritter Alarm“
Ich fahre hoch, reiße das Messgerät in der Funkwerkstatt vom Tisch, egal, regelt sich später, Hauptschalter aus und über den Hof..
Die Kollegen kommen aus allen Ecken gelaufen, ich höre mehr oder weniger kräftige Flüche, wir wissen aus Erfahrung: Jetzt wird es heiß!

Die Döhrener Wollfabrik war seit Wochen eines unserer Sorgenkinder, dieses ist jetzt Feuer Nummer sieben und alle hatten es in sich.
Dieses Werk war ein altes hannoversches Traditionsunternehmen wie z.B. die HANOMAG oder Bahlsen oder GEHA etc, eine sehr große Fabrik, die Wollstoffe für Spezialverwendungen wie z.B. Kampfanzüge der Bundeswehr usw. herstellte.

Solche Art der Produktion gab es nur zwei Mal in der Bundesrepublik. Jedes der vergangenen Feuer war eindeutig und unwidersprochen Brandstiftung, aber so „gut“ gemacht, dass es uns bisher nicht gelang, die Brände im Ansatz klein zu halten. Wenn wir hinkamen, hatten wir jedes Mal einen Vollbrand, der uns über Stunden beschäftigte.

Natürlich wurde spekuliert, warum das jemand so profihaft ansteckte und es kam bald der Gedanke auf, dass auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges die „andere Seite“ einen Spezialisten beauftragt haben könnte.
Der wahre Grund, Jahre später entdeckt, war jedoch außerhalb unserer Vorstellungskraft, ein schlichter Versicherungsbetrug.

Die Fabrik selber bestand aus zahlreichen großen und auch mehrgeschossigen Produktionsgebäuden, so wie man Fabriken kurz nach der Jahrhundertwende baute, vollgestopft mit Maschinen.

Die Freiwillige Werkfeuerwehr hatte eine lange Tradition mit einem ausgezeichneten Ruf bei den Kameraden und Kollegen der hannoverschen Feuerwehren.
Die meisten der Männer waren Mitglieder einer der siebzehn hannoverschen Freiwilligen Feuerwehren.

Ich sitze auf dem ersten TLF, bin also ganz vorne. Noch als wir um den Maschsee fegten und ich mir in der engen Kabine das Atemschutzgerät auf die Schultern zerre, höre ich im Funk den Einsatzleitdienst: “Florian, machen sie Alarmstufe S (SONDER, hier werden alle Wachen plus die Freiwilligen Feuerwehren alarmiert), ich sehe riesigen Feuerschein“. Von Alarmstufe Drei auf S, ich schaue hoch, der Himmel in etwa drei Kilometer Entfernung ist blutrot, ganz offensichtlich ein Höllenfeuer, welches da tobt.

Wir kommen an das Tor, ein Durchkommen ist unmöglich, es müssen Tausende an Gaffern sein, die da Schulter an Schulter stehen und einfach nicht bereit sind, ihren Platz in der vorderen Reihe zu räumen. Das darf alles nicht war sein, die Martinshörner dröhnen und jaulen, die Kollegen brüllen die Leute an, es ist schlicht hoffnungslos.. „Florian, schicken sie starke Polizeikräfte, wir kommen nicht an die Einsatzstelle!“ Mein Kumpel Manfred und ich, beide Angriffstrupp, zwängen uns durch die Menge, die wollen uns nicht durchlassen, einer schubst mich und bekommt gleich einen gewaltigen Tritt gegen das Schienbein, Manfred reißt einen am Kragen zurück und schleudert ihn in die Menge. Weit konnte er nicht fallen, jetzt lag echt Ärger an..

Wir schaffen es, sind durch, rennen nach vorne, gleich aus der ersten Halle dringt tiefschwarzer Rauch aus dem Erdgeschoss, von Feuer nichts zu sehen, dafür brennt die Nachbarhalle um so stärker. Dort ist die Werkfeuerwehr bereits kräftig am Gange.

Hilft nichts, das müssen wir uns mal ansehen:“Los Dicker, (das bin ich, das tut weh, denn ich bin doch höchstens vollschlank!), Rein da!“ Fangleine um den Bauch, Handfunkgeräte gab es nicht, und hinein in die finstere Hölle.

