Streiche
Es ist keineswegs so, daß wir den ganzen Tag ununterbrochen damit beschäftigt sind, von Alarm zu Alarm zu fahren oder auch unentwegt irgendwelche Wartungsarbeiten durchführen müssen.
Es gibt Tage, da ist die Welt rund, wir fahren ununterbrochen und es gibt Tage, da haben wir einen Ausrücker, extrem selten auch mal gar keinen und dann kommt mit Sicherheit der Moment, wo irgend ein Spaßvogel glaubt, die Monotonie mit irgendeiner Dummheit durchbrechen zu müssen.
Erfahrungsgemäß sind es immer dieselben und wenn man mit denen Dienst hat, dann kann es schon mal etwas stressig werden.
Greifen wir uns mal einen von ihnen heraus, unseren, bleiben wir bei seinem Spitznamen „Ali Mente“. Er sieht in der Tat ein bisschen südländisch aus, zu Hause, so sagt das Gerücht, habe er nicht all zu viel zu sagen, aber auf der Wache, da tobt er sich aus..
Liegt ein Kollege eines Sonntag nachmittags in tiefer Seelenruhe auf seinem Bette und träumt von , ich weiß nicht was, als unser Ali heimlich die Bohnermaschine aus dem Schapp holt, draußen vor der Tür des schlafenden Kollegen die Handgriffe, die als Schalter dienen, mit Isolierband hoch bindet, dann das Monster leise in das Zimmer schiebt, um anschließend draußen den Stecker einzustöpseln. Was nun geschieht lässt sich leicht erraten. Die Maschine fährt ungesteuert durch das Zimmer, dröhnt wie ein alter Tommypanzer und schlägt links und rechts an Schrank und Betten..
Der Kollege fährt aus dem Bett hoch und schreit wie am Spieß, weil er einfach, so ungemach geweckt, gar nicht begreift, was ihm da geschah..
Wie oft Ali Türklinken mit Pumpenfett eingeschmiert hat, weiß keiner so genau, was aber auch hemmungslos dem Wachleiter angetan wurde..
Wir haben einen Kollegen auf der Wachzentrale, der trägt eine Zahnprothese, die er nachts immer heraus nimmt..
Als Ali das mitbekommt, „klaut“ er ihm dieses wichtige Teil kurzerhand, dazu den Kochtopf, in dem der Zentralist seine Kartoffeln kocht und füllt diesen halb mit Wasser. Zahnprothese rein, das Ganze in das Gefrierfach des Kühlschrankes, der arme Kollege zieht unter Heidengelächter der informierten Kollegen mit dem Kochtopf voller Eis und seinem Inhalt nach seiner Ablösung von dannen..
Einmal allerdings müssen wir ihm das Leben retten. Einer unserer Wachkollegen hat eine kleine Landwirtschaft, kann aber teufelswild werden, wenn man ihn einen „Bauern“ nannte. Tut Ali auch nicht, aber er steckt ihm ein Bündel Stroh in das Bett.
Glücklicherweise bekamen wir das Getöse mit, mit dem unser Günter den Ali durch das Gebäude jagt, ihn in seinem Zimmer zu fassen kriegt und dann auf seinem Bett gar fürchterlich verdrischt.. Wir können mit mehreren Leuten eingreifen, es hätte sonst ernsthaft Kleinholz gegeben..
Dass Ali den Wachleiter, einen Brandamtmann, um ein Foto fragt und auf die Frage, was er damit wolle, treuherzig antwortete, er baue sich gerade eine Monsterschau auf, ist sicherlich kein Streich, sondern schlicht eine Frechheit.
Es zeigt aber die Hemmungslosigkeit, mit der er vorgeht, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Wir stehen zu dritt am Kantinentresen, einer der Kollegen hat sich gerade eine große Flasche Cola gekauft, aber noch nicht geöffnet, Ali: „Karl, wer ist denn das da an der Tür??“ Kollege dreht sich um, fragt „Wo? Ich sehe keinen!“ „Nee ist auch schon weg..“ Was der Kollege nicht mitbekommen hat: Ali hat inzwischen die geschlossene Cola-Flasche kräftig geschüttelt. Der Kollege guckt etwas verwirrt, als er nach dem Öffnen eine volle Dusche abbekommt..
Jahrzehnte vorher, ich bin ein blutjunger Feuerwehrmann, beschließt die Wachbesatzung, einem nicht sehr netten Kollegen den „Heiligen Geist“ zu verpassen. (Für alle nicht Gedienten: Man hält den zu Bestrafenden auf dem Bette fest, haut ihm mit einem Koppel ein paar auf den nackten Hintern und malt selbigen mit Schuhcreme an).
