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Blog von

Klaus Bethge, Isernhagen

Rettungsdienst, einst und jetzt03.04.09 09:58
Rettungswagen

Die Straßen sind nass, auf den Feldern liegt ein Rest von Schnee, ein wenig weihnachtliches und unfreundliches Wetter, dieser 22 Dezember des Jahres 69..
Ich bin im Dienst, sitze als dritter Mann auf dem „Unfallwagen“, ein normaler Krankentransportwagen mit Sparausrüstung und draußen ist es bereits dunkel..

Erfahrung: Sehr gering, vor kurzem noch ein normaler Erste Hilfe Lehrgang von acht Doppelstunden, das waren die Grundlagen, mit denen wir damals auskommen müssen..

Die älteren, erfahreneren Kollegen sitzen vorne, einer als Fahrer und einer als „Fahrzeugführer“, dessen Hauptaufgabe wohl nach Ansicht der meisten das Ziehen des Alarmknopfes und das Schreiben der Berichte ist..

„Mein“ Fahrzeugführer ist ein alter Haudegen, bei Brandeinsätzen kaum zu übertreffen, im Rettungsdienst genauso gut oder schlecht ausgebildet wie ich..

Der Dienst auf diesem Fahrzeug ist (damals!) regelrecht verhasst, jeder passt genau auf, dass er nicht einmal zu viel eingeteilt wird und das Interesse, sich von sich aus weiterzubilden ist gleich Null.

In den Krankenhäusern rufen die Schwester,: „Herr Doktor, da sind die Träger schon wieder“ und dann folgt sehr oft erst eine Debatte, ob das auch ihr Einzugsbereich sei.

Schon der Morgen hat entsprechend angefangen: Wir fahren zu einer jungen Dame mit Atemnot, sie hechelt und krampft und ist einfach nicht ansprechbar, obschon sie bei Bewusstsein ist, guckt uns nur mit wild rollenden Augen an.

Rauf auf die Trage, rein in den Wagen und ab in das Krankenhaus. Atemnot, da hilft nur eines und das ist Sauerstoff! Sie will nicht, hilft nichts, was gut ist, das bestimmen wir! Der Kollege guckt von vorn ab und an zu mir herüber, ansonsten bedient er gekonnt das Martinshorn..

Rein in die Notfallaufnahme, die junge Ärztin kommt und ich erzähle ihr ganz stolz, dass ich versuchte, der Patientin mit Sauerstoff das Leben zu retten – und beziehe einen Anschnauzer, dass ich gar nicht weiß, was mir geschieht..

Diagnose Hyperventilation, eine Überatmung mit überhöhter Aufnahme von eben Sauerstoff. Meistens wird das durch psychische Erregung hervorgerufen, Mittel der Wahl wäre der Plastikbeutel gewesen, in dem sie zu atmen hätte, um ihr eigenes Kohlendioxyd zurück zu gewinnen.

Unnötig zu sagen, dass mich der Fahrzeugführer fürchterlich anraunzt: „HABEN SIE DAS NICHT GEWUßT??“ Nein, genau so wenig wie er!

So war es damals, Mull und Sauerstoff und schnellste Fahrt in das Krankenhaus, in der Hoffnung, dass wir gut ankommen, ohne weiteren Schaden anzurichten..

Ganz typisch für die Art der damaligen Ausbildung war die Antwort unseres „Doktor Unblutig“ (eine Verballhornung seines tatsächlichen Namens, der ähnlich klang!) auf die Frage, was wir bei einer Geburt machen sollten: „Sage ich Ihnen nicht, dann kommen Sie nicht in die Versuchung, da anzufassen!“

Zurück zu diesem Abend, der „UW-Gong“ klingt (es war ein anderes Alarmsignal als die damals üblichen Einschlagglocken für die restlichen Fahrzeuge), Alarmziel ein Verkehrsunfall hinter Pattensen, einer Kleinstadt im südlichen Landkreis. Dieter L., der Fahrer, fährt wie Schuhmacher, die Kurven werden fast auf zwei Rädern genommen, egal wie nass oder glatt der Straßenbelag auch sein mag. „Schnell fahren“, das war auch eine der damaligen Vorstellungen von einer guten Alarmfahrt..