Wir sehen nichts, der verdammte Qualm, klebrig und absolut undurchdringlich, wir stoßen uns die Schienbeine an den Maschinen und Kisten und Kästen wund, tasten uns vor, kein Feuer zu entdecken. Es hat keinen Zweck, von draußen wird schon „raus kommen, raus da“ gebrüllt, ganz in meinem Sinne, es ist eines der wenigen Momente, wo ich echte Angst verspüre. Ich ahne einfach, dass da was ganz Übles abläuft, ich fühle mich hilflos und will nur noch zurück in die Gesellschaft der Anderen..

Nur: so einfach war das nicht mehr, Manfred zerrt an der Leine, ich habe keine andere Wahl, als mich hinter ihm her ziehen zu lassen, und bin auch froh, dass er die Initiative hat. Er ist wesentlich erfahrener, als ich es zu diesem Zeitpunkt war..
Vor mir sehe ich schemenhaft etwas Helles, das muss das Tor sein, nur raus, nur raus.

Das erste, was ich draußen sehe, sind die Fahrzeuge, die sich langsam auf uns zu bewegen, um sie herum weiße Mützen und, ich kann mir jetzt ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen, auf die Menschenmenge herunterprasselnde Schläge mit dem „Migränestab“, dem Schlagstock.

Jetzt endlich läuft der Löschangriff, Wasserversorgung wird hergestellt, die Leine (Fluss bei/in Hannover) ist in unmittelbarer Nähe, die Rohre gehen vor, doch wohin? Wir haben in unserem Bereich immer noch kein Feuer, Manfred und ich berichten dem Einsatzleiter von der vorgefundenen Situation, an einen Innenangriff ist zur Zeit überhaupt nicht zu denken.

Draußen ein ungeheurer Krach, alle Pumpen sind inzwischen angeschmissen, an allen Nachbargebäuden liegen Rohre unter Druck.

Es ist inzwischen stockdunkel, jetzt kommt auch noch das Fernsehen und baut mitten in unser Chaos die Kameras und Scheinwerfer auf, aber WO IST DAS VERDAMMTE FEUER in „unserer“ Halle??

Das aber wird uns sehr schnell beantwortet: Genau aus der Stelle, in der ich noch vor wenigen Minuten war, schießt mit einem Male ein riesiger Feuerball in die Höhe und setzt schlagartig alles, aber auch alles in Brand.
So, jetzt wissen wir es wenigstens..

Wir merken sehr schnell, dass wir dieses Feuer mit unseren Kräften, und das war eine ganze Menge, nicht in den Griff bekommen, das dort gelagerte Brandgut war einfach zu mächtig. Dieser Teil dieser zweiten Halle brennt inzwischen lichterloh und nach ca. einer halben Stunde fällt das Dach mit ohrenbetäubendend Getöse in sich zusammen..

Die Einsatzleitung hat inzwischen weitere Hilfe angefordert, das Jaulen der Martinshörner hört überhaupt nicht mehr auf, die Werksfeuerwehr Volkswagen kommt mit einem großen Wasserwerfer und wir sind mehr als dankbar für die Hilfe der Kollegen, deren Erfahrungen in Sachen Industriebrände mehr als hilfreich sind. Langt aber nicht, die Polizei rauscht mit Wasserwerfern, wie sie sonst gegen Demonstranten genutzt werden heran, langt immer noch nicht!

Das Feuer greift um sich, Funkenflug, ein eisiger Wind, es ist zum verzweifeln..

Weitere Kräfte werden heran geführt, sogar die Werksfeuerwehr VW Wolfsburg erscheint mit einem weiteren Wasserwerfer an der Einsatzstelle, das habe ich ja nun noch nie, und später auch nicht! erlebt.

Manfred, Herbert, ein altgedienter Hauptbrandmeister und ich bekommen den Auftrag, in das Nachbargebäude, noch dunkel, aber nur durch eine Brandwand vom brennenden Gebäude getrennt, hineinzugehen und dort auf jeden Fall das Durchlaufen des Feuers zu verhindern.

Der Mensch dachte, doch Gott lachte..

Wie zuvor erwähnt waren die Gebäude sehr alt, sehr hoch, sehr ausgedehnt, und sie hatten alle eine Besonderheit: Sie waren dreistöckig und um jede Etage lief ein Laufgang mit Geländer, damit die Mitarbeiter auf ihrer Etage von einer Sektion in die andere gelangen konnten, ohne treppauf treppab laufen mussten. Gewissermaßen auch ein Fluchtweg.

