Kurze Leben
Wieder einmal stehen wir am Grab eines Kollegen, sehr jung von uns gegangen
und wir fragen uns wieder einmal, warum das so ist..
Nein, er ist nicht bei einem Feuer umgekommen, nicht durch einen sonstigen Unfall, sondern er starb „eines natürlichen Todes“ wie es so schön ausgedrückt wird.
Natürlicher Tod, gibt es den überhaupt??
Ist es natürlich, dass die durchschnittliche Lebensspanne eines Feuerwehrmannes 6-7 Jahre unter der aller anderen Bevölkerungsgruppen liegt?? Die erwartete Lebensspanne etwa 65 Jahre??
Ist es natürlich, dass Feuerwehrleute zweihundert Mal öfters unmittelbar nach ihrer Pensionierung versterben als andere?
Ist es natürlich, dass kaum einer mal wirklich gesund nach Hause geht??
Im Hauptgebäude, unmittelbar vor dem Büro des Beamten vom Bereitstellungsdienstes (BvB) hing lange eine Tafel, die eines Tage entfernt wurde - man wollte wohl nicht jeden Tag den Kollegen vor Augen führen, wo sie stehen, die zeigte den sogenannten Lebensaltersbaum. Spalte für Spalte, Jahrgang für Jahrgang wurde jeder auf einem steckbaren Kärtchen aufgeführt, jedes Mal ein Mensch in der Statistik.. Grün für Mittlerer Dienst, Rot für höherer/gehobener Dienst (Man beachte den feinen sozialen Unterschied) und schwarz für tot.. Wenn ich unter „1942“ nachschaute, dann war es , als ob mir eine kalte Hand über den Nacken strich. Viele, zu viele schwarze Kärtchen hingen in dieser Spalte, alles Kollegen, die ich sehr gut gekannt habe..
Nicht aufgeführt waren die Kollegen, die bereits nach Hause gingen, - und keineswegs immer freiwillig und fröhlich. Ich weiß, wovon ich spreche!
Es gab eine Zeit, da erreichten nur ca. 45 % der Kollegen das reguläre Ende von 60 Lebensjahren, alle Anderen waren tot oder bereits pensioniert.
WARUM ist das so?? Die Antworten sind vielfältig. Ganz eindeutig nicht durch
physische Einwirkungen bei Einsätzen, andere Einwirkungen jedoch spielten dabei immer wieder eine große Rolle.
Schwere Unfälle waren relativ selten, und wenn dann ein solches entsetzliches Ereignis wie das von mir geschilderte Explosionsunglück noch die Statistik nach oben treibt, so verfälscht das die Wirklichkeit. Die Ausbildung des Feuerwehrmannes ist so exzellent, das weniger passiert, als man bei der täglichen Gefahr gemeinhin annehmen müsste, die Ausrüstung tat ein Übriges,
sehr rigide Unfallverhütungsvorschriften, die peinlich beachtet werden, das war es also nicht..
Hier bin ich wenigstens den Versuch einer Antwort schuldig und die heißt Stress. Ich spreche hier nicht von dem täglichen Stress, den jeder Beruf mit sich bringt, nicht den Leistungsdruck, dem ein Angestellter unter den gestrengen Augen seines Chefs unterliegt, sondern ich spreche von dem Stress, den unsere Altvorderen erlebt haben, ertragen mussten, wenn sie überleben wollten, Sekunde für Sekunde ihres Daseins, und ich spreche von den oftmals unerträglichen seelischen Belastungen, die man als junger Mensch glaubt, mit ein paar Sprüchen wegwischen zu können und die im Alter dann wie ein Mühlstein auf der Schulter sitzen.
24 Stunden Schichtdienst, etwa 100 mal/anno machen den Feuerwehrmann fertig.
Eine Studie der amerikanischen NFPA (National Fire Protection Association, eine Institution zur Verbesserung des Brandschutzes, deren Empfehlungen meistens Gesetzescharakter haben) sagte einmal aus, dass die erste halbe Stunde eines Brandeinsatzes weit mehr Kraft koste als die Tagesschicht eines Automechanikers.