Wir fegen den Schnellweg hinunter, die Landstraße entlang und durch Pattensen hindurch - und sehen es schon vor uns, in einer Kurve. Zwei PKW’s voll aufeinander gefahren. Später, im Krankenhaus, erfahren wir durch die Polizei, was passiert war: Einer der Fahrer, volltrunken, muss plötzlich urinieren, hält mitten in der Kurve, Licht wird abgestellt und er geht in das Feld..

Plötzlich kommt aus seiner Richtung ein anderes Fahrzeug, sieht den unbeleuchteten Wagen, schleudert praktisch um ihn herum und prallt voll auf einen entgegen kommenden PKW.

Trage aus dem Fahrzeug, Arztkoffer wie heute, so etwas kannten wir nicht einmal, geschweige, dass wir es hätten, wir laufen hinüber, der Schneeregen schlägt uns in das Gesicht, der Fahrer eines der Fahrzeuge (jenes, welches auf der Gegenfahrbahn getroffen wurde ) wankt uns entgegen. Ich sehe, sein Gesicht blutverschmiert, will mich um ihn kümmern aber er schiebt mich weg: „Meine Frau, helfen sie meiner Frau!!“

Auf dem Beifahrersitz sitzt seine Frau, nein, sie liegt da, nach vorne gebeugt und bewusstlos, auf dem ersten Blick eine schwere Kopfplatzwunde.. Sicherheitsgurte gibt es zu dem Zeitpunkt noch nicht, also erübrigt sich die auch überflüssige Frage, ob sie angeschnallt sei..

Wir heben sie heraus und auf die Trage, der Fahrzeugführer schaut mich an, ich schaue ihn an und wir beide wissen Bescheid, dieses Rennen haben wir verloren..

Der Fahrer kommt, einen kleinen Fünfjährigen an der Hand, ob er es weiß, ob er es fühlt, wir können es nicht einmal ahnen. Zum Unfallfahrer: “Bitte setzen Sie sich nach vorne!“, der Kollege steigt zu mir in die Kabine, ich sitze bereits auf dem Passagiersitz den kleinen Jungen auf dem Schoß, der Fahrzeugführer gibt mir mit seinem Zeigefinger einen Hinweis auf das Kind und lässt ihn kreisen: „Umdrehen“..

Dieter fegt los, das Kind schaut aus dem Fenster, ich halte sein Köpfchen, damit er sich nicht umdrehen kann und unterhalte mich mit ihm, während der Kollege verzweifelt mit einer Art Wiederbelebung versucht, das zurückzuholen, was lange verloren ist: „Onkel, bekommen wir zu Weihnacht ein neues Auto??“ „Aber das will ich doch hoffen!“

Draußen huschen die hell erleuchteten Fenster vorbei, mit all den Leuten drinnen, die schon beim gemütlichen Abendessen sitzen und nicht einmal ahnen, welche Tragödie sich da abspielt hat.

Dieser verdammte Suff.

Ich bin jung, ich habe diese Dinge noch nicht so oft gesehen, mir stehen die Tränen in den Augen und ich muss doch fröhlich sein, um dem Kind die entsetzliche Wahrheit, dass seine Mutti nicht mehr lebt, noch ein paar Augenblicke zu ersparen.

Ich schaue nach vorne, ich sehe den nach hinten beobachtenden Vater in die Augen und ich weiß es: Er hat es begriffen!

Viel Jahre sind seitdem vergangen, ich habe Hunderte von Toten gesehen, ich glaubte bei einem Unfall mit einem Motorrad einen Augenblick, meine eigene Tochter entdeckt zu haben, ich sah, wie sich Mütter weinend über ihr Baby, den plötzlichen Kindstod gestorben, werfen, weil sie es nicht wahrhaben wollten. „Ich habe es doch noch vor einer halben Stunde gefüttert und es war so lebhaft!“, ich habe die alte Dame im Badezimmer getroffen, fertig angezogen für eine Reise mit ihrem Manne, Exitus und sie bat uns, dass wir uns ein wenig beeilen sollten, der Zug würde doch bald fahren und ich habe die ganze Ungerechtigkeit der Schicksalsschläge mit durchlitten, mich immer wieder „WARUM“ gefragt..

Manche Kollegen werden Zyniker, manche geben sich als Zyniker, aber mir ist es nie gelungen, mein Mitleid, zumindest oftmals, zu unterdrücken.

Dieses nicht, wenn sich zwei Betrunkene die Nase eingeschlagen haben, dann habe ich mir nur gedacht: „Ihr Idioten“ und das war es. Sie bekamen ihr Mull auf die Wunde, „Setzen sie sich da rein“ und ab ging es mit diesem Lazarus. Soll sich doch der Arzt mit ihm herum ärgern..