Das war damals natürlich genau so verboten wie heute, aber es wird gemacht. Damit der Kollege nicht mitbekommt, wer das tat, wird ihm eine Wolldecke übergeschmissen und er damit unten gehalten. Nun sind alle unsere Wolldecken mit unserer Dienstnummer gestempelt, der Kollege strampelt sich los, die Übeltäter flüchten und vergessen dabei die Decke.
Au weia! Der abgestrafte Kollege rennt tatsächlich zum Wachabteilungsleiter (WAL) und weint sich aus und der, voller Empörung ob solcher Schandtaten in seiner Schicht, das ist ja wohl, na wartet! stellt die Decke sicher, um mit dem Corpus Delicti am nächsten Morgen auf der Kleiderkammer den schändlichen Wicht zu ermitteln.
Die Übeltäter sitzen nun natürlich mit hängender Unterlippe in der Kantine, als einer der Teilnehmer reinkommt: „Alles klar!“ „Wie das??“ „Abwarten!“
Unser Karl, der WAL, jedenfalls zieht am nächsten Morgen für alle auch schön sichtbar gen Kleiderkammer und legt das Beweisstück der ruchlosen Tat auf den Tresen: „WEM GEHÖRT DIESE NUMMER?“ und erzählt natürlich allen Anwesenden dieses Kapitalverbrechen. Kollege Kleiderbulle schaut in seine Liste - und fängt an zu lachen: „Karl, das ist deine eigene!“, worauf hin unser Karl mit tiefer Bitterkeit im Herzen und leicht eingesunkenen Schultern wieder über den Hof, ja , man möchte sagen: Schlich. Hat doch so ein Schlitzohr die Decken glatt vertauscht..
Damals geht es überhaupt etwas rauer zu, was aber der großen Kollegialität keinen Abbruch tut..
Auf der Wache 3 befindet sich die Schlauchwerkstatt mit einem langen Trog, in den die schmutzigen Schläuche eingeweicht und auch auf Druckbelastung geprüft werden. Es ist mehr als einmal vorgekommen, dass ein Kollege, der sich nicht so ganz den Vorstellungen der anderen entsprechend benommen hat dort einmal rauf und runter durch das Wasser gezogen wird..
Da wird nicht gepetzt, wenn er clever ist nimmt er es hin und sinnt höchstens auf Rache.. Mir allerdings ist das nie passiert, ich habe mich nie erwischen lassen.
Bei dem Thema „Kollegialität“: Ich streite mich gar heftig mit unserem Schorse, warum, ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls fliegen da heftige Worte durch den Raum, jeder erklärte dem anderen, was für ein übler Knecht er sei..
Abends bastele ich an meinem alten VW herum und komme und komme nicht klar.. Schorse streicht um mich herum, ich sage nichts, er sagt nicht, guckt sich nur die Bescherung an.
Mit einem Male bekomme ich einen Stoss, dass ich quer über den Hof fliege, ein Brüller: „Du alter Penner, mach die Klappe auf, wenn du Hilfe brauchst!“ - schnappt sich mein Werkzeug und zehn Minuten später schnurrte mein Motor rund und zufrieden..
Egal, wie sehr man verquer miteinander steht, NIE brauche ich Angst haben, dass mich mein Kontrahent im Feuer alleine lässt.
Wasserschlachten sind auch immer wieder ein ewig altes und immer wieder neues Ereignis.
Das fängt in der Regel ganz harmlos an und endet im totalen Chaos.
Freitags ist Wachreinigung, da werden die Hallen dann mit einem C-Schlauch ausgespritzt, während andere Kollegen mit einem Gummischieber die Wassermassen rausschieben.
Irgendwann bekommt dann irgendwer eine Dusche aus dem Strahlrohr, was ihn veranlasst, auf Rache zu sinnen.
Entweder er versucht mit einem gefüllten Wassereimer an seinen Kontrahenten möglichst auf nahe Distanz heranzukommen, um ihn den dann unverhofft über den Körper zu kippen, oder aber er zerrt einen weiteren Schlauch aus einem Fahrzeug, schmeißt die Pumpe an und ging zum Angriff über, oder was da so an Varianten sind.
Ich habe mal ein „Extra“ hineingebracht:
Über den Fahrzeughallen der Wache 1 sind die Büros der Wachleitung plus Fernsehraum etc., und davor läuft ein Balkon.. Mich hat ein Zugführer, ein altgedienter Hauptbrandmeister, geärgert und ich warte nun natürlich auf eine Gelegenheit, es ihm heimzuzahlen.