Dieser Stress beginnt bereits beim Alarm in der Nacht. Wir können „schlafen“, doch wie sieht das aus?? Man legt sich, nur Hose und Stiefel abgelegt und kunstvoll vor sich aufgebaut auf das Bett, der ganze Körper ist unwillkürlich, und man nimmt es mit den Jahren wirklich nicht mehr war - wie eine Klavierseite gespannt, die Sinne keineswegs in Ruhe.
Knackt es im Lautsprecher, sei es durch eine elektrische Störung oder durch das Einschalten des Rundspruchverstärkers, ist man sofort hellwach. Das Alarmlicht geht an, schon sitzt man auf der Bettkante, das Herz schlägt jetzt bereits eine 150er Takt und man fiebert der Durchsage entgegen, man will es endlich wissen!
Kommt der Alarmruf und man hört: „Nicht mein Fahrzeug“, dann sinkt man zurück und versucht, wieder zur Ruhe zu kommen, es sei, man muss aufgrund des Alarmspruches davon ausgehen, dass man innerhalb der nächsten halben Stunde zur Unterstützung gerufen wird, oder aber es ist tatsächlich das eigene Fahrzeug, dann muss man sehen, dass man runter kommt Das Fahrzeug hat auch in der Nacht innerhalb von 75 Sekunden vom Hofe zu sein. Ganz schlecht hat es der Fahrer/Maschinist. Dem ergeht es wie einem eiskalten Motor, der durch einen kräftigen Tritt auf das Gaspedal auf 10.000 Umdrehungen/Minute hochgejagt wird.. Wie lange kann man das einem Motor zumuten und wie lange einem Menschen??
Wir, die wir hinten sitzen können jetzt noch ein wenig dösen, es sei, wir müssen uns gleich in der dunklen schaukelnden und viel zu engen Kabine mit drei Mann gleichzeitig mit dem Atemschutzgerät ausrüsten.
Mit beiden Ohren ist man am Funkgerät, um schon möglichst viele Informationen aufzufangen, keiner von uns weiß, was ihn erwartet.
Es kann die berühmte oder besser berüchtigte „Verlade“ sein, es kann ein Papierkorbbrand sein oder ein Vollfeuer.
Selbst der Alarmspruch „Kellerbrand“ trägt keineswegs zur Beruhigung bei:
Früher fand man in den Kellern Omas Eingemachtes, Brennholz für den Ofen, wahrscheinlich auch Kohlen und Briketts, alte Zeitungen und Opa’s Werkbank mit Hobel und Stechbeitel - und heute?? Ganze Regale voller Farbdosen und noch schöner Sprays und Verdünner, bei ganz Sparsamen, welche die nächste Ölkrise fürchten so mal eben 100 Liter Ottokraftstoff horten, die Gasflasche für den nächsten Campingurlaub und und und..
Dass da heute wie früher noch die Gasuhren an bleiernen Rohren hängen (selten, gibt es aber noch) das trägt ja auch nicht zur Heiterkeit bei.
Der Qualm, die aggressiven Gase und Dämpfe, die Hitze, die einen oftmals die Visiere vor dem Helm schmelzen lässt, eine etwa 30 kg wiegende Schutzausrüstung plus Einsatzgerät, die Ungewissheit, was da nun wirklich vor dem Rauch und den Flammen ist, wo sich der Teufel versteckt und nur auf den kleinsten Fehler wartet, das alles macht einen über die Jahre schlicht fertig.
Man kann sich glücklicherweise nicht daran gewöhnen, denn diese Gewöhnung wäre absolut tödlich!
Nun sind diese Feuer nur ein Aspekt, auf der Wache selber wird zusätzlich täglich eine Arbeitsleistung erwartet, die auch in einem gewinnorientierten Unternehmen abgefordert wird.
Der soziale Standort und die finanzielle Seite hängen ja von Beförderungen ab. Mitunter habe ich die Kollegen beneidet, wenn auch immer nur kurz, die sich entschieden hatten, nicht zum Ober (heute: Haupt)brandmeisterlehrgang zu gehen, keine weiteren Beförderungen erwarten konnten und dadurch manches Mal ruhiger (nicht im Sinne von Arbeit!) lebten.
Seltsamerweise hat man unter dieser Gruppe oftmals die besten Feuerwehrleute gefunden, etwas, was ich nie verstanden habe.