Betrunkene sind für uns ein rotes Tuch.. Wir haben sie nie provoziert, aber oftmals ssind wir es, die provoziert, geschlagen werden und dann kommt auch schon mal zu dem ersten blauen Auge ein zweites hinzu (Ich spreche hier von der Zeit der späten 60er und frühen70er, heute absolut nicht mehr „drin“).

Eine Anleitung, wie man mit diesen Leuten umzugehen habe gab es nicht, manch ein Kollege wurde zusammen geschlagen und dann war die Stimmung da..

Mein Fahrzeugführer dieses Tages ist Rugbyspieler, wir kommen mit einem normalen Kranken in die Notfallaufnahme und sehen gerade noch, wie ein Betrunkener mit einem dreibeinigen Schemel auf die Schwester einschlagen will..

Mein Kollege muss sich wohl an sein letztes Spiel erinnert haben, der „Interne Notfall“ wird plötzlich ein chirurgischer..

Das Spiel „ wo bringen wir ihn (den Betrunkenen) hin?“ ist ein beliebtes. Waren wir im Laufe der Schicht auf eine besonders bissige Schwester gestoßen (Siehe oben: “Herr Doktor, die Träger sind SCHON WIEDER da“), dann ist das Ziel klar: Gefunden da und da! Sagt der Mann etwas anderes, nun, der weiß doch gar nicht einmal, in welcher Stadt er wohnt! Jeder kannte das Spiel..

Allerdings habe ich auch mal meine Frau damit verärgert: Sie hat Nachtwache in der Internen Notfallaufnahme des Krankenhauses Oststadt, ich war Fahrzeugführer auf dem RTW 5 (früher UW, nachher R ettungs T ransport W agen), das Ganze etwa 15 Jahre später und ich fühle mich am Vortag von ihr etwas „weniger nett“ behandelt..

Morgens um fünf Uhr, die übliche Zeit, in der Patienten gewaschen oder aber die Geräte wieder in einen Normalzustand versetzt werden, „Achtung, Alarm für RTW 5, Klingenkamp. Notfall auf der Straße“. Das heißt in 95 % aller Fälle: Alkohol!

Es ist wie üblich, der Mann riecht wie eine Brauerei, schmutzig, dass wir uns gleich Handschuhe anziehen und eingeladen, und jetzt kam die Frage: wohin?? Zwei Häuser stehen zur Auswahl, einmal die Medizinische Hochschule und einmal „Oststadt“.

Hier fällt mir die Wahl sehr leicht, allerdings schicke ich erst einmal meinen „Schorse“ vor, ich gehe brav am Ende der Trage.
.
Dieser Blick!! (Der Mann sah aber auch zu schmutzig aus!)
Als ich dann nach Hause komme, liegt meine Gute schon im Bett, kein Wort, kein „Guten Morgen Kuss“. Wer das versteht!.

Auf der anderen Seite ist es mir auch passiert, dass ich nachts auf die Gynäkologische (Frauenstation) komme, und völlig unerwartet meiner lieben Edith gegenüber stehe und wir uns erst einmal schnell in die Arme fallen.

Der Zweitschwester, einer junge Schülerin, bleibt erst einmal der Mund offen vor Staunen, denn meine Frau gilt immer als sehr freundlich, aber auch als zurückhaltend.

Ist der RTW oder früher: der UW meistens mit traurigen Geschichten verbunden, so kommt es immer wieder zu urkomischen Situationen..

Der UW 3, damals ein Opel Blitz Kastenwagen, besetzt mit drei Mann, fährt aus der Wache heraus, gleich sehr kurz hintereinander um zwei Kurven, die hintere Tür geht auf, der Kollege fliegt auf die Straße, die Tür schlägt wieder zu.

Der Wagen kommt zurück, der Fahrzeugführer flucht: „Wo ist der verdammte Kerl? Einfach nicht mitzufahren, wir mussten so einen Dicken alleine schleppen, dem erzähle ich was!“ „Nun reg dich ab, der wird gerade im „Henri“ (ein nahes Krankenhaus) verbunden..“ „Hä?“

Glücklicherweise war dem Ärmsten, übrigens einer der Dauerpechvögel, nicht allzu viel passiert, er bekommt einen Turban und geht erst einmal nach Hause. Ärgerlich war es für mich, ich muss ihn ersetzen..