Wir klettern nach oben in den zweiten Stock, die Kälte, die Nässe frisst sich durch die Kleidung und kriecht die Beine hoch. Inzwischen hatten wir Gelegenheit, kurz an das Fahrzeug zu gehen, den Ledermantel anzuziehen und, nichts geht bei nasskalten und windigen Wetter über eine kalte Cola, aber es war wenigstens etwas zum trinken.
Zur Ehrenrettung unserer Führung aber muss gesagt werden, dass schon bald Unmengen an heißem Tee an der Einsatzstelle erschienen, und jeder eine Dose Schokolade sowie eine Miniflasche Rum erhielt. Einer der guten Traditionen, die leider ausgestorben sind..

Wie auch immer, Arbeitsleine über das Geländer im zweiten Stock, Rohr angebunden, nach oben gezerrt und „Wasser Marsch“. Wir klettern durch ein Fenster direkt in den dunklen und relativ leeren Raum, ich taste die kritische Wand an, kochend heiß! Im Schein unseres „Eisenmannes“, dem altbekannten Handscheinwerfer, sehe ich leichte Rauchfahnen durch die Ritzen. Der für diesen Bereich zuständige Abschnittleiter kommt vor bei: „Leute, hier auf jeden Fall halten!“ Klar doch, machen wir alles, auf jeden Fall eine schön leichte Arbeit, die wir hier erwischt haben, Sprühstrahl ein und immer stur die Wand rauf und runter. Über solche Nebengeräusche wie Wasserlasten auf Decken macht sich schon lange keiner mehr Gedanken..

Neben uns tobt das Feuer, wir bekommen immer nur das Geflacker des Feuerscheines als Spiegel mit, ich glaube, in dieser Nacht wurde „Dante’s Inferno“ geschrieben..

Wir haben einen ruhigen Job, Wasser gegen die Wand gepladdert, währe da nicht diese elende Müdigkeit, wir könnten es hier aushalten.

Hatte ich eigentlich Zeit, diesen Gedanken zu Ende zu denken? Es DARF NICHT WAHR SEIN, das Feuer bricht durch, durch die Brandwand, die aufbricht, der Hitze einfach nicht stand hielt.. Gibt es das?? Doch, es gibt es, der Beweis steckt uns höhnisch seine flackernden Zungen entgegen.

„RAUS, aber fix!“, unser älterer Kollege brüllt es und ist mit einer Geschwindigkeit, die ich ihm gar nicht mehr zugetraut habe, durch das Fenster, wir nicht minder schnell hinter her. Schlauch rausgezerrt und versucht, was praktisch unmöglich war: Den Brand jetzt auf den Raum zu beschränken.

Von unten hören wir Geschrei, man hat es also schon bemerkt. Der Abschnittsleiter kommt wieder angestürmt: „ICH HABE DOCH GESAGT, DASS IHR DAS HALTEN SOLLT!!“

Irgendwie muss er eine Bewegung unseres Kollegen Herbert missverstanden haben, denn plötzlich stob er von hinnen, vermutlich befürchtete er, dass er jetzt einen Schnellkurs in fliegen absolvieren müsse.

Jetzt kommt Hilfe, ausgerechnet ein Wasserwerfer der Polizei hat es sich in den Kopf gesetzt, aus der Distanz Straße/zweiter Stockwerke durch die Dunkelheit hindurch Zielschießen in das Fenster zu veranstalten, um den Raum zu fluten.

Erst einmal fürchterliches Gefluche, er ballert voll gegen die Wand und wir sehen eine Weile gar nichts, mehr, können vor lauter Wasser um uns herum und über uns kaum noch atmen, lassen Rohr Rohr sein und rennen ein paar Meter die Balustrade entlang.

Aber dann! Rache!!, der Wasserpanzer schwenkt das Rohr kurz ab, ein „tödlicher“ Fehler, denn jetzt greifen wir uns, drei Seelen und ein Gedanke, unser Rohr , schwenken es nach unten (Im Gegensatz zu der Panzerbesatzung sehen wir sehr gut im hellen Feuerschein) und füllen ihm erst mal seinen Turm auf!

Rumms, Luke dicht, Maschine röhrt empört auf, als der Panzer mit Karacho nach hinten verschwindet, wobei er prophylaktisch noch ein paar Schläuche mitreißt. Da sollen sich dann ein paar Schutzleute bitterlich über die rüde Feuerwehr beschwert haben..

Irgendwie muss man wohl zur Einsicht gekommen sein, dass da oben eine besonders unfreundliche Truppe stehe, erst einen armen Oberbeamten verjagen und dann noch die „Freunde und Helfer“ derart zu traktieren, auf jeden Fall wurden wir bald abgelöst, - „los Leute, zum Fahrzeug, Pause“

Ich schaue auf die Uhr, drei Uhr morgens, neben mir steckt der Manfred seine unvermeidliche Pfeife an und mir wird schlecht. Hat der denn noch nicht genug Rauch abbekommen??