Also kommt da nicht nur ein Wettbewerb zwecks Erlangung von Punkten hinzu, sei es eben durch diesen Inneren Dienst, sei es durch möglichst viele Lehrgänge oder die Übernahme von Sonderaufgaben bzw. sehr hochwertigen Tätigkeiten im Wachdienst (Atemschutz, Strahlenschutzwerkstätten und Ähnliches) und auch hier der Leistungsdruck, möglichst keine Fehler zu machen.
Diesem Druck allerdings habe ich mich immer verweigert, ich hatte immer den berühmten Mut zur Lücke. So kursierte mal ein Spruch: „Die Distanz zwischen zwei Fettnäpfchen ist ein „Pollux“, etwas, was mich höchst peripher tangierte oder einfacher ausgedrückt: Einen Deubel scherte! (Mein Spitzname war „Pollux“, was aus meinem Einsatzverhalten in den ersten paar Jahren herrührte, wo ich meinte, jedes Feuer persönlich tot beißen zu müssen und gar nicht merkte, wie falsch ich lag.. Ich habe das dann sehr drastisch gelernt..)
Dass die Vorgesetzten oftmals nach dem Motto „Devide et impere“ (teile und herrsche) handelten, immer diskret auf mögliche Knicks in der Karriere hinwiesen, selten so subtil wie einer meiner Wachleiter, der meinte, dass ich ihm für eine lang fällige Beförderung trotz meiner Sonderaufgaben auch noch dankbar sein müsste, bringt auch keine Ruhe rein.
Dieses, ich möchte hier richtig verstanden wissen, ist etwas, was jeder Berufstätige mehr oder weniger kennt, aber der hat es nicht zusätzlich zum Einsatzdienst.
Ein weiterer ganz wichtiger Punkt: Für mich war es immer wieder interessant, zu sehen, wie sich Leute auf eine Sonderaufgabe anlässlich der Weltausstellung INTERSCHUTZ stürzten. Sie taten das mit einem Eifer, dass man glauben konnte, sie hätten ihre eigene Firma gegründet..
Hierzu folgende Anmerkung: Während meiner Dienstzeit richtete die Feuerwehr Hannover insgesamt vier Mal diese Weltausstellung des Brand- und Katastrophenschutzes aus, dieses alles aber, ohne die originären Aufgaben zu vernachlässigen. Selbst der sogenannte Vorbeugende Brandschutz musste ja weiterlaufen, Bauvorhaben konnten nicht plötzlich gestoppt werden, nur weil Hannover Besuch aus Japan erwartete.
Also wurde diese Weltausstellung im Sinne des Wortes „nebenher“ erledigt, die Feuerwehrleute, bis auf wenige Ausnahmen, wo jemand ganz abgestellt wurde, erledigten ihre IS-Tätigkeiten weitgehendst von Frei aus bzw. auch, so möglich, in der Bereitschaftszeit. Ich habe noch nie so glückliche Feuerwehrleute gesehen, ein Gefühl, welches ich selber sehr genau kannte.
Ich war jedes Mal der Dolmetscher vom Dienst und habe manche Stunde nach 17.00 h damit zugebracht, noch Anrufe in alle Welt zu tätigen, weil dieses auf Grund der Zeitverschiebung nicht anders machbar war!
Das ist doch ein Widerspruch in sich, einmal führe ich den Stress im Inneren Dienst als eines der Negativa an, auf der anderen Seite spreche ich vom Glücksgefühl einer extrem harten Arbeitssituation??
Oh nein, oh nein, es gibt keinen Widerspruch: Während der IS durften die Feuerwehrleute, unbeeinflusst von „routinegläubigen“ Vorgesetzten, ihr ganzes Können einsetzen, zeigen, was sie leisten konnten, sich an den eigenen Ergebnissen freuen. Das Gefühl, ein Feuerwehrmann zu sein, ist ja ein sehr starkes, es gibt wenige Männergesellschaften, in denen dieses Corps-Gefühl stärker ist oder zumindest gleich war.
Sollte jetzt jemand über das Wort „routinegläubig“ stolpern: Alleine hier drüber könnte man eine eigene Abhandlung in Sachen Stress schreiben. Mir sagte mal ein Kollege mit einem beneidenswert sonnigen Gemüt:“ Ach weißte Klaus, der Dienst ist schon schwer genug, da lass ich mich nicht von einem doofen WAL (Schichtführer) ärgern!“ Recht hatte er!