In der Nacht schlafen wir üblicherweise zu dritt in einem Zimmer mit einem Telephon, damit die restliche Wache nicht vier bis fünfmal geweckt wurde..

Dieses ist die Mindestzahl, mein Rekord liegt bei 22 Alarmen/Schicht. Mit eingeschlossen drei sogenannte Inkubator -Transporte, also geheizte Transportkästen für neugeborene Kinder, die in eine Spezialklinik gefahren werden..

Leider habe ich das Pech, dass ich grundsätzlich mit „Schnarchern“ zusammen lag..

Was zuviel ist, das ist zuviel, ich bin ausgezogen. Nur wohin??

Auf meinem Zimmer hörte ich den Alarm ja nicht, die Kollegen bitten, vorbeizukommen und mich zu wecken, die Frage alleine hätte fassungsloses Staunen hervorgerufen, also ziehe ich runter in den --- RTW, dort auf die Trage.

Wach werde ich sofort, wenn die Kollegen in den Wagen springen und dann muss ich sehen, das ich schnell in die Hose und in die Stiefel kam.

Das geht in der Regel sehr gut, nur als einmal eine Einsatzstelle drei Häuser weiter ist, da bin ich vor Ort noch damit beschäftigt, mir die Hose zuzuknöpfen.

Die Kleidung damals war die normale Uniform , Hose, Jacke und Krawatte und darüber ein weißer Kittel, und, -extrem wichtig-, die große Mütze..

Wir haben einen sehr schweren Verkehrsunfall in der Innenstadt, ein Porsche mit drei jungen Frauen und dem Fahrer war voll gegen einen Laternenmast gefahren, Alarmbild: „eingeklemmte Personen“

Wir kommen an die Einsatzstelle, der Rüstzug ist auch vor Ort, wir bemühen uns um die Verletzten, als ich hinter mir ein Riesengeschrei höre.

Zuerst realisiere ich gar nicht, was da los ist, ich bin voll mit meiner Arbeit beschäftigt, als ich einen fürchterlichen Brüller höre: „Hau ab du Spinner und lass uns arbeiten“

Ich schaue auf und sehe meinen Fahrzeugführer, zufällig der gleiche, der mit mir damals in Pattensen war, den Zugführer des Rüstzuges davon jagen.

Dieser war mit der Situation völlig überfordert (So etwas gibt es leider, wenn auch sehr selten!)und läuft auf der Einsatzstelle hin und her.

Plötzlich bemerkte er dass wir unsere Mützen nicht auf haben und schnauzt herum.

So Mitte der 70er, meiner Erinnerung nach, bekommt der Rettungsdienst die Priorität, die er braucht..

Hier muss etwas Geschichte angesiedelt werden: Der Rettungsdienst wurde durch die Militärregierungen der einzelnen Besatzungszonen geregelt und so in der Folge von den Bundesländern beibehalten.

Niedersachsen ist ja auf Betreiben der Engländer gegründet worden (vor und während des Krieges gibt es das noch gar nicht) und die Engländer haben verfügt, dass die Feuerwehren einen Rettungsdienst vorzuhalten hätten und das die Kommunen die Träger des Rettungsdienstes sei. Das ist nicht dasselbe, viele Kommunen ohne eine Berufsfeuerwehr können sich die Art des Rettungsdienstes selber aussuchen und übertragen ihn an die einzelnen Organisationen..

In Hannover ist es aber nun einmal primär die Feuerwehr, obschon die anderen Organisationen mit eigenen Leitstellen schön nebeneinander her wurstelen, und jeder versucht (auch durch Kuchenpakete auf den Krankenstationen), einen großen Anteil am Transportaufkommen abzubekommen.

Dass das höchst unökonomisch, auch im Sinne der schnellen Alarmzeiten, ist kann sich jeder wohl vorstellen. Es passiert laufend, das z.B. ein RTW der Wache 3 in den Wachbezirk 5 fahren muss, deren Wagen gerade wo anders beschäftigt it, während praktisch um die Ecke herum ein Fahrzeug des (z.B.) DRK steht..

Das Konkurrenzdenken ist ungeheuer, denn Kranken- und Rettungstransporte bringen richtig Geld!

Hannover ist eines der ersten Städte, in die ein Rettungshubschrauber kommt. Er steht auf einem Deck der medizinischen Hochschule, besetzt mit einem Piloten des Bundesgrenzschutzes, einem Arzt, in der Regel ein Anaestesist, sowie einem Rettungssanitäter der Johanniter..