Ein Kollege kommt mit Kuchen vorbei, „woher haste das?“ „Na, aus dem Laden natürlich!“ Dumme Frage, aus dem Laden, ist doch natürlich, dass die Kaufmannsläden morgens um drei Uhr offen haben.. Nun, der hatte, der hat das Geschäft seines Lebens gemacht und da alle, aber auch alle, einschließlich der Polizei, hungrig waren, hatte er auch keine Sorgen mit dem Ladenschlussgesetz..

Die Ruhe dauert nicht lange, wir werden zur Wache geschickt, die dienstfreien Gruppen sind alarmiert und nun an der Einsatzstelle, wir werden Stück für Stück raus gelöst, um auf der Wache kurz zu duschen und Ruhe zu bekommen, bis wir wieder los müssen, was als sehr wahrscheinlich gilt.

Auf der Wache aber gibt es erst einmal Ärger: Der Leiter der Gerätewerkstatt sieht uns junge Kollegen kommen und will uns gleich vereinnahmen, wir sollen Geräte verladen, das Ganze sehr freundlich, Flasche Bier (bitte die Zeit nicht vergessen, heute tödlich!) in der einen Hand und Zigarette in der anderen vorgebracht..

Jetzt gehen mir die Nerven durch, ich teile ihm klar mit, welchen Auftrag (duschen) ich habe und außerdem. Darauf hin kam ein sehr dummer Spruch über manche Leute, die nicht wissen, weshalb sie bei der Feuerwehr sind und die sowieso nur faul seien und die nach seiner Meinung nach lange schon entlassen sein müssten.

Ich bin dicht davor, ihm an die Kehle zu gehen, bin aber einfach noch zu jung, um ihn zurechtweisen zu können. Nicht so mein lieber Manfred, der absolut keine Hemmungen hat, mit ihm entspann sich jetzt eine Konversation, in deren Folge der Lagerknispel voller Wut von dannen stob, die Tür hinter sich zuknallte und vorsichtshalber den Schlüsseln von innen umdrehte.
.
Ich dusche kurz, wenigstens für eine halbe Stunde sich wieder wie ein Mensch fühlen, lege mich auf das Bett. Draußen ist es unruhig, Leute laufen hin und her, rufen auf dem Flur, aber der Lautsprecher bleibt still..

Ich nicke ein, fahre nach einer halben Stunde hoch, nanu?, noch immer hier?? Weiter geschlafen, es wird langsam hell, ja und dann: „Achtung, alte Besatzung Erster Zug fertig machen zum Abrücken, zur Wolle“..

Ich bin zum Fluchen einfach zu müde, befinde mich in einem Zustand, wo man alles als Schicksal hinnimmt, über das es sich nicht lohnt, nachzudenken..

An der Einsatzstelle der Leiter vom Dienst:“ Wer hat euch denn gerufen?“ Keine Ahnung: „Diese Spinner, die Ablösung (neue Wachschicht) kommt doch gleich..“ Na ja, nun waren wir schon mal da, aber wir sehen jetzt, dass das Feuer, auch zum Teil mangels Masse, im Griff war. Meine Angst ist, dass wir jetzt anfangen sollen, die Kilometer und Kilometer an Schläuchen aufzunehmen, aber das war noch nicht so weit..

Wir gehen noch einmal in das Feuer, entlassen einige Freiwillige und die Kollegen der Werkfeuerwehren und warten, dass endlich Schluss ist..

ENDLICH, ENDLICH kam der Bus mit den neuen Kollegen, wir hätten sie alle umarmen können..
Nur die Frage meines Ablösers, ob wir denn gar nichts mal alleine machen könnten, die hat mich etwas deprimiert.

Auf der Wache habe ich noch einmal das „Vergnügen“, auf den Lagerverwalter zu treffen, aber er geht gesenkten Hauptes an mir vorbei.
Dem hatte irgend jemand, der das mitbekommen hatte, ein sehr böses Wort an den Kopf geschmissen und er fühlte sich jetzt grenzenlos missverstanden.