Das Problem der Feuerwehrleute ist doch folgendes (und erzeugt einen sehr starken psychischen Druck!) : Sie sind alles ausgesuchte, überdurchschnittlich intelligente Leute, bei der Einstellung physisch und psychisch topp fit, hochqualifiziert ausgebildet - für Dinge, die sie nur ein paar Mal im Jahr mit allem Wissen und Können angehen müssen.
Der Rest ist Routine, Fahrzeugpflege, Hallenschrubben etc. Alles Aufgaben, die ein Teil des Berufes sind, aber eben nicht sonderlich befriedigen.
Man konnte das schon da dran sehen, dass z.B. Kollegen, die in der Atemschutzwerkstatt arbeiteten und dort wirklich hochwertigste Arbeit leisten mussten, für das selbe Geld wie der FW-Mann, der ohne Anstrengung versuchte, über den Tag zu kommen, ihren Posten mit „Waffengewalt“ verteidigten..
Immer unterfordert zu sein ist eine sehr schlimme Form des Stresses, dem ich glücklicherweise durch meine Tätigkeiten jedenfalls zeitweise entkommen konnte.
Der dritte Faktor aber, und ein sehr entscheidender, ist der Rettungsdienst..
90% aller Einsätze sind Rettungseinsätze, so in der Regel 10 – 15/Tag (mein Rekord liegt bei 22!), aber was für welche.
Hat man eben einen Betrunkenen vom Gehweg gefischt, der noch tödlich beleidigt ist, weil man seinen Gesundheitsschlaf so rüde unterbrach, dann ist das Nächste ein Herzinfarkt, wo man mit der Todesangst des Patienten und dem Kummer der Angehörigen konfrontiert wird, weiter geht es zu einem Verkehrsunfall, wo ein kleines Mädchen von fünf Jahren vor einen PKW lief und jetzt mit dem Tode ringt, danach mal in den Rotlichtbezirk, wo die Herren Beschützer einen Gast zusammengedroschen haben, ein Rauschgiftsüchtiger, bereits blitze blau wegen Atemnot, nach der Spritze, die ihm aus seinem Heroinrausch reißt fuchsteufelswild, weil wir ihm seinen teuren HIGH versauten und jetzt der Notärztin an den Kragen will, danach ein Selbstmordversuch, wo man mit all dem Mitgefühl agieren muss und am Besten ein Psychologiestudium hinter sich hätte und und und.
Hinzu kommt die physische Belastung, keine Tätigkeit hat je soviel Skelettschäden hervorgerufen, wie der Rettungsdienst.
Wenn einem dann noch die Politiker vorrechnen, man sei viel zu teuer, wenn Journalisten ausrechnen, wie viel Minuten per Schicht der Feuerwehrmann nun wirklich arbeite, dann kommt der Moment, wo man einfach nicht mehr mag.
Sicher, diese Momente gehen vorüber, aber sie kommen wieder, in immer kürzeren Abständen!
Hinzu kommt der Verlust des gesamten sozialen Lebens. Weihnachten: Etwa zwei Drittel davon verbringt man auf der Wache, Ostern, Geburtstage, Hochzeitstage, Treffen mit Clubkameraden, alles das gibt es nicht, die Gesellschaft, in der man sich bewegt ist die Feuerwehr. Dieses alles erzeugt einen solchen Druck, dass da drüber so manche Ehe kaputt gegangen ist.
Manche Ehefrau hat vor der täglichen Angst, ob sie ihren Mann am nächsten Morgen wieder gesund zu Hause empfangen kann kapituliert, Feuerwehrleute entwickeln im Laufe der Jahre eine Denkungsweise, aus diesem Leben geboren, die sie einfach anderen nicht mehr herüberbringen können.
Alle diese Dinge sind ja bekannt, Untersuchungen in den Wehren, aber auch in den Berufsverbänden usw. haben sei je her versucht, diese unabänderlichen Dinge zu mildern.