Es gibt da zwei Möglichkeiten, wenn der Hubschrauber eingesetzt wird. Entweder er transportiert auch oder aber er übergibt den Verletzten/Erkrankten an den Rettungswagen..

Eine große Hauptstraße in den Außenbezirken von Hannover, ein kleiner Junge wird von einem PKW angefahren, die Feuerwehr alarmiert. Die schickt einen RTW und den Hubschrauber. Zufällig kommt ein Krankentransportwagen (KTW) einer Organisation vorbei, die schnappen sich das Kind und fahren los, obschon sie über Funk angesprochen werden, sie hätten an der Einsatzstelle zu verbleiben.

Das Schlimme passiert, das Kind verstirbt auf dem Weg in das Krankenhaus.

Das ist was für die Presse und die Stadt Hannover als Aufsichtsbehörde handelt dann blitzartig einen „Leitstellenvertrag“ aus, der alle Organisationen zwar als unabhängige Wirtschaftsunternehmen belässt, sie aber in die Leitstelle der Feuerwehr zwingt.

Es führt hier zu weit, all die Eifersüchteleien und Konflikte aufzuführen, die es immer und immer wieder gab, jede Organisation achtete peinlich darauf, (es wurden regelrechte Strichlisten geführt!), dass keiner zuviel fuhr, aber zumindest die Koordination war gegeben..

Auch auf dem Ausbildungssektor werden jetzt erhebliche Verbesserungen vorgenommen, als Erstes wird der Notarzteinsatzwagen geschaffen und in den Krankenhäusern (drei) stationiert..

Die dort eingesetzten Kollegen erhalten einen „NAW-Lehrgang“ durch die Ärzte des Krankenhauses, der sie befähigt, dem Arzt helfend zur Hand zu gehen, der aber Meilen weit entfernt ist von dem später folgenden Rettungssanitäter-Lehrgang Es ist halt ein Anfang!

Rettungsdienst ist nach wie vor unbeliebt bei der Feuerwehr, mein Spruch ist immer: „Lieber ein Großfeuer am Tag als einen Tag RTW“

Die meisten Leute, wenn auch nicht alle denken so, aber für eine Beförderung gibt es bald drei wesentliche Voraussetzungen:
1.) Bestandener Lehrgang an der Landesfeuerwehrschule
2.) Erfüllen der Sportkarte, eine Abart des Sportabzeichens,bei der aber
mehr Wahlmöglichkeiten der Diziplinen besteht und
3.) Bestehen des Rettungssanitäterlehrganges.

Der Rettungssanitäterlehrgang setzt sich aus 520 Unterrichtsstunden an einer eigens gegründeten Schule bei der Berufsfeuerwehr, die durch die Landesregierung autorisiert wird, plus eine vorhergegangene Praxis in einem Krankenhaus plus RTW-Praxis zusammen und bringt im Grunde den Durchbruch zu einem modernen Rettungsdienst.
Regel wird, dass grundsätzlich ein Rettungssanitäter auf dem RTW/KTW fahren muss..

Sehr bald wird diese Ausbildung durch einen Fortbildungslehrgang ersetzt, dem „Rettungsassistenten“, heute ein eigenes Berufsbild.

Hier ein kleiner Schwenk: Ich habe durch meine Funkerei (Amateurfunk mit der höchsten Klasse) sehr viele Funkfreunde in aller Welt, speziell natürlich in den USA und werde von einigen Kollegen des International Fire Fighter Net eingeladen, mit meiner Frau auf Besuch zu kommen. Dass hier der Besuch der Feuerwehren eine große Rolle spielt dürfte klar sein..

Meine Bitte: Einmal Rettungswagen. OK !

Die Amerikaner haben das Rettungswesen meines Erachtens wesentlich besser gelöst als wir:
Zwei Klassen, einmal der Emergency Medical Technician, der in etwa unserem Rettungssanitäter entspricht und dann der Paramedic, der unserem Rettungsassistenten gleicht
.
Es gibt einige sehr wesentliche Unterschiede: In den USA kann man sich innerhalb der Feuerwehr für den Rettungsdienst entscheiden und macht auch nur noch diesen.

Der Vorteil für die Kollegen ist, dass sie grundsätzlich einen Dienstgrad höher bezahlt werden (Nicht: befördert), solange sie dabei sind.