Wie ich nach Hause gekommen bin, ich weiß es nicht, auf jeden Fall ohne Unfall, heiß gebadet, in das Bett - und nach einer halben Stunde wieder in die Vertikale.. Meine mich wirklich liebende Edith fragt mich, wenig damenhaft, ob ich nicht ganz dicht sei?!. Nein, oder vielleicht auch, aber das war nicht das Problem. Ich war so aufgedreht, dass ich erst nach dem Mittagessen die Ruhe fand, dann aber den Nachmittag verschlief, pünktlich zu den Nachrichten wieder hoch war und dann nochmals im Fernsehsessel
in einen tiefen Traum verfiel.

Viele Feuer habe ich erlebt und nicht immer waren die großen Brände diejenigen, die sich in meine Erinnerung eingebrannt haben.

In Hannover gibt es eine Fabrik, die Plastikbahnen herstellt, die zum Beispiel als Autohimmel Verwendung finden.

Genau zwei Tage vor Heilig Abend brennt in dieser Fabrik eine große Maschine, welche diese Bahnen zieht.

Diese Maschine, ein sogenannter Kalander erstreckt sich in die Höhe des ersten Stockwerkes.

Der Fünfte Zug hat die Aufgabe, diese Maschine zu löschen, ich werde auf die Balustrade im ersten Stock geschickt, um die an sich sehr schnell gelöschte Maschine wegen der Gefahr einer Rückzündung zu kühlen.

Über das Folgende kann man in der Tat trefflich streiten und ich selber habe mich so manches Mal gefragt, ob ich die Situation wirklich richtig eingeschätzt habe.

Tatsache: Das Feuer war aus, das Dach weg geflogen und der Rauch konnte frei nach oben abziehen. (Es hatte da eine Explosion gegeben)

Tatsache auch: Ich hatte ein Rohr mit Wasser, konnte auf Sprühstrahl stellen und den Rauch von mir wegdrücken.
Soweit die Positiva, leider aber auch Tatsache:
Ich hatte keinen Atemschutz, Rauchgase aus Plastiziden sind hoch giftig, sie bilden mit Feuchtigkeit, wie in der Atemluft vorhanden sogenannte Salzbildner, welche die Atemwege zerstören.

Hier kann man mir mit Recht schon einen Vorwurf machen, dass ich leichtsinnig war.

Wie es auch sei, ich stehe da oben und kühle, kühle und kühle, als ein Freiwilliger Werksfeuerwehrmann kommt und mich auffordert, mit der „Wasserpladderei“ aufzuhören, es würde ja nichts mehr brennen.

Der Mann war mir schon hoch sympathisch, Hände blitze sauber, den Helm am Hakengurt aufgehängt und ein Gesicht: „Ich bin wichtig!“

Da ich, im Gegensatz zu ihm, wusste, was ich da tue bat ich ihn wirklich freundlich, doch seiner Arbeit nachzugehen und mich die meine erledigen zu lassen.

Jetzt geschah etwas, was ich heute noch für nicht möglich halten würde, wäre es mir selber nicht passiert: Er steigt die Treppe herab und dreht mir den Verteiler ab – kein Wasser mehr!

Das kann man nicht mehr entschuldigen, jetzt ging es blitze schnell: Der von mir weggedrängte Rauch, wie geschrieben: Hoch toxisch trifft mich voll – und ich kann nicht mehr atmen!

Was jetzt geschah, man hat es mir später erzählt, denn ich habe kaum Erinnerungen da dran.

Ich muss, bereits halb bewusstlos, die Treppe heruntergestürzt sein, raus aus der Halle, wo vor der Tor eine Werksschwester in Bereitschaft stand.

Die soll ich, eine recht zierliche Frau, glatt unter mir begraben haben.

Die Besatzung des Rettungswagens war auch nicht sofort zur Stelle, auf jeden Fall befand ich mich irgend wann im RTW, Sauerstoff, irre Schmerzen in der Kehle, immer noch fast bewusstlos und ab in das Krankenhaus.

Die Kollegen behandelten mich sofort mit einem Spray, der für solche Fälle das Mittel der Wahl war und im Krankenhaus erfuhr ich, dass ich diesen Tag meinen zweiten Geburtstag dieses Jahres feiern konnte.

Der Arzt erklärte, dass die aggressiven Gase zu meinem großen Glück sofort einen sogenannten Spasmus ausgelöst haben, einen Krampf in den oberen Atemwegen, der verhinderte, dass ich die Gase bis in die Lunge bekam.

Wäre es anders gewesen, die schlimmste Folge wäre der Tod gewesen.
Es war nicht das erste Mal, dass ich in einer mehr als bedenklichen Lage war, aber so nahe war es nie gewesen.
Ich war eben noch nicht dran..


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