Plötzlich entdecke ich ihn auf dem Balkon , reiße das Rohr hoch und jage ihn da oben längs. Ich erziele auch einige Ehrentreffer, als plötzlich ein Urgeschrei aus dem Gebäude die Wache erzittern lässt. Was ich nicht bedacht habe: Die Balkontür zum Zugführer-Zimmer ist offen und unser Vater F. sitzt an seinem Schreibtisch über den Listen brütend, als ihm diese unter den Händen weg gewaschen werden.. Findet er naturgemäß nicht mehr so lustig.
Ein anderer Kollege wird von einem Eimer Wasser getroffen, der Übeltäter kann entkommen.
Nun weiß der „Bewässerte“ aber, dass der Gegner wieder zurück kommen muss und stellt sich hinter eine Ecke auf die Lauer und siehe da, tapp tapp tapp, Schritte - er springt vor und schüttet seine Wasserladung in Richtung Schritte.
Pause, großes tiefes Schweigen, dass man glaubt, die Natur hält den Atem an und dann geht es los.. Der so unglücklich Getroffene ist in Wirklichkeit der Leiter des Vorbeugenden Brandschutzes, ein Oberamtsrat, der sehr auf Distanz und Respektierlichkeit achtet und der nun etwas verwundert wirkt, was ihm da geschieht! Der andere Kollege hat echte Erklärungsnöte.
Eine unserer Freiwilligen Feuerwehren hat Jahreshauptversammlung, es wird wie üblich etwas später.
Hinnerk H, Landwirt mit einem schönen Hof plus altem Ziehbrunnen, kommt nach Hause und wird gleich von seiner Frau fürchterlich angeschnauzt. “Metha hol de Schnut or ick geih int Water“ („Metha sei still oder ich gehe in das Wasser!“) „ Du ole Supuut, bischa spinnert, go na Bett hin tau!“ („Du alter Säufer, Du spinnst ja, geh zu Bett!“) „So nu isset gaut, ick dai dat nu!“ („Jetzt reicht es , ich mache es jetzt!“)
Hinnerk raus, es platscht fürchterlich im Brunnen, Metha kommt angestürzt und sieht auf dem Wasser eine Feuerwehrmütze schwimmen.
Ach Herrje, Metha mit fliegender Schürze in den Gasthof, wo noch diverse Kameraden zusammensitzen und berichtet unter Tränen, dass ihr Hinnerk im Brunnen läge..
Alarm, alle Kameraden mit Fahrzeug zum Hof, Einreißhaken und gefischt, aber nichts..
Nach einer halben Stunde wird es abgebrochen, da kann man heute nichts mehr machen, morgen geht es weiter. Alles in die gute Stube, um Metha zu trösten und noch einen Schnaps zu nehmen, und da sitzt Hinnerk und will sich halb scheckig lachen.
Angeblich hat er mitten in seiner eigenen Stube welche an die Backen bekommen, zumindest sicher übermittelt ist, dass Metha mit harten Gegenständen nach ihm geschmissen hat.
Nachtrag: Das Platschen stammte von einem Hauklotz, auf dem sonst Holz gehackt wurde.
Sowieso interessant solche Versammlungen. Wenn man am nächsten Tag mal fragt: was war denn neues? „Tjä, der Karl hat ‚n neuen Mähdrescher un Kuddel Meiers Kuh hat verkalbt..“ etc etc..
Ein beliebtes Spiel ist auch „Schränke vertauschen..“ Damals haben wir noch richtige alte Holzspinde. Ist ein Kollege im Theater, so wird ihm kurzerhand der Spind vertauscht und er wundert sich beim Zurückkommen, dass er ihn nicht aufbekam.
Eine Abart ist folgende: Der Spind wird abgerückt, die Rückwand, eine Sperrholzplatte, abgeschraubt und dann von hinten ein Handbohrer von innen in die Tür eingedreht, ein dicker Spanndraht durch die durchbohrte Rückwand, die nun wieder angeschraubt wurde, gezogen und von hinten mit einem Schraubenzieher oder ähnlichem verdrillt. Bis der Betroffene da drauf kommt, da vergehen so einige Stunden.
Dass man einem missliebigen Wachleiter mal das Schlüsselloch zuklebt mag ja noch hingehen, aber etwas hart finde ich folgende Geschichte:
Ein Kollege hat sich, zu Recht oder Unrecht, fürchterlich über ihn geärgert und ihm ein Einmalfeuerzeug in den Auspuff seines Pkws bis in den Schalldämpfer geschoben..
Als der Mann nun los fährt passierte erst einmal gar nichts, bis der Auspuff so richtig heiß war und dann das Feuerzeug donnernd explodiert..
Ein Schaden entsteht nicht, aber der arme Mann glaubt, unter ihm sei eine Bombe explodiert.
Nicht nett ist es auch, dem Fahrzeugführer des RTW heimlich etwas Wasser auf den Sitz zu kippen.. Kommt der dann an die Einsatzstelle, so rennt er mit nasser weißer Hose herum, was zu wilden Verdächtigungen führen kann.