Das gilt auch, wenn ein Feuerwehrmann (Sammelbegriff), der an sich nur Brandschutz macht, als Vertretung auf die sogenannte „Paramedic unit“ muss.

Die Ausbildung läuft etwas anders: Natürlich erhalten sie ein sehr gründliche Basisschulung wie bei uns, aber dann lernen sie die Krankheitsfälle auswendig wie ein Gedicht: Wenn ich dieses und jenes vorfinde, dann handelt es sich vermutlich um xxxx. Also muss ich dieses und jenes unternehmen und sehen ob dieser und jener Effekt eintritt. Wenn nicht, dann muss ich das und das machen etc etc..

Es ist im Grunde wie eine Art Baum: So wie man sich vom Stamm über die dicken zu den dünnsten Ästen hangelt, um letztendlich zum Grund zu kommen.

Sie sind niemals alleine, über eigene Funkrelais mit dem Krankenhaus verbunden stehen sie mit einem immer erreichbaren Mediziner in Verbindung. Der sagt ihnen, was sie zu tun haben. Dadurch geben sie weit mehr Medikamente als heute bei uns üblich.

Nicht nur das, die Vitalwerte wie Puls, Blutdruck etc. werden über Datenfunk an das Krankenhaus gegeben, der dort anwesende Arzt kann also das gerade am Patienten abgenommene EKG (die Aufzeichnung der Herzkurven/funktionen) ablesen.

Was ich sehr gut finde:
Sie müssen sofort ein Notfallprotokoll anfertigen, welches sie auf der oftmals langen Fahrt immer wieder aktualisieren müssen.
Wenn nicht gibt es Ärger!

Die Einsatzmethoden sind oftmals etwas „rustikal“.
Zwei Beispiele: eine alte Dame mit einer sogenannten Herzinsuffizienz, ein Krankheitsbild, bei dem die Lunge voll läuft.

Noch im Bett sitzend wird ihr „Lasix“ gespritzt, ein Mittel ,welches schlagartig entwässert. Dass anschließend die Matratze wegzuwerfen wäre, war unwichtig..

Wir finden einen Drogenkonsumenten, der bereits kollabierte. Das aus den USA kommende Medikament „Narcanti“, welches sofort einen Heroinrausch durchbricht, ist damals noch nicht bekannt, also wird aus dem nächsten Eisschrank Eiswürfel besorgt und ihm an die Hoden gepackt. Ein Mittel, um den Kreislauf in Gang zu bringen.(Ich glaube es, ohne es getestet zu haben!)

Wo sie unbestreitbar Spezialisten sind, das sind Schuss - und Stichwunden.

Zurück nach Hannover: Hier wird auch heute allergrößter Wert darauf gelegt, dass der Rettungsdienst aus den Rettungswagen mit (heute) NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) und Hubschrauber etc PLUS dem Löschzug sowie den
Sondereinsatzfahrzeugen aller Art besteht.

Auch hier stellt sich ein Vorteil der „Zwangsehe“ der Organisationen mit uns heraus: Es ist absolut üblich, dass zu einem Alarm die Berufsfeuerwehr mit ihren Großfahrzeugen und ein RTW einer der Organisationen fährt.

Früher hätte der Einsatzleiter nur den Kollegen der BF etwas zu sagen gehabt, heute ist er der „Master next God“, er und nur er bestimmt, was an der Einsatzstelle geschieht.

Zusätzliche Aufgaben werden zum Beispiel die Zwangseinweisungen von psychischen Kranken , eine Aufgabe nach dem PsychKrankengesetz, für die wir extra ausgebildet und danach zum Vollzugsbeamten nach PsychKG ernannt werden.

Wir dürfen den unmittelbaren Zwang anwenden, sprich Handschellen und Knebelketten einsetzen. Ich habe das sehr oft machen müssen, möchte aber gerade diese Aufgabe, die mich hoch belastet hat, nicht mit Beispielen untermalen.

Es hat lange Diskussionen gegeben, ob die Doppellaufbahn Einsatzbeamter im Abwehrenden Brandschutz plus Rettungsassistent überhaupt zeitgemäß sei.

Ich persönlich meine, dass die Vor- und Nachteile etwa 50:50 sind:

Vorteil: Der Feuerwehrmann im Brandschutz kann in jeder Situation zu einem Verunglückten mit den Mitteln der Brandbekämpfung und Technischen Hilfeleistung vordringen, ihn dort versorgen und herausbringen, was selbstverständlich bei den Kollegen der Organisationen nicht gegeben ist.
Hinzu kommt, dass man bei Personalengpässen im Rettungsdienst sofort auf das Personal des Brandschutzes zurückgreifen kann.