So wurde der Rettungsdienst in Hannover intern und ohne es festzuschreiben auf das fünfzigste Lebensjahr begrenzt - etwas, was sich heute auch nicht mehr halten lässt, weil die Personalsituation das einfach nicht mehr hergibt.
Neue Dienstmodelle wurden erprobt wie z.B. (bewährt), dass man heute nicht mehr vier Wochen am Stück auf den Rettungswagen geht, sondern eben heute RTW, morgen auf die DL oder ein Sonderfahrzeug, danach auf ein Tanklöschfahrzeug etc. etc.. Auch das hat seine Nachteile, aber es ist die Beste aller schlechten Möglichkeiten.
Ja, und dann steht drohend als Schreckgespenst die Möglichkeit am Horizont, dass man eines Tages nicht mehr einsatztauglich ist, und das ist heute das AUS!
Früher konnte jeder Feuerwehrmann, der auch wollte, im Inneren Dienst seine Verwendung finden. War das schon schlimm genug, so war er doch wenigsten noch dabei.
Heute jedoch muss er gehen! Ist er noch jung, so kann er rein theoretisch (klappt in der Praxis auch nicht mehr) irgendwo in der Stadtverwaltung verwendet werden und sitzt mit seiner hochqualifizierten Ausbildung als Pförtner in einem Krankenhaus oder fegt Laub. Ist er älter, so wird er pensioniert.
Wie das seelisch belastet, wissen heute leider viel zu viele.
Eine der Vorbeugemaßnahmen ist einmal natürlich schon die Eingangsuntersuchung. Es kommt keiner zur Feuerwehr, der nicht psychisch und physisch absolut belastbar ist.
Dann legt die Feuerwehr seit Dienstbeginn unseres letzten Amtsleiters - und der neue Amtsleiter führt das konsequent weiter, sehr großen Wert auf Sport.
Mag mancher Ausbildungsdienst auf Grund von hohem Arbeitsanfall ausfallen, der Sport nur im Alarmfall und auch da nur, wenn wirklich kein anderer Löschzug einspringen kann.
Jedes Jahr muss jeder Feuerwehrmann bei der BF Hannover eine feuerwehreigene Sportprüfung absolvieren, die in den Leistungsanforderungen denen des Deutschen Sportabzeichens entspricht, aber etwas mehr den Neigungen entsprechend variiert werden kann. Ich habe z.B. nie das geforderte Kugelstoßen erfüllen können, konnte aber immer mit Schwimmen ausgleichen.
Diese Sportprüfungen wurden bis zum fünfzigsten Lebensjahr gefordert und sind die Grundvoraussetzung für eine Beförderung, ohne dem geht gar nichts!
Bis zum Ende der Dienstzeit, wenn auch ab dem Fünfzigsten um die Hälfte der Leistung verringert sind die Atemschutzübungen obligatorisch, drei Mal im Jahr.
Die Übungen laufen heute etwas anders ab, sind aber in der Leistung gleich geblieben. Die volle Übung bestand aus dreimal Kriechen durch den zweigeschossigen Drahtkäfig, drei Mal das 50 kg Gewicht, welches über eine Rolle lief je 20x ziehen, dann aber, am meisten gehasst, zweimal je zwanzig Meter auf der endlosen Leiter klettern.
Dieses Training kam übrigens aus dem Bergbau.
Und hier wurde es Ernst: Konnte jemand, der auf eine Beförderung keinen Wert legte, schon mal bei der Sportprüfung „mogeln“ und die Karte nicht abgeben, wenn er jedoch seine Atemschutzübungen nicht erfüllte, dann wurde er automatisch als „einsatzdienstuntauglich“ eingestuft und musste außer Reihe zum Dienstarzt, der seine Tauglichkeit festzustellen hatte.
Diese Untersuchung war gefürchtet, sie entschied ja über Sein oder nicht Sein.
Unser letzter Dienstarzt, zur Zeit des Schreibens endlich fest bei der Feuerwehr angestellt (Vorher hatten wir nur Vertragsärzte) ist ein ausgesprochen netter Mann, der den vollen menschlichen Respekt aller hat, der, so die Zeit langte, auch gerne einmal privat klönte und sich so die Sorgen der Leute anhörte, aber in Sachen „Atemschutztauglichkeit“ ist er erbarmungslos, Er muss erbarmungslos sein, denn hier ging es um das Leben und die Gesundheit der ihm Anvertrauten!