Was ich absolut nicht ab kann, das sind Streiche mit Essenwaren.
Hier gibt es Grenzen und einem Kollegen zwischen seine zusammen geklappten Butterbrotscheiben ein Kondom zu schieben, das ist in meinen Augen kein Streich mehr.
Mich hat es auch einmal wild erwischt: Angeblich bin ich prädestiniert für den Weihnachtsmann. Diese Weihnachtsfeiern auf unseren Wachen sind immer ein großes Ereignis und auch sehr nett..
Ich habe also meinen großen Auftritt, anschließend muss ich ja wieder im Himmel verschwinden. Also werde ich mit der Gelenkmastbühne an den Tower für unseren Hubschrauberlandeplatz (wir hatten wegen der nahen Medizinischen Hochschule sehr regen Hubschrauberbetrieb von Fluggerät über fünf Tonnen Abfluggewicht, die auf dem Landedeck der MHH nicht landen durften.) gefahren, muss dort mit meinem schweren roten Mantel dann in das Fenster klettern und dann „entkleidet“ wieder nach unten kommen, als „harmloser Feuerwehrmann“ getarnt.
Just als ich durch das Fenster klettere, gibt es Zugalarm. Was soll ich machen, ich renne so, wie ich bin die Treppen herunter, was nun wirklich ein ellenlanger Weg ist, stolpere auch noch mal über den Mantelsaum und komme unten an, wo die gesamte Bande in der Zentrale stand und sich weg lachen will..
Nur die Väter haben Mühe , den lieben Kleinen zu erklären, wieso denn der Weihnachtsmann aus dem Himmel wieder so schnell herunter läuft.
In die Rubrik: „Unfreiwillige Komik“ gehören folgende Geschichten eines etwas „aus dem Rahmen fallenden“ Kollegen.
Nennen wir ihn der Einfachheit halber Stephan.
Selbiger Stephan ist aus Danzig zu uns gestoßen, wo er angeblich bei der Feuerwehr war.
Warum man das nicht genauer hinterfragt hat, das bleibt eines der ewigen Rätsel, später stellt sich heraus, dass er dort auf der Werft als Schlosser gearbeitet hatte und sein Spezialgebiet der Einbau von CO2 Anlagen war.
Er ist ein Mann mit Kräften wie ein Bär und dem Gemüt eines nicht ganz erwachsenen Gewordenen.
Ich habe mal ein echtes Schlüsselerlebnis: Fahrzeugführer auf dem Tanklöschfahrzeug rücken wir aus zu einem Alarm „Gasgeruch in der Wohnung“.
Meine Anordnung lautet, dass Alle bis auf einen Kollegen erst einmal sitzen bleiben sollen – ich wolle erst einmal feststellen, was eigentlich los sei.
Stephan natürlich hält sich nicht an solche „Vorschläge“, auf meine Frage, warum er, wenn er schon nicht hören wolle nicht wenigstens den Werkzeugkoffer mitgenommen habe antwortete er treuherzig: „Brauch ich nicht, habe ich starke Hände!“
Mir trat jetzt langsam der Schweiß auf die Stirne, aber es soll noch besser kommen.
„Wie heißt er, wie heißt er?“ – und seine breiten Finger auf den Klingenknopf.
Da allerdings hege ich leichte Mordgedanken!
Sein Meisterstück allerdings leistet er sich bei einem dicken Schrottplatzbrand.
Dieses Gelände liegt in einem Mischgebiet, ist mit einer hohen Mauer umgeben und durch ein etwa zwei Meter hohes Tor verschlossen.
Von außen war so nicht zu sehen, was eigentlich los war, also schwingt sich ein junger Inspektorenanwärter auf das Tor – um dort versteinert sitzen zu bleiben.
Unten rennen zwei sehr große und sehr aufgeregte Dobermänner hin- und her und missbilligen ganz offensichtlich, was da so um sie herum geschieht.
Stephan: „Kommst nich rieber? Kommst nich rieber??“ – und mit einem kräftigen Schwung seiner wirklich schaufelartigen Hände wuppt er den armen Sitzenden auf die andere Seite. Direkt vor die Schnauze der Hunde!
Da liegt er nun und rührt sich nicht, wagt nicht, mit den Augenlidern zu zucken, bis nach etwa 20 Minuten endlich der Besitzer des Platzes eintrifft.
Was den damaligen Chef veranlasst, auf jeder Versammlung mit Amtskollegen zu erzählen, er hätte einen Feuerwehrmann, der würde junge
Inspektoren den Hunden zum Fraß vorwerfen..
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Klaus Bethge, Isernhagen |
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