Nachteile, auch zwei:

Einmal ist natürlich ein Kollege, der tagein tagaus Rettungsdienst macht, routinierter als der Kollege, der heute die DL, morgen das TLF und was auch immer besetzt. Wer etwas anderes behauptet, der ist nicht ehrlich. Inwieweit diese Differenz zum tragen kommt, das liegt im großen Maße an den Kollegen selber.

Den zweiten Nachteil aber sehe ich persönlich ganz woanders: Zu diesem Dienste muss man sich berufen fühlen. Wenn jemand mit einer tiefen Abneigung daran geht, dann kann das niemals etwas werden..

Ich darf hier einmal aus dem Nähkästchen plaudern: Was die Theorie betrifft, so war ich wirklich gut.

Ich darf hier anmerken, dass ich später in Malawi/Ostafrika den ersten wirklich funktionierenden Rettungsdienst aufgebaut habe. Das heißt: Ich wusste, wie man es macht, nur: Wenn es dann daran ging, einem Patienten einen Zugang (Infusion) zu legen, dann überfiel mich eine panische Angst, etwas falsch zu machen und Schaden anzurichten, der ganz erheblich sein würde.

Ich kann nichts dagegen machen, es ist eben so . Diese Beispiele gibt es sehr oft.

Ich habe einen Kollegen, der hat eine panische Angst vor dem Feuer.
Das hat sich aber bei ihm auch erst herausgestellt, als er dabei war und seinen Beruf gewählt hat. Der wiederum ist einer der besten Leitstellenoperator, die wir je hatten.

Ich meine, dass man ja auch von einem Dipl.Ing Maschinenbau nicht erwarten kann, dass er auch bedarfsweise ein guter Arzt wäre.

Denkt man diesen Gedanken weiter, so kommt man sogar zu der Frage, ob der Universalfeuerwehrmann heute noch zeitgemäß ist, was oftmals in das Kalkül gezogen wird. Nicht jeder gute Feuerwehrmann z.B. wird, obschon ausgebildet, auf dem Rüstzug eingesetzt.

Einige Großschadensereignisse, insbesondere das Zugunglück in Eschede, wo ein ICE entgleiste und in der Folge 101 Tote zu beklagen waren, haben gezeigt, dass ein noch so guter lokaler Rettungsdienst völlig überfordert ist.

Bei solchen Einsätzen werden Kräfte der ganzen Umgebung zusammengezogen, - Einheiten, die sich vorher noch nie zu gemeinsamen Übungen getroffen haben, deren Leistungsfähigkeit dem Einsatzleiter nicht bekannt ist.

Hier geht Hannover einen neuen Weg: Die BF hat ja ein Reservoir von derzeitig 1700 Freiwilligen Feuerwehrleuten, die ihren Wert in Brandeinsätzen bereits unter Beweis gestellt haben..

Frage, warum dieses Personal nicht so ausbilden, dass sie unter der Leitung und Anleitung der Fachkräfte da einen wesentlichen Beitrag leisten können?

Sie werden jetzt als qualifizierte Transportsanitäter ausgebildet, - eine neue Aufgabe für die Rettungsassistentenschule der BF Hannover. Das Ziel ist es, sie so zu qualifizieren, dass sie zusammen mit einem Rett.Assistenten Verletzte in das Krankenhaus transportieren können.

Hierzu gehört sicherlich mehr, als die im Anfang dieses Kapitels beschriebenen Methoden: Sauerstoff, Mull und Brassfahrt in das nächste Krankenhaus. Sie müssen schon in der Lage sein, die Vitalfunktionen zu überwachen..

Eine ganz wesentliche Aufgabe für sie ist die technische Unterstützung wie das Erstellen einer eigenen mobilen Leitstelle, das Erstellen der drei (zusammen hängenden) Versorgungszelte und die Installation der medizinischen Geräte, Versorgung mit Sauerstoff und Elektrizität, und zwar so weit, dass die Kollegen des Rettungsdienstes nur noch ihre mitgebrachten Ausrüstungen anzuschließen brauchen.

Dieses sind ja alles Dinge, die im ersten Zugriff von den Einsatzkräften gar nicht geleistet werden können. Diese sind ja vollauf beschäftigt, erst einmal zu sortieren, die ersten Maßnahmen zu treffen.