Waren die Mängel nicht gar zu gravierend, so wurden die Leute für drei Monate aus dem Einsatzdienst genommen und hatten in der Zeit Gelegenheit, etwas für sich zu tun. Das Gleiche selbstverständlich nach Krankheit und Operationen.
Es musste auch keiner Angst haben, wegen einer schweren Erkrankung sofort entlassen zu werden, aber das Gesetz sagt klar: Ist jemand mehr als sechs Monate nicht diensttauglich und ist eine Wiederherstellung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, so ist er umzusetzen (reine Theorie) oder in den einstweiligen Ruhestand zu versetzten, was in der Praxis heißt: Pensionierung mit oftmals verheerenden finanziellen Folgen.
Deutschland ist eines der letzten Länder Europas, wo von den Feuerwehrleuten ein Dienst bis zum sechzigsten Lebensjahr erwartet wird. England z.B. sagt: 25 Dienstjahre und Schluss! Über das 55 Lebensjahr geht da gar nichts!
Dieses ist eine Forderung unserer Gewerkschaften seit Jahrzehnten, aber noch vor Kurzem stand sogar eine Verlängerung auf 61 Jahre für den Mittleren Dienst und 62 Jahre für den Gehobenen und Höheren Dienst zur Debatte, etwas, was vorerst vom Tisch ist. Es ist schlicht zu lebensfremd!
Vielleicht mal an dieser Stelle ein wenig Statistik, damit sich der Leser ein Bild von den Einsatzzahlen machen kann: 1997 hatte die BF Hannover 550 Einsatzbeamte gesamt, die 43.987 Ausrücker aller Art absolvieren mussten, wie zuvor geschrieben, 90 % davon reine Rettungseinsätze.
EINES aber ist eindeutig besser geworden: KEIN Feuerwehrmann wird mit seiner seelischen Not nach besonders schweren Einsätzen alleine gelassen.
Ich erinnere mich noch zu genau, dass mir mal als blutjungem Kollegen die Tränen in die Augen schossen, als ich auf dem RTW ein entsetzlich zugerichtetes Kind nach Verkehrsunfall erleben musste und mich der Fahrzeugführer fürchterlich anblaffte, wenn ich so etwas nicht ab könne, dann solle ich nicht zur Feuerwehr gehen. Das gibt es heute nicht mehr und wenn ein erfahrener älterer Kollege sieht, dass ein junger Feuerwehrmann unter einem derartigen Druck steht, dann wird er mit Sicherheit, so er wirklich Feuerwehrmann ist, versuchen, mit ihm zu reden.
Das langt natürlich nicht, der normale Feuerwehrmann ist der Praktiker, der zwar aus seiner Erfahrung heraus erstaunlich gut mit Menschen umgehen kann, aber dafür nicht ausgebildet wurde. Es ist ein ganz großer Mangel in unserer Ausbildung, dieses ganz besonders bei den Vorgesetzten, die, anders als bei der Bundeswehr kaum mal in Menschenführung geschult werden!
In Hannover wurden Seelsorger der beiden großen Religionen gewonnen, der Feuerwehr jederzeit zur Verfügung zu stehen. Sie wurden in die Aufgaben des Brandschutzes und des Rettungsdienstes eingewiesen, sind in der Regel recht jung und keineswegs lebensfremd und werden bei Bedarf sehr gerne angenommen. Eine Predigt braucht da keiner befürchten, einfach Zuspruch und Hilfe.
Alles aber kann leider nicht da drüber hinweg täuschen, dass die eingangs genannten Zahlen ihre volle Gültigkeit haben und dass diejenigen, die in Pension gehen, all das, was sie an Entsetzlichem gesehen und erlebt habe, bis an ihr Lebensende mit sich herumschleppen. Der eine mehr als der andere, aber verschont bleibt davon keiner!
Mir zumindest geht es nicht selten, dass ich des Nachts aufwache, weil ich von Dingen träume, die zwanzig und mehr Jahre zurück liegen.
Gruß
Klaus
5764 x gelesen |
Direktlink zu diesem Beitrag
|
| Archiv:Kategorien: [ 34 ]
Klaus Bethge, Isernhagen |
|