Weiterhin ist es notwendig, der Presse, dem Funk und Fernsehen einen geeigneten Treff anzubieten, denn nichts kann mehr stören als unkontrolliert auf der Einsatzstelle herumlaufende Journalisten.

Diese aber sind wichtig, hier sich über die „Journaille“ auszulassen, ist der falsche Weg.

Dieser Treffpunkt wird ebenfalls von der Freiwilligen Feuerwehr erstellt und betreut. (Dazu gehört auch eine Art von Kantinenwesen, in dem die Kräfte sich mal zurückziehen und einen Kaffee trinken können.)

Die Presse ist ein Thema für sich: Sie hat eine sehr wichtige Aufgabe und glücklicherweise hat das die Feuerwehr auch begriffen und sich darauf eingestellt.

In meiner Abhandlung „Ein trauriger Tag“ beklage ich, dass wir damals alleine gelassen werden mit all unserer Trauer, unserem Entsetzten..

Dieses kann heute nicht mehr passieren, in Hannover werden die Geistlichen der beiden großen Konfessionen angesprochen und um ihre Mitarbeit gebeten.

Sie werden kurz in die Aufgaben der Feuerwehr mit dem Rettungsdienst eingewiesen, erhalten dann extra Einsatzkleidung mit einem leuchtenden Collar
„Feuerwehr Hannover Seelsorge“.

Ihre Aufgabe ist sehr vielfältig. Sie betreuen einmal die Kräfte vor Ort, begleiten notfalls schwer verletzte Personen mit in das Krankenhaus oder bleiben bei den Verletzten, die aus Zeitgründen noch nicht versorgt werden können usw.

Ein abschließendes Wort zum:
„Aus Zeitgründen noch nicht versorgt..“

Die Versorgung der Verletzten ist ganz streng geregelt..

Bei solch einem Szenario werden alle verfügbaren Notärzte an die Einsatzstelle gerufen, die Krankenhäuser verständigt, dass mit einem Massenanfall (MANV)von Verletzten zu rechnen sei..

An der Einsatzstelle sind die Aufgaben der Ärzte ganz klar definiert: an der Spitze steht der Leitende Notarzt, der rein administrative Aufgaben wie die Klärung von Krankenhauskapazitäten etc hat, aber auch der sogenannten TRIAGE vorsteht..

Triage: Dieses meint schlicht eine Vorsichtung der Verletzten nach
1.:) muß sofort behandelt werden,
2.:) muß warten
3.:) wird nicht behandelt, da hoffnungslos und Sterbegleitung durch einen Gesitlichen (Die wohl schwerste Entscheidung, die aber unablässlich ist, will man nicht andere zu rettende Leben verlieren aufgrund eines hoffnungslosen Zeitaufwandes..)

Heute geht man sogar noch einen Schritt weiter: In jeder Wachschicht befindet sich ein „Lehrrettungsassistent“, ein Kollege mit langjähriger Erfahrung und einer Zusatzausbildung, der die Kollegen seiner Wachabteilung fortlaufend, jeden Monat mindest ein Mal unterrichtet.

Dass diese Kollegen mit dem Rettungsdienst „verheiratet“ sind, das ist unabdingbar.

Und hier muss ich etwas anfügen: Habe ich eingangs geschrieben, wie verhasst der Rettungsdienst war, so ist das heute anders.

Eine exzellente Ausbildung mit dem Gefühl, danach sein Fach zu beherrschen gibt schon von daher eine ganz andere Einstellung.

90 Prozent der Alarme sind heute Rettungswagen , Krankenwagen hält die Feuerwehr Hannover nicht mehr vor, aber die Zahl der RTW-Alarme geht in die zig-Tausende.

Das wird heute auch nicht mehr im 24-Stunden-Dienst gemacht, dadurch wird die extreme Belastung von vier Wochen am Stück abgefedert.

Und da sich heute keiner mehr vor drücken kann und will fällt der Zorn auf diejenigen weg, die es früher geschafft haben, sich da heraus zu halten.

Und weggefallen ist der Zorn, mit einem Kollegen fahren zu müssen, der (war lange Zeit so) über keinerlei wirkliche Kenntnisse verfügte und einem nicht zur Hand gehen konnte.

Heute sind die Kollegen alle (fast) gleich gut ausgebildet, ohne Ausnahme.

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